15. März 2021

"Wir werden ganz klar strukturell manipuliert"

Interview geführt von

"Harte Arbeit zahlt sich aus." Auf ihrer Single "Niemand Kann Mir Sagen" zeigt sich Die P zuversichtlich, mit ihrem anstehenden Debütalbum "3,14" oben mitmischen zu können. "Deutscher Rap ein Theater, der Vorhang geht zu."

Mit ihrer schlicht "Tape" betitelten EP hat sie bereits überzeugt. Am Ende des Jahres rangierte sie auf Platz 24 der besten Hip-Hop-Alben und Platz 46 der besten Alben des Jahres. Die Auskopplung "Angesagt" biss sich gar in den Top Ten der Songs des Jahres fest. Doch der Status als Kritikerliebling reicht Die P nicht. Zu stark wiegen Ehrgeiz, Leidenschaft und Selbstbewusstsein, die jede Zeile ihres Debütalbums "3,14" durchdringen. Im Zoom-Interview spricht sie über besagtes Album, ihren Vertrag bei Lina Burghausens Label 365XX, Frauen im Rap, Leistungsbereitschaft und ihre Reise nach Angola.

In unserem letzten Gespräch meintest du: "Eigentlich möchte ich nur die Bühnen der Welt erobern." Wie schmerzhaft waren die bisherigen Corona-Monate für eine Rampensau wie dich?

Große, große Depression. Alle anderen Prozesse wie Musik machen und produzieren sind auch schön, aber wenn das Existenzielle wegfällt, ist es schmerzhaft.

Kannst du der Situation auch etwas Positives abgewinnen?

Grundsätzlich auf jeden Fall, man wird nicht so schnell abgelenkt und beschäftigt sich mit wesentlicheren Sachen. Vieles ist ruhiger und langsamer geworden, was auch sehr schön ist. Man hat Zeit für all das, wofür man sonst keine hatte.

Du gehst auch noch normal arbeiten, oder?

Ja, bis jetzt noch normal von montags bis freitags, aber das ändert sich auch bald, weil ich mich 100 Pro auf die Mucke konzentrieren will. Auch auf der Arbeit ist es natürlich aufgefallen, dass man weniger machen musste durch Corona und Lockdowns. Es ist einfach alles ziemlich entspannt und langsam geworden. Wenn es etwas Gutes daran gibt, dann, dass man Zeit hatte.

Dann hat es dir sicherlich auch den Freiraum verschafft, dich ganz auf das Album zu konzentrieren.

Ja, auf jeden Fall, das hat mir definitiv geholfen. Zu der Zeit, als ich mein Album aufgenommen habe, war es nicht so schlimm. Das war im Sommer, als es nochmal eine leichte Lockerung gab.

Wie lange hast du denn an den Aufnahmen gesessen?

Es hat ein Wochenende gedauert. Ich gehe natürlich übelst vorbereitet ins Studio und weiß direkt, welche Songs ich auf welchen Beats aufnehme. Es hat tatsächlich einfach gedauert, die richtigen Beats zu finden. Ich höre den Song meistens im Kopf schon fertig. Und dann gehe ich ins Studio und weiß ganz genau, was ich abzuarbeiten habe. Die meisten Produzenten, mit denen ich arbeite, sagen auch, dass sie das noch nie erlebt haben, dass die Sachen nach zwei, drei Takes sitzen.

Eine wiederkehrende Zeile lautet: "Rap mein Mann, ich die Braut." Ist Rap von Hause aus männlich?

Nö, aber ich habe Rap geheiratet, also ist es mein Mann. [lacht] Es ist eine gute Frage, aber das war gar nicht in meinem Kopf. Die Idee ist eher, dass es mehr füllt als nur meine Lebenszeit auf Erden. Es ist eine Berufung, Bestimmung, Schicksal. Deswegen: Rap mein Mann, ich die Braut.

Um es mal umzudrehen: Wie viele männliche Eigenschaften benötigt die Braut, um selbst zu rappen?

