21. Juni 2017

"Kylie kam rein und der Song war im Kasten"

Interview geführt von

Mit "Absence" melden sich die britischen Synthiepopper Zoot Woman standesgemäß zurück. Wir sprachen mit Sänger Johnny Blake.

16 Jahre liegt das Zoot Woman-Debüt "Living In A Magazine" schon zurück. Damals sattelten mit ihnen eine ganze Armada an Bands wie Ladytron, Fischerspooner oder Peaches den alten Esel Synthiepop noch einmal neu. Electroclash nannte man das dann meistens. ZW-Mitglied Stuart Price wurde bald zum begehrtesten Mitglied des Trios und produzierte Top-Acts wie Madonna, P. Diddy oder New Order. Letzte Woche erschien mit "Absence" das fünfte Zoot Woman-Album. Zum ersten Mal mit einem Gast: Kylie Minogue. Wir sprachen mit Sänger Johnny Blake in Berlin.

Schön, dass ihr zurück seid. Nach knapp 20 Jahren im Musikgeschäft: Was bedeuten Zoot Woman dir heutzutage?

Johnny Blake: Es ist immer noch aufregend in dieser Band zu sein. Mit unserer neuen Platte sind wir wieder ein wenig zu unseren Ursprüngen zurückgekehrt, finde ich persönlich. Mir ist wichtig, dass sich Musik natürlich anfühlt. Zoot Woman ist der Grund, warum ich überhaupt Musik mache.

Stuart Price stand über die Jahre oft im Mittelpunkt eurer Band, da er so viele Stars produziert hat oder Remixaufträge für sie ausführte. Man hatte manchmal das Gefühl, Zoot Woman könnten viel schneller Alben veröffentlichen, hätte Stuart nicht diese Nebentätigkeiten ...

Früher konnte man das sicher so formulieren, heute allerdings nicht mehr. Ich schreibe die Songs, Adam produziert sie und Stuart nimmt sich auch noch dem ein oder anderen Track an. Heute haben wir unseren Sound gefunden, wodurch vieles einfach geworden ist. Die Atmosphäre in der Band ist familiär und wir kommen einfach schneller voran.

Du meinst, dass Stuart heute auch einfach mehr Zeit für Zoot Woman opfert?

Nein, so kann man das nicht sagen. Unser erstes Album haben maßgeblich mein Bruder und er geschrieben und danach hat sich die Band-Dynamik immer wieder verschoben.

Ich finde, die neuen Songs "I Said It Again" und "The World We Found" sind sowas wie die Quintessenz von Zoot Woman, catchy Popsongs mit eurer ganz speziellen Soundästhetik. Wie siehst du das?

Ja, diese zwei Songs beinhalten textlich auch noch ein trauriges Element, das sich gut in den Sound einfügt, wofür Zoot Woman meiner Meinung nach auch stehen.

Ich verstehe bis heute eigentlich nicht, warum ihr 2003 mit eurem zweiten Album "Zoot Woman" nicht die Weltherrschaft erlangt habt. Auf dem Album hat einfach alles gepasst: Es kam zur richtigen Zeit, es hatte Hits, es war makellos. Ich hatte aber das Gefühl dass schon kurz darauf Stuarts Arbeit mit Madonna alles überschattete. Wie siehst du das im Rückblick?

Den Teil der Frage, warum wir nicht die Weltherrschaft erlangt haben, kann ich dir leider nicht beantworten. Ich liebe die Platte immer noch sehr. Wenn wir Songs wie "Grey Day" und "Taken It All" live spielen, bekommen wir immer sehr viel von den Fans zurück. Es ist interessant, dass du sie erwähnst, weil es wohl meine Lieblingsplatte ist. Ansonsten lassen sich immer enorm viele Gründe dafür finden, warum etwas nicht funktioniert. Es gibt so viele Songs, die Menschen sehr berühren oder ihnen viel bedeuten, die nie kommerziell erfolgreich waren. Ich glaube nicht, dass Erfolg der Maßstab ist, der ein Album großartig macht.

Und wie siehst du in dem Zusammenhang Stuarts Madonna-Auftrag, der kurze Zeit nach der Veröffentlichung eures Albums reinschneite?

