17. August 2007

"Der Senf hier ist großartig"

Interview geführt von

Über ein Jahr nach der US-Veröffentlichung erschien vor zwei Wochen das selbstbetitelte Debütalbum von Under The Influence Of Giants auch hierzulande. Bereits im März 2007 tourte das Quartett als Vorgruppe von The Sounds in Europa. Wir passten sie in Zürich ab.Zürich, Abart Club, im März 2007: Sowohl die anwesende Promoterin als auch die Bandmitglieder der schwedischen Punkrocker The Sounds können ihre Verwunderung nur schwer verbergen, dass hier Journalisten auftauchen, die ein Interview mit der Vorgruppe führen wollen, welche noch nicht einmal ein Album veröffentlicht hat. Dem Internet im Allgemeinen und dem Popnutten-Blog im Speziellen sei Dank, dudeln die Songs des kalifornischen Vierers aber schon seit Monaten in unseren Playern. So war es für Band-Entdecker Mengele und mich keine Frage, die Jungs bei ihrer kurzen Europatour mit den Skandinaviern im Backstage-Raum des Abart abzupassen.

Euer Debütalbum ist bei uns noch nicht veröffentlicht worden, es steht auch noch gar kein Termin fest. In Amerika gibt es die Platte aber schon seit 2006, richtig?

Jamin Wilcox: Genau, bei uns kam sie im August raus. Die erste Single "Mama's Room" wurde auch gut aufgenommen und rief MTV und so Sachen auf den Plan. Gerade haben wir "In The Clouds" ausgekoppelt, das meines Wissens auch in Deutschland die erste Single werden soll. Rückblickend hätte ich auch bei uns lieber diesen Song zuerst rausgebracht, da er unseren Sound oder uns als Liveband einfach besser repräsentiert.

Also ich mag "Mama's Room"! (Allgemeines Gelächter) Nein, ich will einfach nicht verstehen, warum man hier so lange wartet, eure Platte zu veröffentlichen. Auf meiner Promo-CD steht "Coming out Summer 2006".

Jamin: Nun, was lange währt wird endlich gut.

Okay, aber ihr spielt die Songs doch schon seit 2004, oder?

Aaron Bruno: Einige davon schon, "Mama's Room" haben wir zum Beispiel schon vor langer Zeit geschrieben. Das war ein sehr wichtiger Song, der uns am Anfang half, uns von den anderen Bands in L.A. abzugrenzen. Wir haben damals Gratis-CDs mit diesem und ein paar anderen Songs verteilt, kamen dadurch ins Gespräch und wurden so dann auch gesignt.

Wie lange habt ihr gebraucht, bis die Leute auf euch abfuhren?

Aaron: Schwierig zu sagen, da wir vorher alle schon in anderen Bands gespielt haben und von denen dann ein paar loyale Fans mitnehmen konnten. Aber es ging insgesamt recht schnell. Gerade in L.A. und später auch in ganz Kalifornien breitete sich das aus wie ein Buschfeuer. Ich würde sagen, nach einem Jahr hatten wir ausverkaufte Shows. Die CD-Verteilaktion und auch MySpace war da sehr wichtig. Ich meine, wir haben viel selbst organisiert, sind mit unseren CDs zu anderen Shows gegangen und haben sie dem Volk förmlich aufgedrängt. Wir haben also Blut, Schweiß und Tränen für die Band vergossen.

Du erwähntest eure alten Bands; stimmt es, dass drei von euch schon einen Plattenvertrag hatten?

Aaron: Ja, Drew und ich waren in einer Band und Jamin in einer anderen.

Und was habt ihr damals für Musik gemacht?

Aaron: Oh, das war ganz was anderes. Wir sind mit unserem neuen Sound auch so glücklich, dass wir es so gut es geht vermeiden, über die alten Sachen zu sprechen.

Bist du mit Drew dann bei der alten Band ausgestiegen, weil du der Musik überdrüssig warst oder weil ihr erfolglos ward?

Aaron: Wegen beidem, glaube ich. Drew und ich haben schon in Punk- und Hardcore-Bands gespielt, in Pubrock-Alternative-Bands, was auch immer, und Jamin hatte auch schon allerlei Stile in seinen Bands hinter sich. Als wir auf ihn stießen, wurde uns ziemlich schnell bewusst, in welche musikalische Richtung es nun gehen sollte. Wir wollten mehr Keyboards, mehr Soul und mehr Beats. Und ganz wichtig: Melodien! Es hat uns ein paar Jahre gekostet, diese Songs zu schreiben, aber da ist viel Liebe drin. Die Liebe, die wir Bandmitglieder zu jedem einzelnen von uns empfinden.