Ich selbst muss gar keine männlichen Eigenschaften mitbringen, sondern brauche nur Flow, Attitude, Talent und Ehrgeiz. Dann ist es mir eigentlich egal, ob Mann oder Frau. Ich weiß nicht genau, wie du die Zeile verstanden hast, aber damit wollte ich eigentlich nur zum Ausdruck bringen: Wenn ich eine Kultur heiraten würde, dann wäre es Hip Hop. Und wenn es etwas gibt, was mich beschützt, mich größer macht, mich bestärkt, dann ist es Rap. Und sinnbildlich ist das einfach der Mann, den ich geheiratet hätte.

Wenn du Shirin David, Loredana oder Hava hörst: Überwiegt dann die weibliche Solidarität oder die Ablehnung des Pop-Rap?

Keines von beiden, entweder ich finde es gut oder nicht. Es gibt durchaus Female-Rapper, die krass gepusht werden und einen guten Background haben, aber nicht so gute Musik machen. Mit denen fühle ich mich nicht so solidarisch. Ich fühle mich eher solidarisch mit Menschen, die aus dem gleichen Strang sind wie ich, gleich denken wie ich, über das gleiche reden wie ich. Mit denen fühle ich mich eher solidarisch, als einfach nur Frauen im Game zu nehmen.

Du hast gegenüber rap.de gesagt, dass es für dich durchaus ausschlagend war, jetzt auf einem reinen Frauen-Label unter Vertrag zu stehen.

Es war durchaus ausschlaggebend, dass ich die erste Frau auf diesem Label bin. Es war nicht ausschlaggebend, dass sie nur Frauen signt. Mir hat das Format gefallen, das Lina mitgebracht hat. Wenn jemand zu dir kommt und das erzählt, woran er glaubt, dann ist das einfach rund. Und bei Lina war das so. Hätte sie mir jetzt gesagt, ich signe auch Männer, wäre mir das auch recht gewesen.

"Keiner klopft an deine Tür und sagt: 'Ich habe gehört wie du in der Dusche gesungen hast. Hier ist dein Vertrag.'"

Zuvor hatte es bereits Gespräche mit Chapter One gegeben. Da lagen die Strukturen schon fertig vor. Weshalb hast du deren Angebot nicht angenommen?

Das war zur falschen Zeit und es waren auch schlechte Konditionen. Ich habe ja bei einem Wettbewerb mitgemacht. Das bedeutet, ich habe jetzt keinen speziellen Wir-wollen-Die-P-Vertrag bekommen, sondern einen Wettbewerbsvertrag, den ich einfach nicht unterzeichnen wollte.

Es ging dabei also nicht um eine langfristige Karriere?

Ich denke, jeder ist seines Glückes Schmied. Wenn man jetzt irgendwo anfängt, voll reinhaut, sich gut präsentiert und weiß, was man will, dann kann man bestimmt auch was aus Chapter One machen. Aber für mich selbst war das nicht die Sache, auf die ich hinauswollte.

Wie wichtig war es dir, dir einen Vertrag zu erarbeiten und damit auch zu verdienen?

Ich hätte bestimmt schon vor Jahren einen Vertrag verdient. Mir ging es eher darum, ob ich wirklich bereit bin, einen zu unterzeichnen.

Was hat dich abgesehen von schlechten Konditionen davon abgehalten?

Wenn wir mal Butter bei die Fische geben: rechtliche Fragen, Urheberrechte, Lizenzen. Wenn man alles selbst macht, bedeutet das viel, viel Geld und viele, viele Kopfschmerzen. Aber alles, was reinkommt, ist dann auch wieder dein eigenes. Ich rede nicht nur vom Finanziellen, einfach generell. Ich bin prinzipiell ein Mensch, der immer probiert hat, ein Camp um sich zu sortieren. Ich habe mein Netzwerk immer weiter aufgebaut, bis es irgendwann mal an der Zeit war, den nächsten Schritt zu machen. Und die Lina kam mit dem richtigen Angebot zur richtigen Zeit.

Du hast eben bereits gesagt, jeder sei seines Glückes Schmied. Das ist eine Sicht, die sich durch das ganze Album zieht. Du hältst die Regeln der Leistungsgesellschaft hoch. Glück spiele keine Rolle, sondern es gehe um harte Arbeit. Was hat dich zu dieser Einstellung gebracht?

