laut.de-Kritik

Funkelnde Synthesizer und Drums, die einen nachts heimsuchen.

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Nach ihrem Ausflug mit Alan Moulder kehren die White Lies für "Big TV" wieder zum Produzenten ihres Debüts zurück: Ed Buller griff neben dem Trio schon Pulp oder Suede unter die Arme. Die Entscheidung begründet die Band damit, dass es dieses Mal weniger um den Sound und viel mehr um die Songs gehen sollte. Das Ergebnis: Ein Album, das wie eine gepimpte Ausgabe von "To Lose My Life" daherkommt und lose einem Konzept folgt.

Der titelgebende Opener "Big TV" eröffnet mit der Extra-Portion Hall, für die die Londoner berüchtigt sind. Nach einem entschleunigten Intro schichten sie weitere Tonspuren über den Track und lassen die Drums los. Die Ausgangssituation stellt sich dar wie folgt:: Ein junges Mädchen aus einem Kaff in Europa bricht in eine große US-Metropole auf. Es läuft nicht gerade rund: "And you can get me work? / But I can't work for free / I've got a room downtown with a bed and a big TV".

In der Vergangenheit hackten Kritiker gerne darauf rum, dass es den White Lies inhaltlich an Substanz fehle. Irgendwie ging es immer um den Tod (siehe "Death"). An einer reflektierten Auseinandersetzung mangelte es aber. Zu ihrer Verteidigung: Mit Anfang 20 waren sie damals sehr jung. Und sind es immer noch.

Deswegen mag man ihnen (noch) verzeihen, dass der Versuch eines Konzeptalbums ein eher halbherziger ist. Ein "Big TV" symbolisiert für das Trio die eskapistischen Möglichkeiten, die der Fernsehkonsum durch seine zahlreichen Programme bietet. Vielleicht wollen die Musiker ebenso zur Realitätsflucht verhelfen: Die Geschichte des Mädels bietet auf jeden Fall Stoff, aus dem US-Teenie-Dramen gemacht werden, Klischees selbstverständlich inklusive.

Zwei Handlungsstränge fließen zusammen: Im zweiten Track "There Goes Our Love Again" beginnt die kritische Phase in der Fernbeziehung ("I didn't go far and I came home again / But he said 'There goes our love again'."), die schließlich unter viel Herzschmerz in der Trennung endet ("Change").

Nebenbei erzählen die Briten von der Identitätsfindung der Protagonistin: Auf Entfremdung vom Altbekannten ("But if you have forgotten your precious mother tongue / What do you think your mother would say of what you've done?") folgt zunehmende Emanzipation, die auch dank der verflossenen Liebe in einem Neubeginn mündet ("Goldmine"). Weitwinkel, Weißblende, Ende.

Glücklicherweise sind die White Lies nicht nur Geschichtenerzähler und schon gar keine Filmemacher. Wo sie in Sachen Inhalt versagen, räumen sie in der Kategorie Erscheinungsbild richtig ab.

Funkelnde Synthesizer, polierte Gitarrenparts und Drums, die einen nachts heimsuchen, schlagen Brücken zwischen Pop ("Be Your Man") und Post-Punk ("Heaven Wait"), catchy Stadion-Rock ("There Goes Our Love Again") und experimentellen Nerd-Spielereien ("Space i"), Joy Division und Depeche Mode, und wenn die künstlichen Streicher einsetzen ("First Time Caller"), den späten Killers.

Selten klang das Trio so sehr nach 80ern. Zum Beispiel packen White Lies in "Be Your Man" schillernde Disko-Sounds aus und schwingen sich direkt auf die Rollschuhbahn. Aber gleichzeitig haben sie ihren modernen Anstrich, vor allem dank der großartigen Produktion, nicht verloren.

Es surrt, es hallt, Ton-Spuren schichten sich übereinander: Songs wie "Mother Tongue" und "Getting Even" drohen den Hörer mit ihrer epischen Größe schlichtweg zu überwältigen. Klanglich im Gegensatz zu den Texten also beste Popcorn-Unterhaltung.

Allerdings sollten sich die White Lies langsam mal entscheiden: Wollen sie den Schwermut abwerfen und Hymnen fürs Stadion schreiben oder an Retro-Kunst mit viel emotionalen Ballast basteln? Eine unausgegorene Mischung wird nicht ewig so gut gelingen wie auf "Big TV".

Trackliste

  1. 1. Big TV
  2. 2. There Goes Our Love Again
  3. 3. Space i
  4. 4. First Time Caller
  5. 5. Mother Tongue
  6. 6. Getting Even
  7. 7. Change
  8. 8. Be Your Man
  9. 9. Space ii
  10. 10. Tricky To Love
  11. 11. Heaven Wait
  12. 12. Goldmine

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