laut.de-Kritik
Akustik-Punk wie damals: unbeschwert und ein wenig angepisst.
Review von Markus BrandstetterDiese Scheißsache mit dem Vergessen: "I don't remember anything you said / I don't remember any books that you ever had read / I don't remember the sound of your voice / I don't remember but it's not my choice", singt Gordon Gano zu Beginn des neuen Violent Femmes-Albums. Jawohl, richtig gehört: Nach fünfzehn Jahren überrascht die Band aus Milwaukee, Wisconsin mit einem aus der Hüfte geschossenen, grandiosen Longplayer.
Zehn Songs und knappe dreißig Minuten lang begeistern die Violent Femmes in abgeänderter Besetzung: statt Victor DeLorenzo sitzt auf "We Can Do Anything" Dresden Dolls-Drummer Brian Viglione am Schlagzeug. Mittlerweile ist auch er nicht mehr mit von der Partie, Gordon Gano und Brian Ritchie touren mit John Sparrow als neuem Bandmitglied.
Musikalisch hat sich nichts verändert bei Violent Femmes. Wieder wachte der langjährige Weggefährte Jeff Hamilton über die Produktion. Gemeinsam installierte man zahlreiche Raummikrofone und arbeitete Demo-Aufnahmen ins Album ein. Herausgekommen ist dabei der klassische Violent Femmes-Song: unbeschwert, überschwänglich und immer ein wenig angepisst. Am ehesten noch sind die besungenen Probleme andere geworden - Gano ist mittlerweile 52 Jahre alt, Ritchie 55.
Nachdem mit "Memory" das Thema Erinnerung in wundervoll nachlässiger sonnengegilbter Akustikpunk-Manier - ganz wie früher - abgegrast ist, wagen sich Violent Femmes in "I Could Be Anything" Lust an eine beherzte Polka. "I could be this or I could be that / I could pull an elephant out of an hat / I could slay a dragon or I could be king / I could be anything" nölt Gano.
Bei "Issues" spielt dann ein Bläser das Gitarrenlick und man hat so richtig gar keine Lust darauf, sich die Probleme des Gegenübers anzutun: "You try to tell me about your issues / I don't need to know about them anymore / Your issues, and why you are standing in my kitchen door". Drei Minuten und sechs Sekunden dauert der Song und ist damit das zweitlängste Stück der Platte: man kommt wie gewohnt zum Punkt. Und wie.
Was Gano als Songwriter heute wie damals wunderbar gelingt: den Stimmungen überraschende Plot-Twists zu geben, sardonisch und quasi nebenbei sonnige Stimmungen kurzzeitig völlig düster werden zu lassen. "Big Car" ist ein gutes Beispiel dafür: Was als uramerikanische Ode ans Date im Auto beginnt, endet wenige Minuten später als Wüstenbegräbnis.
Grandios auch die Abneigungsbekundungen: "I hate to hear your voice / In person or on the phone" (auf "Untrue Love") - es ist nicht das erste Mal, dass Liebe mit einer gehörigen Portion Bitterkeit serviert wird. "We Can Do Anything" endet dann mit der Bluegrass-Nummer "I'm Not Done".
Hoffentlich sind sie lange noch nicht done - und lassen uns nicht wieder fünfzehn Jahre mit neuen Songs warten.
1 Kommentar
Da fehlt doch glaube auch noch ein Meilenstein