Die Gen Z entdeckt alte Eminem-Texte und ist nicht begeistert. Aber Millennials eilen zur Rettung!

Detroit (ynk) - Hört, hört: Eminem ist in Gefahr. Die große Runde machte neulich ein TikTok-Video, in dem jüngere Raphörer sich durch seine Diskographie hörten und unter anderem wegen Songs wie "Love The Way You Lie" großen Anstoß an seiner Verherrlichung toxischer Beziehungen nahmen. Daraus entwickelte sich eine ganze Bewegung, die sich zum Ziel setzt, den Rapper zu boykottieren. Ein klassisches Cancelling also - und neben vielen Artikeln, Posts und Videos, die sich damit auseinandersetzten, nimmt nun auch Slim Shady persönlich (indirekt) via Musikvideo Stellung:

"Tone Deaf" heißt das äußerst mediokere Stück Musik aus seinem "Music To Be Murdered By Side B"-Album, das er noch einmal als Single aufleben lässt. Es sind langweilige Witzchen, angereiht zu Nonsens-Reimketten (pardon, Eminem-Fans, aber "Call it caught between a rock and a hard place / Like a sasquatch in a crawlspace / 'Cause you're watchin' your heart race like you're Scarface / In a car chase with the cops or an arcade" ist keine große Poesie) mit der abschließenden Pointe: "'Cause they won't stop until they cancel me".

Das Ding ist: Warum ist Eminem mitsamt seinen grundlos fragilen Fans so heiß darauf, endlich gecancelt zu werden? Vermisst er die Kontroverse aus der Anfangszeit seiner Karriere? Die ganze Situation lässt jede Proportion vermissen. Sucht man nach Zahlen, dann gibt es derzeit im Internet weniger Menschen, die unironisch Eminem boykottieren wollen, als es Menschen gibt, die auf neue erotische Cartoons aus dem Sonic The Hedgehog-Universum warten.

Es ist eine verschwindende Minderheit. Sucht man auf YouTube nach dem TikTok, der den ganzen Diskurs gestartet hat, muss man erst einmal an mehreren Seiten empörter Millenials vorbeiscrollen, die sich über ebenjenen aufregen. Aber selbst die haben wenig Munition gegen die Gen Z. Die Schuldigen: Irgendwer. Teenager. "Ihr wisst schon, wie die sind, grr!" - und die Headline macht eher die Runde, weil Leute sich vorstellen könenn, dass so etwas passiert, als weil es wirklich passiert. So kann man Dinge wohl auch ins Existieren sprechen.

Man könnte fast meinen, dass hier ein völlig nutzloser Sturm im Wasserglas tobt, was? Eminem ist schon seit mehreren Jahren eigentlich völlig unproblematisch und nur noch kontrovers, insofern er ein paar ziemlich miese Alben gemacht hat. Dass seine Fans nun eine Handvoll Kids im Internet gesehen haben, die sich nicht deswegen über ihn aufregen, muss da ein wahrer Segen sein. Endlich dürfen wieder die Generations-Klischees herausgeholt werden, sich über vermeintlich fragile, peinliche Teenager aufgeregt werden, die ja nicht einmal das satirische Genie von Eminem verstehen.

Stand jetzt kommen auf jeden Teenager, der Eminem boykottieren will, tausend empörte Millennials, die sich noch viel mehr zum Affen machen. Man findet nicht einmal mehr das Original-Video, man kann sich dafür Dutzende Antworten und Verteidigungen ansehen, die sich über ein nebulöses "They" und eine noch nebulösere "Gen Z" aufregen. Alles wollen sie canceln, nichts bleibt übrig! Tragisch, sowas, vor allem dann, wenn keiner so richtig zu wissen scheint, wo all das seinen Anfang nahm. Die Nachrichtenmedien und YouTube-Videos zitieren sich im Kreis, mal heißt es "someone said", dann wieder "people are angry", Patient Null ist gelöscht und die Spuren der Bewegung auch quasi nicht nachvollziehbar.

Es geht also um nichts Konkretes, um kein Argument oder kein wirkliches Cancelling. Eminem ist nicht in Gefahr, der Internet-Knast droht ihm nicht. Hier geht es um vom Zeitgeist abgehängte Ex-Musikfans, die die Gelegenheit und die herumgehende Headline nutzen, um sich über das aufzuregen, was für die Jugend von heute halten. Weil sie glauben, einer der populärsten Artists der Musikgeschichte bräuchte einen Verteidigungs-Kreuzzug gegen irgendein ominöses Video auf TikTok, das ihn vermeintlich doof findet. Fragt sich nur, wer hier wirklich getriggert ist.

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