laut.de-Kritik

Hat der Eismann noch Vanille?

Review von

Jetzt, da der Sommer Einzug hält, stellt sich dieses Gefühl grenzenloser Unbeschwertheit ein. Man denkt plötzlich, man hätte Lust auf Schnitzeljagd, Drachensteigen, Fahrten im Heißluftballon oder in den Zug steigen und nach Paris fahren. Jugendlicher Übermut verlangt sofortige Bedürfniserfüllung.

Hat man weder Zeit noch Geld für Impulsentscheidungen solcher Art oder neigt tendenziell eher zu Rationalität statt spontaner Unvernunft, drängt sich das zweite Album von Walk The Moon geradezu auf. Mit ungestüm der Lebensfreude frönenden Songs wie "Anna Sun" oder "Lisa Baby" kann man etwaige sommerlich-irrationale, aber unerfüllt bleibende Sehnsüchte problemlos kompensieren.

Die vier Twens aus Cincinnati machen keinen Hehl aus ihren musikalischen Absichten: "We tore up the walls, we slept on couches, we lifted this house". Jede Note dreht sich um die Lust am Tanzen, an der Kurzweil, an der eigenen Jugend und Sorglosigkeit. Jeder Song scheint ein unbestimmtes Damals zu implizieren: Als man noch in den Tag hineinlebte und die einzigen Sorgen waren, ob "Jenny" nun ja, nein oder vielleicht sagt, wann man heute Abend zur Party geht und ob der Eismann noch Vanille hat. "We got no money, but we got heart".

Schon das Eröffnungsstück "Quesadilla" ist ein Smasher: Schillernde Synthie-Arpeggios und laut stampfendes Schlagzeug regieren den Song, die hemmungslos poppige Melodie und der unverwechselbare Gesang Nicholas Petriccas sind so vergnügt wie Ferris beim Blaumachen.

Sonderlich neu ist der Indierock/Powerpop auf "Walk The Moon" nicht. Aber er klingt so spielerisch und unverkrampft, als wäre er aus nur einer Recording Session hervorgegangen. Man glaubt zu hören, wie viel Enthusiasmus die Band für ihre eigene Musik aufbringt und wie viel Freude ihnen das Spielen macht.

Prägnante Gitarrenriffs, jungenhafte Mitsing-Chöre und Rhythmusmuster, die dank einiger retardierender Momente, kleiner Taktwechsel und Synkopierungen vom 08/15-Schema abweichen, bewahren das Album vorm Untergang in der Indierock-Masse. Manchmal erfährt die Platte gar einen Schlenker in Richtung 80s-Pop-Kitsch ("Next In Line").

Im Gegensatz zu den überwiegend simplen Lyrics ist das Songwriting zwar eingängig und catchy, aber nie stumpf. Das zeugt von einer ähnlichen Attitüde, wie sie schon die Killers zu ihren besseren Zeiten bei der Konstruktion ihrer äußerst griffigen Refrains an den Tag legten. Sowohl Indiedisko als auch Airplay im Formatradio ist drin für Walk The Moon, was nicht zuletzt ihr Wechsel zum Major Sony deutlich macht.

Die Songs drängen fast ausschließlich im heiteren Upbeat nach vorne. Die vier feiern sich und ihr junges Leben, ihre Exzesse und Sehnsüchte ungehemmt ab. Dazu gehören auch pseudo-philosophische Momente, das Coming Down des überfeierten Geistes: Ruhigere Töne sind zwar selten, aber finden dennoch statt, wenngleich die Band Optimismus besser kann.

Lausbübischen Gemüts und im Ton sympathisch-ironischer Selbstüberschätzung erzählen die Texte freimütig von dem, was post-pubertäre Twentysomethings, die vom westlichen Luxus der Unbekümmertheit geprägt sind, eben so beschäftigt: Zuneigung und/oder Sex ("Shall we get intimate again?"), die Verehrung weiblicher Formen ("Jenny's got a body just like an hourglass") sowie deren Unerreichbarkeit ("I've been dreaming that we could be sticking together"). Die Band zelebriert unverblümt ihre Halbwüchsigen-Naivität.

Das Baumhaus in den Höhen buntgefärbter Baumkronen, das das Cover ziert, nimmt dieses Motiv ebenso auf wie das Video zur ersten Single "Anna Sun": Darin spaziert Nicholas Petricca singend durch eine Abrisskulisse voller Verliebter, Plüschtiere, wild Tanzender, Wunderkerzen und Indianer. Das Video wie die Platte eine einzige Feierei.

Explizit handelt der Song davon, "wie man sich ein kleines Stückchen Kindheit bewahrt", so Petricca. Implizit dreht sich das ganze Album um genau dieses Thema. Es versprüht gut 40 Minuten unbändige Ausgelassenheit. "Walk The Moon" mag nicht von besonderer Tiefe gekennzeichnet sein und seine Halbwertszeit dürfte ähnlich ausfallen wie die des diesjährigen Sommers. Aber etwas anderes ist auch gar nicht der Anspruch der Band. "I want everyone racing down the hill!"

Trackliste

  1. 1. Quesadilla
  2. 2. Lisa Baby
  3. 3. Next In Line
  4. 4. Anna Sun
  5. 5. Tightrope
  6. 6. Jenny
  7. 7. Shiver Shiver
  8. 8. Lions
  9. 9. Iscariot
  10. 10. Fixin'
  11. 11. I Can Lift A Car

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