"UTIOG klingt wie eine Universität"

Ich habe mich ja ziemlich gewundert, dass ihr mit Under The Influence Of Giants einen Namen gewählt habt, der nach musikalischen Vergleichen geradezu schreit. Die meisten Bands wollen sowas doch vermeiden, Stichwort Eigenständigkeit und so. Mit welcher Giganten-Band würdet ihr euch am liebsten verglichen sehen?

Jamin: Ach, eigentlich geht es uns eher darum, dass die Leute genau so viel Spaß an unserer Musik haben wie wir. Wenn das der Fall ist, ist es eine Art Bonus, denn wir machen die Musik erstmal für uns. In der Band stehen wir auch auf die verschiedensten Gruppen. Was uns eint ist wahrscheinlich, dass wir bei all der Musik, die wir mögen, keine qualitativen Unterschiede machen. Wir mögen Jazz, Blues, Pop - guten Pop, nicht das neue Zeug - eher der frühe 80er Pop ...

Drew: Aus den frühen 90ern gibt es auch gute Sachen.

Jamin: Yeah, jedenfalls haben wir mit Pop keine Berührungsängste. Vergleiche mit anderen Bands ist ja ohnehin subjektiv.

Drew: Jede Band wird ja von anderen Bands beeinflusst und wir dachten eben, wir nehmen das gleich in den Bandnamen.

Aaron: Der Name soll auch ausdrücken, dass wir musikverrückt sind. Wir lieben es, neue Musik zu entdecken, vielleicht nicht neue Musik, aber Songs, die wir noch nicht kennen ...

Jamin: Wenn das dann neue Musik ist, wirds richtig spannend ...

Aaron: Okay, aber das kommt selten vor.

Jamin: Wir haben zuhause alle Plattenspieler stehen. In Los Angeles schauen wir immer in Plattenläden vorbei und hören uns Sachen an und kaufen es dann auf Vinyl, im Amoeba zum Beispiel, das ist ein recht bekannter Laden. Dort gibts auch Fundgruben, in denen man immer mal wieder was Tolles findet, von dem man nie zuvor gehört hat.

War es schwierig, mit eurem langen Namen einen Plattendeal an Land zu ziehen?

Aaron: Es hat uns eigentlich sogar geholfen. Wir wollten einen Namen, der heraussticht, und der nicht an andere Bands erinnert, einfach weil wir unserer Meinung nach auch anders klingen. Anfangs war es noch etwas riskant, aber nachdem wir eine Fangemeinde hinter uns stehen hatten, machte es uns für Labels noch interessanter, denke ich.

Jamin: Außerdem: Heute mag der Name lang klingen, aber schau mal in die 50er Jahre. Buddy Holly & The Crickets, jeder hatte ein "&" im Namen. So sind wir, nur ohne ein "&".

Die Red Hot Chili Peppers wählten Anfang der 80er ja auch einen langen Namen, weil alle anderen Bands The Smiths und so hießen.

Alle: Yeah.

Aaron: So war auch unser Gedanke.

Trotzdem nennen euch viele Fans UTIOG.

Jamin: Ja, manche nennen uns auch Utiog. UTIOG klingt wie eine Universität.

Aaron: Viele nennen uns auch einfach The Giants. Das ist wahrscheinlich unser Favorit.

Eure Platte haben zwei Jungs von Blind Melon produziert. Ich kannte sie nur vom Namen, aber Anfang der 90er hatten sie in Europa ein Hitalbum.

Aaron: Oh, bei uns waren sie groß.

Jamin: Wir haben sie gefragt, weil sie ein ähnliches Verständnis für unsere Songs aufbringen. Mit Blind Melon hat das weniger zu tun, schließlich klingen unsere Bands auch sehr verschieden. Wir schätzen beide sehr als Musiker. Übrigens haben sie gerade einen neuen Sänger gefunden und bringen demnächst eine neue Platte raus. Es macht Spaß zuzusehen, wie sie wieder Musik zusammen machen.

Drew: Es erleichtert die Arbeit, mit Produzenten zusammen zu arbeiten, die selbst Musiker sind. Da tritt ein großer Informationsaustausch ein. Wir haben in ihrem neuen Studio aufgenommen, das für sämtliche Aufnahmen fantastisch geeignet ist. Wir konnten daher die Gitarren, Drums und alles an ein und demselben Ort aufnehmen.