Erziehung, Schicksal, Glaube und dann einfach die Strukturen hier. Ich weiß ganz genau, dass es für manch einen in unserer Gesellschaft einfach härter und abgefuckter ist, ans Ziel zu kommen, als für den anderen. Es gibt viele Menschen, die gut rappen. Nur Talent reicht halt auch nicht. Man muss auch Ehrgeiz und Disziplin haben. Es reicht ja auch nicht nur, einfach schön auszusehen. Ein gutes Beispiel ist: Du kaufst dir ein Auto, aber du musst das Auto ja auch halten können. Das Auto nur zu kaufen, bringt ja nichts. Wenn du weißt, du kannst malen, tanzen, rappen oder singen und dass viel mehr dahinter steckt, als einfach nur ein Hobby, dann muss man dafür arbeiten. Da klopft keiner an deine Tür und sagt: "Ich habe gehört wie du in der Dusche gesungen hast. Hier ist dein Vertrag." [lacht]

Einige Stellen auf deinem Album haben mich ein wenig ratlos zurückgelassen. Auf "Genug" heißt es etwa: "Hab' genug von falscher Macht, die den Rest manipuliert." Wo nimmst du die Manipulation wahr?

Wenn du mich das fragst, würde ich direkt gerne eine Gegenfrage stellen: Siehst du nirgendwo Manipulationen? Es wäre ja eher suspekt, wenn du sagen würdest, im Jahr 2021 würde es keine strukturelle Manipulation geben – egal, in welcher Richtung.

Aber das ist ja sehr allgemein gehalten.

Wenn es mir darum ginge, nur über Medienmanipulation zu reden, dann hätte ich einen ganzen Song darüber gemacht. Wenn ich sage, ich habe genug, dass man manipuliert wird, dann meine ich für mich die größeren Medien, Nachrichten, gewisse Internetseiten und dieses übertriebene Spektrum an Wissen. Heutzutage ist es ja was ganz anderes, als bis vor ein paar Jahren. Heute hat jeder Haushalt drei Fernsehgeräte, jeder Haushalt hat Internet. Ganz klar werden wir strukturell manipuliert, egal ob es darum geht, Persil zu kaufen oder Snickers zu essen. Das ist doch klar.

"Es verändert dich, wenn du in dein Mutterland zurückkehrst"

Okay geschenkt, das ist ja Werbung. Die gab es vor fünf Jahren auch schon. Was hat sich denn in den letzten Jahren verändert?

Ich sehe auf jeden Fall, dass es sich verändert hat. Es geht mehr darum, dass jeder Geld macht. Es geht um falsche Werte und Vorbilder in Social Media. In den letzten Jahren ist durch das Internet und Social Media vieles außer Kontrolle geraten. Man kann nichts mehr herausgreifen und sagen: 'Mein Kind, guck nicht diesen Sender oder diese Sendung.' Was willst du deinem Kind denn sagen? Wenn der es nicht guckt, dann haben es aber seine 500 Klassenkameraden gesehen und erzählen ihm davon. Mir geht es grundsätzlich darum, dass wir Menschen in den letzten paar Jahren strukturell in die Richtung geschoben werden: Wenn wir euch das so sagen, dann macht das so. So definiert sich Schönheit. So ist die Formel für Hip Hop. So machst du Geld. So wirst du zum Sänger. Selbst zu denken, fällt ein bisschen weg. Sich selbst verwirklichen und sich selbst zu fragen: Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich sein?

Du sprichst ja auch von "falscher Macht. Müsste man etwas dagegen unternehmen?

