Various Artists - " Viva Con Agua Music Compilation"

Viva Con Agua ist eine NGO (Nichtregierungs-Organisation). Sie verknüpft das Plastikproblem auf dem Planeten mit einem zweiten: der Spaltung der Erde in - einerseits - Länder mit trinkbarem Trinkwasser aus dem Wasserhahn und - andererseits - Ländern mit Dürren und bakterien- oder chemieverseuchter Dreckbrühe. Dabei zieht die aus Hamburg stammende Initiative auf der Suche nach Supportern gerne auf Musik-Großveranstaltungen. Wenn jahrelang viele Festivals ins Wasser fallen, drängt sich als Alternative eine Spotify-Playlist auf: Die "Viva Con Agua Music Compilation" dient dazu, irgendwie den Kontakt zu musikaffinen, alternativen Menschen zu pflegen und auf diese Weise Einnahmen zu generieren. 

Doch sie klingt auch großartig. Die zweisprachige und satt bounzende Rap-Reggae-Funk-Latin-Ska-Fusion "Change The World" von Mal Élevé nebst seinen (mir unbekannten) Homies Christopher Varnado und Crushow macht den Anfang. Südafrikas Dancehall-Hip Hopper Crosby Bolani übt im kompakten Tune "Villa Viva" Kapitalismuskritik an der Immobilienwirtschaft und spricht explizit an, dass Wasserversorgung ein Menschenrecht für Schwarz und Weiß, Arm und Reich sei. "So Far" von der Berliner R'n'B-Gruppe Memoriez könnte Fans von Michael Kiwanuka, Monophonics und der James Hunter Six interessieren.

Mit Flo Mega wird's Falsett-funky. Wir erfahren von der lasziv timbrierenden X Factor-Pionierin und "Lady" Meral Al-Mer, dass es in der Disco immer Sommer sei. Die Stimmung klingt gut, Jan Delay lässt grüßen. Der düstere Amplifier-Schlagwerk-Sound des Progressive House von Faraway Friends behandelt das Sampler-Thema dann unter dem Aspekt Regen und vergleicht Regentropfen in einer geschickten, dicht gewobenen Lyrik mit Tränenflüssigkeit: "Rain Is Coming".

Völlig anders, maximal entspannt, lassen es besagte Faraway Friends um Moop Mamas Frontmann Keno mit Sängerin Aditi Veena im Stile von Mattafix angehen. Aditi, genannt Ditty, ist wassertechnisch vom Fach, Umweltingenieurin, und stammt aus einem Land mit einem Wasserproblem, Indien. Sie weiß, wovon sie in "Spring" singt.

Mit dem auch für Kinderohren gut geeigneten und gut gereimten "Ich Bin Das Alpagua" steigt der Sampler noch tiefer in Funk-Electropop ein. Die beiden freundlichen Stimmen Jolle und Tasha Kimberly stehen fürs Musikprojekt Viva Alpagua, aber auch für die Herkunft der Compilation. Denn da zieht das Chimperator-Label im Hintergrund die Strippen. Bela B ist, trotz dieses für ihn ungewohnten stilistischen Umfelds, Teil eines Songs über Fische und ein abfallverschmutztes Korallenriff. Zumindest mit einem Jingle als Track-Intro. "Die Krabbe Und Das Meer" ist eine wunderschöne Trip Hop-Nummer mit Klavier, Melancholie und viel Idealismus.

Normalerweise sammelt die Non-Profit-Vereinigung Pfandgut. Das kann bei Konzerten und insbesondere Open Air-Festivals recht hoch dotiertes Plastik sein. Viva Con Agua lässt dann Volunteers mit übermannsgroßen blauen Dosen auf dem Rücken übers Gelände laufen oder fängt das schwitzende und Apfelschorle konsumierende Publikum im Idealfall direkt neben den Bühnenausgängen in einer Konzert-Umbaupause ab. Oft betreiben freiwillige Helfer*innen auch einen Infostand dort auf dem Areal und stellen die Projekte vor, die etwa in Nepal, Kenia oder Mosambik konkret von den Erlösen finanziert werden.

Wer sich den stilistisch vielseitigen Sampler samt der hochwertigen Remixes am Ende anhört, erzeugt durchs Streaming oder Downloaden Einnahmen für solche Projekte. Wenn einem der Sampler nicht gefällt, funktioniert das auch, indem man die Playlist mit ausgeschaltetem Ton laufen lässt. Aber da die Playlist gefühlvoll kuratiert wurde und eine organische Dramaturgie entstand, ist sie interessant anzuhören. Zudem haben die Songs alle auch einen Bezug zum Thema und sind kein reines Promis-halten-ihren-Kopf-für-Benefiz-hin, sondern zugleich eine gute Gelegenheit, talentierte Newcomer-Bands in der deutschen Musiklandschaft zu entdecken.