laut.de-Kritik

Atemberaubender Trip durch Genres und Jahrzehnte.

Review von

Am Anfang war der Funk, und die Hand Dego McFarlanes schwebte über den Plattenkisten. Dabei legt der Drum'n'Bass-Pionier eine gar göttliche Sicherheit an den Tag: Sein Beitrag zu des Sonar Kollektivs "Mixing"-Reihe offeriert einen atemberaubenden Trip durch Genres und Jahrzehnte, der jedoch zu keinem Zeitpunkt zur unkontrollierten Achterbahnfahrt gerät.

Gewitzte Auswahl und gekonnt gestaltete Übergänge lassen die Reise von Detroit über Jamaika nach Kalifornien und zurück, vom Hip Hop über 80er-Jahre-Synthiebeats, Dub und R'n'B zurück zum Rap, vollkommen organisch, wie aus einem Guss wirken. Doch wie gesagt: Am Anfang war der Funk. Der P-Funk, um genau zu sein.

Sechseinhalb Minuten lang groovt Bootsy Collins' "Fat Cat" ohne den kleinsten Durchhänger und sorgt für den gelungensten aller denkbaren Einstiege. Statt ins Mothership begleitet uns Dego über die hallenden Bässe eines "Beat 8" nach Michigan, unmittelbar in die Arme Dabryes. Dass der MC, der durch "Game Over" flowt, unter dem hübschen Namen Phat Kat firmiert, schließt den ersten von zahllosen Kreisen, die dieser Sampler birgt.

Die schrägen, verfremdeten Glockentöne gewinnen an Unwirklichkeit, werden flächiger, synthetischer, bis man sich unversehens zwischen den überaus charakteristischen Drums von J Dillas "Over The Breaks" wiederfindet. Der harte Bruch zwischen diesem Stück Instrumental-Hip Hop und dem klackernden Percussion-Rhythmus im Chanson-artigen "Lightworks" ist gar keiner, bedenkt man, dass Dilla selbst sich aus dem Fundus des Elektro-Vorreiters Raymond Scott eifrig bediente.

Jetzt, Obacht! Synthie-Pop-Alarm! Mit Blick auf die Hip Hop-Geschichte erscheint selbst der derbste Cut, hinein in "High Noon" von den Two Sisters nämlich, logisch, wenn nicht gar zwingend: Ohne Elektro-Breaks, worauf hätten die B-Boys der ersten Stunde tanzen sollen? Woher kam all das überhaupt?

Richtig, von Jamaika. Der Ausflug in den Dub muss daher den nächsten konsequenten Schritt bilden. Dass Dego dabei nicht irgendwen, sondern gleich einen der Erfinder des Genres zu Wort, will meinen an die Regler, kommen lässt, versteht sich quasi von selbst. "Blood On His Lips"? Keine Angst. Der Scientist Hopeton Brown, ein Zögling King Tubbys, befreit die Welt mit Cowbell und wabernden Flächen mühelos vom bösen Fluch der Vampire.

Wenn dann die Bassline der Skatelites durch die schier endlosen Weiten eines dunklen Dubreggae-Tunes pluckert, fragt man sich gar nicht mehr, wie zum Teufel man eigentlich da hingekommen ist, wo man sich doch gerade eben noch in den Straßen der Motor City bewegt hat. Der Weg führte mit der gleichen Selbstverständlichkeit zu diesem Punkt, wie er einen über Patrice Rushens Disco-Funk zur souligen Stimme Georgia Anne Muldrows ins Stonesthrow-Camp und damit zurück zum Rap geleitet.

Little Brother und Waajeed von den Platinum Piped Pipers schnüren mit zwei großartig entspannten Nummern den Sack zu. Der Rundflug endet etliche "Nighttime Maneuvers" später genau da, wo er begonnen hat. Wenn ein Track den nächsten ergab und der Compilateur zudem ganz ohne erhobenen Zeigefinger eine Geschichtsstunde erteilt hat, bleibt zu konstatieren: Mission mehr als erfüllt.

Trackliste

  1. 1. Bootsy Collins - Fat Cat
  2. 2. INT - Beat 8
  3. 3. Dabrye - Game Over
  4. 4. J-Dilla - Over The Breaks
  5. 5. Raymond Scott - Lightworks
  6. 6. Two Sisters - High Noon
  7. 7. Face - Act Like All Is Right
  8. 8. Scientist - Blood On His Lips
  9. 9. The Skatelites - Roots Dub
  10. 10. Patrice Rushen - Message In The Music
  11. 11. Georgia Anne Muldrow - Blackman
  12. 12. Roy Hargrove - On The One (Sa-Ra Remix)
  13. 13. Aladdin - The Silent Whisper
  14. 14. Little Brother - Nighttime Maneuvers
  15. 15. Waajeed - Make Doe

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