Dave: Nicht zu vergessen ihre Erfahrung mit Erfolg, Misserfolg und Tragödien, das ist ein ungeheures Wissen, von dem wir als Band profitieren können.

Kam die Idee, mit den Jungs aufzunehmen, von eurem Label?

Aaron: Nein, unser Manager schlug das vor. Anfangs waren wir unsicher. Wir kannten keine Platten, die sie produziert hatten, nur das Blind Melon-Zeugs und in dieser Richtung sahen wir unseren Sound nicht. Aber zum Glück trafen wir sie und dann war man sich sofort sympathisch und wir erkannten viele Gemeinsamkeiten.

"Wir sind live um einiges härter"

Für das "In The Clouds"-Video habt ihr mit dem Regisseur Travis Kopach gearbeitet, der schon für Panic! At The Disco Clips gedreht hat. War er euer spezieller Wunsch?

Jamin: Nein, ich glaube ein Produktmanager meinte, wir sollten uns mal seine Arbeiten anschauen und was wir sahen, gefiel uns. Am meisten lag uns daran, dass man die Energie unserer Liveshows und vielleicht unsere Persönlichkeiten in den Clip mit reinbringt. Beides ist ihm sehr gut gelungen. Es ist sehr lustig geworden. Ich habe es bis jetzt ca. fünf Mal gesehen und jedes Mal entdeckte ich wieder etwas Neues, über das ich grinsen musste. Letztendlich muss Musik ja auch Spaß machen. Wir versuchen jedenfalls bei aller Professionalität, nicht allzu ernst zu werden.

Der Bandmanager betritt den Raum und bittet die Jungs zum Soundcheck.

Haben wir noch ein paar Minuten?

Aaron: Klar, die brauchen mich eh nicht. Ich bin nur der Sänger. See you, guys!

So ein Glück, was?

Aaron: Ach, auf ein paar Songs habe ich auch schon Gitarre gespielt oder mit Jamin die Instrumente getauscht, so dass er an die Keyboards steht und ich hinter die Drums sitze. Bei "Meaningless Love" zum Beispiel. Aber für diese Support-Tour haben wir beschlossen, die Upbeat-Variante zu fahren und Dance-Parties zu feiern. Also brauchen sie mich jetzt auch nicht beim Soundcheck.

Ist es eigentlich schwierig für dich, den Falsettgesang live aufrecht zu erhalten, der auf dem Album eine tragende Rolle spielt?

Nein, überhaupt nicht. Ich bin mit meiner Mutter und meiner Schwester aufgewachsen und zuhause lief immer 80er Pop, also Madonna, Prince und Michael Jackson. Der Falsettgesang war praktisch eines der ersten Dinge, die ich konnte, weil ich ständig versucht habe, wie eine Frau zu singen. Erst später, als auch die Punk- und Hardcore-Band-Zeiten kamen, lernte ich die anderen Arten zu singen und das Schreien.

Eure Heimat L.A. ist bekannt für durchgeknallte Freaks jeglicher Couleur, genau wie für ein recht offenes, vorurteilsloses Publikum. Ist das vielleicht eine Tatsache, die euren Erfolg beschleunigt haben könnte?

Yeah, bestimmt. Andererseits musst du bedenken, dass die Konkurrenz in L.A. oder Hollywood dementsprechend ist. An einem Abend können 20 Gigs gleichzeitig laufen und du weißt überhaupt nicht, wo du hingehen sollst. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir ein optimales Timing hatten. Als wir anfingen, wartete L.A. irgendwie auf eine Band wie uns, wenigstens ging es mir so. Wenn ihr nachher noch die Show anschaut, werdet ihr sehen, dass wir live um einiges härter sind.

Mit der Platte wollen wir einfach so viele Menschen erreichen wie möglich. Wir glauben, dass zumindest einer der elf oder zwölf Songs das Zeug hat, Leute anzusprechen, die Musik über alles lieben. Klar, wir verarbeiten verschiedene Stile, aber im Endeffekt sind alle Songs von derselben Band. Ja und live drehen wir dann völlig ab, einfach weil wir so stolz darauf sind, mit diesen Songs auftreten zu dürfen und um die Welt zu reisen. Es ist unglaublich. Jeden Tag eine neue Stadt, das ist sehr inspirierend.

