laut.de-Kritik

Zehn lässige Hymnen auf die gesellschaftliche Entmannung.

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Von oben herab betrachtet sieht die Nahrungskette ganz reizend aus: Der Mann, dieses mit Pelz und Muskelmasse gesegnete Alphatier, er nimmt sich, was er braucht. Das ist und war auch vor allen Dingen in der Pop-Musik schon immer der Fall. So bleibt das auch: Die Stellung des Phallus' ist unantastbar!

Glücklicherweise zieht selbst Beyoncé ihren Gatten inzwischen an selbigem durch die Gegend und singt von oberster Chart-Stelle ein Lied von der selbstbestimmten Frau. Hat sich der Wind inzwischen etwa gegen das Machotum gewandt?

Zeit, dass jemand diese Entwicklung reflektiert: Wie sieht die normative Vorstellung eines Mannes eigentlich so aus – und wo kann dieser sich innerhalb von Pop und Gesellschaft überhaupt noch situieren? Die Wild Beasts nehmen sich genau dieser Thematik an.

Die Beantwortung dieser Fragen auf "Boy King", dem fünften Wild Beasts-Langspieler, fällt wenig subtil aus. Die Band, die das Biest im Namen trägt, verfasst zehn lässige Hymnen über die Kastration, auf die fortgeschrittene gesellschaftliche Entmannung, auf dass der Hosenstall für immer geschlossen bleibe.

Der Opener "Big Cat" konstatiert den Status Quo: "Big cat, top of the food chain." Diese Verortung auf dem Platz an der Sonne trügt, zumal sie eher auf althergebrachten Bildern beruht. Vielmehr prägen Zweifel die Selbstanschauung der großen Katze: Darf ich nun Wild- oder Hauskatze sein?

Von da an geht es weiter bergab. Der Falsett Hayden Thorpes widmet sich zunächst weiter der männlichen Verunsicherung ("Tough Guy"), bevor er gleich an dritter Stelle der Platte die "Alpha Female" besingt.

Selbst die musikalische Ebene bleibt diesem Diskurs nicht verschlossen: Die Briten liefern mit "Boy King" eine tanzbare, glamige Synthesizer-Schlacht, unterlegt mit kantigen Beats. Stellenweise öffnen sich die Songs dann für ein Riff ("Ponytail") oder gar ein kurzes Gitarrensolo zum Ende hin ("Get My Bang"). Als lockere man dem Sklaven die Leine, nur um sich kurz darauf an dessen Enttäuschung zu erfreuen: Rockismen sind hier nicht.

Die Aussichten bleiben also düster. Wem möchte man das eher glauben als dieser Band, die bereits in der Vergangenheit ihre Fähigkeit zur Sezierung ihrer Umwelt unter Beweis gestellt hat? Nie verlegen darum, sich Grundsatzfragen um sexuelle Identität und göttlichen Willen anzunehmen.

Vielleicht verkörpert "Boy King" weniger ein musikalisches Statement, als es noch der Vorgänger "Present Tense" mit seinem Dream-Pop-Ansatz tat. Doch diese lustvolle Inszenierung der Dekonstruktion von Männlichkeit strahlt letztlich mit Leichtigkeit darüber hinaus.

Trackliste

  1. 1. Big Cat
  2. 2. Tough Guy
  3. 3. Alpha Female
  4. 4. Get My Bang
  5. 5. Celestial Creatures
  6. 6. 2BU
  7. 7. He The Colossus
  8. 8. Ponytail
  9. 9. Eat Your Heart Out Adonis
  10. 10. Dreamliner

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