laut.de-Kritik

Jung, aufbegehrend, wütend, mitreißend.

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"Bin ich zu alt für diese Musik?", fragte Kultautor Nick Hornby vor einer Weile rhetorisch, als er sich derart für eine Rockband aus Philadelphia begeisterte, dass er aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus kam. Die Band hieß Marah, warf sich live angeblich Harmonika und Banjo spielend vor ihr nichtsahnendes Publikum, und ließ den britischen Musikliteraten ein weiteres Mal ausgiebig über unbändiges Verlangen und unstillbare Sehnsüchte schwadronieren; über Attribute also, die den guten alten Rock'n'Roll bis heute als Jugendkultur ausweisen.

Einzig: Hornby ist mittlerweile 47, und Marah erweisen sich nach kurzer (okay: 30 Sekunden kurzer) Audio Files-Begutachtung leider nur als nette Band, die ihrem Fan Springsteen musikalisch weitaus näher steht, als man sich das beim Lesen von Hornbys Traktat gewünscht hatte. Nun möchte man dem Schöpfer von "High Fidelity" keinesfalls Alterssenilität attestieren, welcher echte Musik-Fan würde etwas derart Perfides jemals wagen, und wahrscheinlich sind Marah live ja tatsächlich mehr als ansehnlich. Aber wie hinreißend wäre es gewesen, hätte Hornby in seiner Lobrede von den 22-20s aus Lincoln gesprochen, die mit ihrem gleichnamigen Debüt exakt jenen juvenilen Wahnsinn versprühen, den Hornby bei Marah zu erkennen glaubte?

Jung, aufbegehrend, wütend, mitreißend: Die Stimme von Leadsänger, Gitarrist und Komponist Martin Trimble scheint so ziemlich alle Qualitäten mitzubringen, die auch Fachmann Hornby bis ins hohe Alter wertschätzt. Und in Anbetracht der Power, die alleine die ersten vier Songs des Longplayers aufbieten, darf einem vor Live-Gigs des Quartetts wahrhaft Angst und Bange werden. "Devil In Me" kommt daher wie ein Mitsechziger-Stones-Hit, der zwar in einem Studio der Neuzeit vor anspruchsvollen Produzentenohren bestand, den Morast des Mississippi Deltas dennoch in keiner Sekunde vermissen lässt. Kurz: er klingt wie ein Song, den sich die Kings Of Leon zu komponieren dieses Jahr zu fein waren.

"Such A Fool" beeindruckt mit unnachgiebig hämmernden Midtempo-Triolen, und in einer Welt mit Ohren, wie Hornby in seinem Aufsatz so schön formulierte, stünde die infektiöse Rock-Ballade "Baby Brings Bad News" auf Platz Eins der Charts. Wie die 22-20s am Ende doch bei sich selbst ankommen, obwohl sie das Blues-Erbe des alten Muddy Waters plündern, wie von den Stones bis zu den White Stripes schon einige Bands vor ihnen, ist wirklich erstaunlich.

Die angängliche Hit-Offensive findet ihren Widerhall später noch einmal eindrücklich in "Shoot Your Gun", während "I'm The One" dann doch ein wenig wie ein Rip-Off des Openers klingt. Nach der smarten Konsens-Ballade "Friends" verabschieden sich die 22-20s mit "Hold On" noch einmal sumpftief psychedelisch, dass auch ein Jon Spencer laut aufjaulen würde. Fürwahr, ein beeindruckendes Debüt.

Trackliste

  1. 1. Devil In Me
  2. 2. Such A Fool
  3. 3. Baby Brings Bad News
  4. 4. 22 Days
  5. 5. Friends
  6. 6. Why Don't You Do It For Me?
  7. 7. Shoot Your Gun
  8. 8. The Things That Lovers Do
  9. 9. I'm The One
  10. 10. Hold On

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