Gerade waren wir in Berlin, wo diese ganzen Gebäude aus dem Zweiten Weltkrieg stehen. Das ist schon verrückt, wenn du das alles nur aus deinen Schulbüchern kennst. Um noch einmal auf den Namen Under The Influence Of Giants zurück zu kommen: Er mag in erster Linie für Musik stehen, aber er meint auch Regisseure oder Komponisten, Kunst allgemein. Es geht um alles, was Gefühle erzeugt. So wie das Wasser, das ich heute mittag in diesem schönen Fluss gesehen habe, an dem einige Leute rumhingen. Vielleicht schreibe ich mal einen Song, der davon handelt, wie schön dieser Moment war.

Ihr seid gerade mit der skandinavischen Punk-Popband The Sounds unterwegs. Findest du, sie passen besser zu euch als beispielweise The Rapture, mit denen ihr in Amerika getourt seid?

Ich muss sagen, diese Tour gehört zu den lustigsten, die ich je mitgemacht habe. Das liegt natürlich allein schon daran, dass wir alle in einem Bus fahren. Dazu noch der Kulturschock, wir als Amis, sie als Schweden, unser Tourmanager aus Irland und der Merchandiser aus Italien. Wir sind 14 Leute im Bus, manchmal geht es wirklich zu wie im Zirkus.

Als ich zum ersten Mal hörte, dass wir in einem Bus mit der anderen Band fahren, hatte ich etwas Bammel, wir könnten irgendwie anecken. Du weißt ja nie, wie andere Leute ticken. Aber es lief von der ersten Minute an super mit den Jungs. Wir haben auch als Band viel gemeinsam. Wir sind vielleicht etwas souliger, aber es existiert hier wie da eine poppige Ausrichtung. Und wir wollen auf der Bühne beide abgehen, Leute springen sehen und selbst ins Publikum springen.

Wie lange reist der Zirkus noch weiter?

Den ganzen März. Die Tour endet in Schweden, worauf wir uns alle schon sehr freuen, das dürfte lustig werden. Mich interessiert ihre Kultur ohnehin sehr, da ich Halb-Schwede und Halb-Italiener bin. Ich denke, ich wage mich nicht zu weit hinaus, wenn ich behaupte, dass uns am Tag nach der letzten Show mächtig der Schädel dröhnen wird.

Auf dem Albumcover sieht man euch in einem Flugzeug sitzen. War das eure erste Idee?

Ja, denn wir lieben die alten Platten der Beatles oder Stones, auf denen immer die ganze Band abgebildet ist. Gleichzeitig sollte es ein spannendes Foto sein mit sehr vielen Farben, also kamen wir auf das Konzept mit den Schaufensterpuppen. Die Fotografin selbst kam dann auf die Idee, in ein Flugzeug der 60er Jahre zu gehen, es zu dekorieren und die Atmosphäre zu testen. Es wurde dann eine sehr ausgelassene Sache, nicht so ernst und cool wie diese Majorlabel-Shootings normalerweise.

Ich habe vor kurzem das Buch "Sound Bites" von Franz Ferdinand-Sänger Alex Kapranos gelesen, in dem er seine Lieblingsspeisen auf Tournee nach Städten auflistet. Was würdest du nach deinen bisherigen Eindrücken in Europa empfehlen?

Oh je, eine gute Frage. Also warte mal, wir begannen die Tour in Malmö in Südschweden, dort gabs das beste indische Essen, das ich jemals hatte. Im Ernst, ich kann es euch nicht beschreiben, wie gut das war. In Hamburg hatte ich italienisch, das war auch gut, an die Namen der Restaurants kann ich mich aber beim besten Willen nicht mehr erinnern. Dave hat in Hamburg seinen Geldbeutel verloren, ihn solltet ihr besser nicht auf die Stadt ansprechen.

Und glaubt es oder nicht: in Köln hatte ich kubanisches Essen. Als Kalifornier lieben wir natürlich mexikanisches Essen und vermissen das hier ziemlich, aber kubanisch war schon sehr nahe dran. Ein paar Bissen Heimat. Hier in Zürich hatte ich ein Sandwich, das ich aber nicht weiter empfehle, es hatte den schärfsten Senf, den ich in meinem ganzen Leben hatte. Schon nach einem Biss wäre mir fast der Kopf weggeflogen. Wobei der Senf an sich hier natürlich großartig ist. Insgesamt ist das Essen hier aber sehr lecker, ich würde es amerikanischem vorziehen, wenn mir nicht die mexikanische Küche so fehlen würde.

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