Ja, klar, man müsste etwas dagegen unternehmen. Wenn mir etwas nicht gefällt, gehe ich natürlich auf die Straße, nutze meine Reichweite und erhebe meine Stimme. Ich war die letzten zwei Jahre zum ersten Mal auf Demos. Ich habe mich vorher eigentlich nie so wirklich getraut, selbst wenn ich dafür oder dagegen war. Aber ich habe mehr Menschen kennengelernt, die sich für stark machen und da auch hingehen. Die haben mich dann einfach mitgenommen. Wir waren bei den Demos zu Black Lives Matter und George Floyd am Start. Ich war in Hanau zum Gedenken auf einer Demo. Und auf einer dritten friedlichen und links geprägten Demo. Ich bin auch nicht überpolitisch. Das sind Menschen, denen ich vertraue. Wenn ich da mitgehe, weiß ich, ich bin in guten Händen.

Du bist 2019 erstmals nach Angola gereist, die Heimat deiner Vorfahren. Gegenüber rap.de hast du gesagt, durch die Reise seist du "nochmal ein ganz neuer Mensch geworden". Woran macht sich das bemerkbar?

Ich weiß jetzt genau, wo mein Großvater aufgewachsen ist und welchen Weg er zurückgelegt hat, damit ich hier chillen kann. Ich habe es selbst gesehen und habe mit Familienmitgliedern, die mich noch nie gesehen haben, am Tisch gegessen. Es verändert dich, wenn du in dein Mutterland zurückkehrst und siehst, dass das wahr und echt ist.

"Meine Kultur und Tradition aus Angola sind mir sehr wichtig und auch sehr präsent." Was ist typisch angolanisch?

Typisch ist der Tanz und die Musik. Viele Menschen sind da von Grund auf musikalisch und spielen schon mit fünf Jahren Schlagzeug oder Gitarre. Und man hört auf die Älteren.

Kannst du denn gut auf Ältere hören? Ich kann mir gut vorstellen, dass du so selbstbewusst bist, dass du dir wenig sagen lässt.

Wenn ich da geboren worden wäre, wäre ich vielleicht ein bisschen anders geworden. Ich bin hier in Deutschland groß geworden. Das bedeutet, es sind auch Menschen an mich herangetreten, die Autoritätspersonen waren, die aber in meinen Augen ganz klar keinen Respekt von mir verdient haben. Ich kann dir nicht genau sagen, was für ein Mensch ich geworden wäre, wenn ich in Angola großgeworden wäre. Meine große Klappe und meine Attitüde wären dort vielleicht eine andere, aber hier hat sich das alles ausgeprägt.

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3 Kommentare mit 8 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    "Wir werden ganz klar strukturell manipuliert" von denen da oben? :uiui: etwa den jude... :dsweat:

    • Vor 3 Jahren

      Rudimentär ist es ja so, nur halt nicht in der überspitzt dystopischen Form der Aluhüte. Trotzdem schon ein gefährlicher Satz in diesen Zeiten, aber hier wird ja schon in der Bewertung der Musik mit zweierlei Maß gemessen. Scheint generell eher in ihrem eigenen Mikrokosmos zu kreisen. Klug auch, alles auf die Musik zu setzen. Kommt meist die allerbeste Mucke bei rum, wenn man damit Geld verdienen muss...

  • Vor 3 Jahren

    Schön reflektiertes Interview, finde ich sehr sympathisch. Gute Attitüde, ich hoffe sie wird noch deutlich erfolgreicher.

  • Vor 3 Jahren

    Ich finde ihre Musik ja durchaus feierbar, aber dieses "jeder ist seines Glückes Schmied" Gelaber treibt mich echt in den Wahnsinn. Jaja, es liegt alles nur am Individuum. Patrick Lindner gefällt das.
    Deswegen schaffen es auch 27% der Kinder aus Nicht-Akademiker-Familien an die Uni, während es bei Akademiker-Eltern 79% sind. Ey, die schmieden einfach alle ihr Scheiß-Glück nicht genug!
    Und dass die die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung (die, by the way, 59 Prozent des Gesamtvermögens der Deutschen besitzen), zu 80% Weiß und Männlich sind, hat auch mit nichts irgendwas zu tun, außer dass die Jungs sich vermutlich EINFACH EIN BISSCHEN MEHR ANSTRENGEN!!!!! Oder die sind einfach schlauer als alle anderen und lassen sich strukturell nicht manipulieren, oder wie, oder was?
    Meine Fresse.