laut.de-Kritik

Wenn UB 40 im Weltall eine Alien-Party feiern ...

Review von

Yeasayers Debütalbum "All Hour Cymbals" war wegen seiner stilistischen Vielfalt 2008 noch von so manchen Rock-Journalisten etwas beiläufig als Weltmusik abgetan worden. Das war zwar wohlwollend gemeint, mit afrikanischen Rhythmen, Indianer-Getrommel und Bollywood-Gesängen kam man ja sonst nur als Tourist in Kontakt. Und doch glaubte man in der ersten Welt nicht so Recht, dass diese New Yorker Offbeat-Hippies mit kulturellen Stilmitteln der zweiten und dritten Welt Pop erfolgreich umschreiben können, wenn das schon Phil Collins nicht geschafft hat.

Dabei haben Bands wie Vampire Weekend, Grizzly Bear und Animal Collective in der Zwischenzeit munter weitergemacht, mit ihrer Version von retrofuturistischem, globalisiertem Bastel-Pop. Und auch Yeasayer, die ohne Weiterentwicklung Indie-Exoten mit Vorführeffekt geblieben wären, haben sich auf "Odd Blood" mit 80er-Sampling und experimentellem Songdesign noch einmal ein Stück weit neu erfunden.

Dabei irritiert einen dieses Album, es legt es geradezu darauf an. Wäre da nicht diese eindringlich-stampfende Klaviermelodie, man würde bereits beim Opener "The Children" glauben, dass hier eine Hymne auf Vinyl zu langsam abgespielt wird. Dabei ist der verzerrte Gesang genauso gewollt wie das jazzige Saxophon und die insgesamt irrlichternde Elektronik, die an die Noise-Avantgardisten Black Dice erinnert, die überhaupt einen Beratervertrag für das Album unterschrieben haben müssen.

Es scheint, als hätten Yeasayer konsequent an der Entpersonalisierung ihrer Musik gearbeitet. Einzig Chris Keating lässt sich mit seinem exaltierten Gesang, der wie bei den Dirty Projectors oft geradezu diagonal zum Bandsound liegt, noch als Handlungssubjekt identifizieren. Er ist es auch, der die Single "Ambling Alp" - übrigens wieder so ein Song, über den man trotz lässigem, elektronisch ausgekleidetem Reggae-Beat und an die Talking Heads erinnerndem Melodieentwurf am liebsten ein Antiviren-Programm laufen lassen würde – mit Metal-Falsett als Bridge heil ins Ziel bringt. Ein Hit.

Das folgende "Madder Red" ist ein relativ gitarrenlastiger Midtempo-Song, dessen schwärmerische Gedudel im Refrain wenn nicht an Peter Gabriel, dann auf jeden Fall an den Überschwang der Hidden Cameras erinnert. "I Remember" wiederum wäre mit Stardust-Elektronik und entschleunigtem Popmoment ganz nach dem Geschmack von Noah Lennox, der bei seinen Songs für Animal Collective und Panda Bear einen ähnlichen Ansatz wählt.

Yeasayer gehen jedoch noch weiter. Gewinnen mit mainstreamtauglichem Dance-Pop ("O.N.E."), wie ihn sich Kylie Minogue sonst maßgeschneidert zimmern lässt, auf ganzer Linie. Übertreiben es etwas mit den R'n'B-Spielereien, ehe man merkt, dass "Love Me Girl" dadurch erst grandios wird. Scheitern aber auch mit der arg nervösen Soft Cell-Adaption "Rome".

Man muss sich schon auf einige Freak-Outs einlassen, dann dürfte man mit "Odd Blood" – mehr noch als mit dem schnell abgenützten "All Hour Cymbals" - viel Freude haben. Oder um es mit dem Song "Mondegreen" noch einmal auf den Punkt zu bringen: Der klingt, als würden UB 40 in einem Raumschiff bei Lichtgeschwindigkeit für eine Horde Aliens eine Party feiern: "Make Love Till The Morning Light", hechelt Chris Keating, das Saxophon röhrt. Sagt mal, Yeasayer, geht’s noch?

Trackliste

  1. 1. The Children
  2. 2. Ambling Alp
  3. 3. Madder Red
  4. 4. I Remember
  5. 5. O.N.E.
  6. 6. Love Me Girl
  7. 7. Rome
  8. 8. Strange Reunions
  9. 9. Mondegreen
  10. 10. Grizelda

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