Ich trenne diese Dinge eigentlich voneinander. Stuart produziert schon so lange Platten anderer Leute wie es Zoot Woman gibt. Ich glaube nicht, dass unsere "Zoot Woman"-Platte deswegen schlechter gelaufen ist. Das sind auch zwei völlig verschiedene Aufgabenfelder für ihn. Aber das ist nur meine Meinung.

Verstehe mich bitte nicht falsch, ihr habt viele treue Fans, aber mir wurde nie richtig klar, warum ihr mit eurem Sound nicht auch große Hallen füllt wie etwa Phoenix.

Ja, das würde ich schon auch schön finden. Mal abwarten, was noch passiert (lacht). Ich bin großer Phoenix-Fan, habe aber die neue Platte noch gar nicht gehört.

Die geht ziemlich in Richtung Italo Disco.

Cool, muss ich mir anhören.

Ich finde es übrigens toll, dass du bei Zoot Woman nie den Autotune-Effekt benutzt. Ist das Absicht?

Es ist einfach nicht mein Ding. Man sollte Töne auch so treffen können. Ich glaube, der Erfolg setzte vor allem ein, weil Leute diesen speziellen Autotune-Sound mochten. Produktionstechnisch mag das hier und da sicher auch Sinn machen, aber nicht für mich. Du musst auch mal alte Platten anhören, bevor es Autotune gab. Da hört man manchmal, wie der Sänger an manchen Stellen leicht daneben liegt. Ich finde das spannend und charmant, dieser Hauch des Unperfekten gehört für mich dazu. Das ist auch mein Kritikpunkt an Geräten wie Autotune: Sie beeinflussen nicht nur die Stimmlage, sondern stehlen auch ein wenig den Songcharakter.

Auf eurer neuen Platte ist Kylie Minogue zu Gast. Wie kam das zustande? Ich schätze ihr hättet viele Gäste fragen können.

Zufall. Stuart arbeitete gerade mit ihr, als wir über dem Song "Still Feels Like The First Time" brüteten. Ich sang diese eine Zeile, fand aber keine Strophe. Kylie kam rein, fing an zu singen und schon machte alles Sinn. Der Song war sofort im Kasten, ab dann war es wirklich nur noch eine Frage der Produktion und Klangpolitur. Es war eine sehr überraschende Geschichte für uns.

"Depeche Mode wollten was Neues ausprobieren"

Letzte Frage: Macht es immer noch Spaß, "Living In A Magazine" zu spielen?

(lacht) Ja. (Pause). Ja, doch doch. Der Song hat eben einen sehr nostalgischen Charakter, da er auf unserer ersten LP war und wir uns an ihm überhaupt erst ausprobieren mussten damals. Er wurde dann aber zu unserem Markenzeichen und daran denke ich immer, wenn wir ihn live spielen. Auch wenn es manchmal schon seltsam ist, nach einem ganz neuen Song plötzlich deinen allerersten zu spielen (lacht).

Da geht es nicht nur euch so. Depeche Mode und "Just Can't Get Enough" wäre ein ähnliches Thema.

Yeah, das letzte Mal, als ich sie live gesehen habe, spielten sie den Song auch. Ich glaube das war zu einem Zeitpunkt, als sie die Nummer das erste Mal nach sehr langer Zeit wieder in ihr Liveset genommen haben, um ihn einer neuen Generation vorzustellen. Ein ganz großer Moment, toller Song.

Hast du sie dieses Jahr auch live gesehen?

Ich habe sie leider verpasst, aber sie spielen im Herbst noch mal in London, das werde ich versuchen. Hast du sie gesehen?

Ja, letzte Woche in München. Großer Auftritt, die Band ist gut drauf. Aber ich bin auch schon seit Ewigkeiten Fan.

Cool. Wie findest du die neue Platte?

Leider nicht so gut, muss ich gestehen. Ich kann mit dem bluesigen Einschlag vieler Songs nicht mehr viel anfangen.

Ja, sie wollten etwas Neues ausprobieren, denke ich. Ihre letzte Platte "Delta Machine" war allerdings großartig.

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