laut.de-Kritik

Der Chef stellt seine Schützlinge in den Schatten.

Review von

Selbst für Fans von Young Thug muss das Release eines neuen Mixtapes erst einmal nichts bedeuten. Denn bei allen Lorbeeren, die Atlantas außerirdischstes Trap-Alien im Laufe seiner Karriere eingeheimst hat, war Verlässlichkeit nie eine seiner großen Stärken. "Slime Language" ist ein weiteres Tape in Tradition der Gucci Mane-"Einfach mal machen und raushauen"-Schule. Es entstand mit dem Ziel, die neuen Schützlinge seines Young Stoner-Labels zu präsentieren, braucht aber letztlich doch den Chef, um Highlights zu setzen.

Der liefert über die Palette des Tapes zwar auch immer wieder abgefahrene Vocal-Spuren ab, auf lange Sicht hält sich aber Juwel und Filler auf "Silme Language" eher die Waage. Es ist ja die Unberechenbarkeit, die Thugger in der Vergangenheit zu einem spannenden Performer gemacht hat. Und eröffnet er dann Tracks wie "Audemar" mit Geräuschen, die nach epileptischen Panzerfäusten auf Autotune klingen, wärmt es sich dem Fan von Trap-Skatgesängen auch direkt ums Herz.

Leider spiegeln seine Schützlinge diese Exzentrik selten. Gunna, der in den vergangenen Monaten dank zahlreicher starker Gastbeiträge als der nächste Star aus ATL gehandelt wurde, hält sich auf gleich mehreren Gastbeiträgen bedeckt, Duke, Tracy T oder Stick rappen solide, fallen aber gerade dadurch schmerzlich deutlich in den Durchschnitt.

Den Präsentierteller nutzen eigentlich nur Lil Baby auf dem infektiösen Banger "Chanel", der es dank seinem kommerziellen Erfolg und Drake-Cosign aber kaum noch nötig hat, und ein Typ mit dem faszinierenden Namen Trap Boy Freddy, der auf "January 1st" genug Straßen-Charisma beweist, um als sinnvolles Gegengewicht zu Thugs Exzentrik zu funktionieren. Beide trauen sich aus festgefahrenen Verse-Konzepten heraus und fallen in Thuggers musikalisches Mayhem mitsamt Gesang-Inflektionen und abgedrehterer Pattern ein. Thugs Schwester Hi Doraah ist ein interessanter Neuzugang und lässt gerade auf "Expensive" Potential aufflackern, schöpft es aber in ihren kurzen Momenten nicht genug aus.

Dass die Gäste sich durch die Bank bestenfalls solide präsentieren, ist schade, denn der Protagonist und seine Produzenten-Riege reißen sich hier und da hörbar den Hintern auf. Gerade in auf ihn zugeschnittenen Tracks läuft Thugger immer wieder zu Hochform auf, seien es Halsbrecherische Flow-Stunts wie auf "Gain Clout" oder melodischer Zucker wie auf "Chains Choking Me".

Es sind diese Momente, die seine freigeistige Exzentrik dokumentieren, die sich auf Tapes wie "Jeffery" oder "Barter 6" so dicht konzentriert, dass man sie inzwischen zum Genre-Adel zählt. Und auch Vocals wie auf "Audemar", "Chanel" oder "STS" finden förmlich in ihrem eigenen Genre statt. Einem Genre, in dem Rap keine Lyrics braucht und die reine Emotivität der Stimme das Instrument für sich darstellt. Ein Genre, weit abseits vom klassischen HipHop und deswegen auch entbunden, wirklich nach dessen Regeln zu spielen. Wer sich trotzdem über Lyrics unterhalten will, der sei auf meine neue Lieblings-Seite auf Facebook verwiesen.

Die Produktion fällt ebenfalls in eine typische Sparte. Wheezy, Smoke, Keyyz und K Bangerz gehen nur beizeiten Risiken ein, die sich aber gerade im sprunghaften Drum-Pattern von "Gain Clout" oder der überraschenden E-Gitarre auf "Oh Yeah" in der Tendenz auszahlen. Der Großteil der Platte folgt aber recht berechenbar in den Fußstapfen bisheriger "Slime Season"-Mixtapes, hält sich handwerklich über Wasser, beeindruckt aber nur vereinzelt. "Scoliosis" sticht hier mit einer gewissen Epik und großspuriger Dimension hervor, wird aber von einem unspektakulären Gunna-Verse fast komplett neutralisiert.

Leider scheint die Form von "Slime Language" hier das Potential an beiden Enden ein wenig beschnitten zu haben. Ein paar Songs zeigen zwar solides Potential, aber noch reicht keiner von seinen Schützlingen auch nur halb an Thuggers magnetischen Star-Appeal heran. Und doch schneint er sich auf mehreren Tracks unnötig zurückzunehmen, um Rappern wie Gunna, Duke oder HiDoraah mehr Blicke zu lassen. Übrig bleiben ein paar starke Tracks wie "Audemar", "Chanel" oder "Gain Clout", aber kein Tape, das man über seine ganze Spieldauer all zu oft konsumieren müsste.

Trackliste

  1. 1. Tsunami
  2. 2. U Ain't Slime Enough (feat. Karlae & Duke)
  3. 3. Gain Clout
  4. 4. Oh Yeah (feat. HiDoraah)
  5. 5. Audemar (feat. Tracy T)
  6. 6. Chanel (Go Get It) (feat. Gunna & Lil Baby)
  7. 7. Dirty Shoes (feat. Gunna)
  8. 8. It's A Slime (feat. Lil Uzi Vert)
  9. 9. Scoliosis (feat. Gunna & Duke)
  10. 10. Goin Up (feat. Lil Keed)
  11. 11. January 1st (feat. Jacquees & Trap Boy Freddy)
  12. 12. Chains Choking Me (feat. Gunna)
  13. 13. STS (feat. Strick)
  14. 14. Expensive (feat. HiDoraah & Dolly)
  15. 15. Slimed In (feat. Nechie)

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Young Thug

Wer wissen will, aus welcher Quelle Money Boy seit 2013 seine Inspiration schöpft, muss sich neben Migos vor allem Young Thug anhören. Der 1991 als …

3 Kommentare mit einer Antwort