laut.de-Kritik
Brutale Intensität in Wort, Klang und Bild.
Review von Christoph DornerIm November 2009 veröffentlichten Xiu Xiu mit den Parenthetical Girls eine Split-Single mit jeweils einer Coverversion des britischen Bigmouth Morrissey. "I Am Hated For Loving" - das passt.
Jamie Stewart steht Mozza in Sachen Pathos und verklärtem Narzismuss nämlich in nichts nach. Und während der eine den Herrn auf dem Album "Ringleader Of The Tormentors" aufforderte, ihm doch bitte zu helfen, bekennt der andere theatralisch: Lieber Gott, ich hasse mich.
Die Suche nach einer derart schrillen wie brutalen Intensität in Wort, Klang und Bild war schon immer innerer Antrieb von Stewart - im aktuellen Video kotzt sich Neumitglied Angela Seo die Seele aus dem Leib. Deshalb polarisieren Xiu Xiu auch mit ihrem siebten Album. Zwischen Klassifizierungen als experimentelle Avantgarde (Pop-Hipster) und kakophonischem Ohrenkrebs (Mainstream) wird es auch weiterhin nichts geben.
Dabei haben Xiu Xiu spätestens mit dem Vorgänger "Women As Lovers" dezent poppigere Gefilde angesteuert, die Tendenz zu weniger Sprödigkeit hat Stewart auch mit dem aktuellen Nebenprojekt Former Ghosts bestätigt. "Dear God, I Hate Myself" beginnt auch mit zwei wavigen Synthesizer-Hymnen, wobei das sowohl das hypernervöse "Gray Death" als auch das computerisiert störrische "Chocolate Makes You Happy" gar mit richtig leichtfüßigen Singalongs daherkommen.
Man sollte sich davon jedoch nicht täuschen, die zugehörigen Texte sind in ihrem expliziten Sadismus wie Masochismus äußerst starker Tobak. "If you expect me to be outrageous, i will be extra outrageous", singt Stewart stellvertretend, wonach er selbst vor der verbalen Peinigung eines Bulimie-Opfers nicht Halt macht. In den USA haben sich Xiu Xiu bei einer Rezensentin damit sogar den Vorwurf eingehandelt, ein ernstes Thema zu bagatellisieren und gleichzeitig psychische Gewalt gegen Frauen auszuüben.
Das dürfte freilich nicht Stewarts Intention gewesen sein. Vielmehr macht er seit jeher Popmusik, die in ihrer bewussten Überzeichnung genauso schwer verdaulich ist wie das Kotzen als Performance-Kunst. Ein kleines Streichorchester, blecherne Percussions, allerlei Konserveninstrumente, Gitarren und sperrige Soundfiles von einem Nintendo DS bereiten Stewart eine Bühne, auf der er sich ganz in Genre-Sedimenten zwischen Post-Punk, Noise und Synthiepop der 80er suhlen kann.
Und mit dem pochenden "Falkland Rd." dem großen The Cure-Moment von "This Too Shall Pass Away" und dem hochdramatischen "Impossible Feeling" zum Abschluss hat Stewart einige der zwingendsten Xiu-Xiu-Songs aller Zeiten geschrieben. Dennoch ist "Dear God, I Hate Myself" in seiner Ausformulierung eine zwiespältige Angelegenheit. Alles andere wäre die eigentliche Enttäuschung gewesen.
Noch keine Kommentare