laut.de-Kritik
Selten klang extremer Metal so zugänglich.
Review von Ulf KubankeSeit den Aufnahmen zu "A Shadowplay For Yesterdays" sind vier Winter vergangen. Mittlerweile lebt der Kosmos des Gentlemen-Clubs im Jahr des Herrn 1895. Und noch immer zelebrieren A Forest Of Stars die schauerliche Seite des viktorianischen Londons. Die neue Offenbarung "Beware The Sword You Cannot See" ist einmal mehr ein prachtvoller Moment intelligenten Metals.
Der Trick: Egal, ob man Black Metal liebt oder hasst. Diese Platte sollte allen großen Spaß machen. AFOS Schwarzwurzel-Passagen klingen handwerklich perfekt und dramaturgisch clever. Doch die Lieder sind -weit mehr als Genrefutter.
Jeder My Dying Bride-Fan wird dieser seltsam magischen 'Schlag zwölf in London'-Musik ebenso erliegen, wie Gothics oder Progfreunde von Opeth oder Porcupine Tree. Mit Fug und Recht kann man sie als Erfinder des Absinth-Metals bezeichnen. Wundervoll und gefährlich zu gleichen Teilen.
Den Hörer erwartet ein Füllhorn an Flächen, Rhythmen und stetigen - sehr progressiven - Tempowechseln. Dennoch klingt die Platte nicht halb so anstrengend wie die vieler anderer Progmetal-Kollegen. Im Gegenteil! Selten war extremer Metal so leicht zugänglich, ohne dass es auch nur einen einzigen faulen Kompromiss oder künstlerische Zugeständnisse in Richtung Kommerz und Eingängigkeit gibt.
Das liegt wieder in hohem Maße am heimlichen Star der Platte, Katheryne, Queen of the Ghosts alias Ex-Tote Braut Katie Stone ("For Lies I Sire"). Mit Violone, Flöte und hervorragend getimten Co-Vocals verkörpert sie einen Großteil der Spannung und des Gefühls. Weit weg von metallischen Schmalspuroperetten oder kitschig angerockter Klassiksoße gibt es hier echtes Können, sinnliche Schwermut und eine nahezu Requiem taugliche Anmut zu bestaunen.
Große, schwarzbunte Momente gibt es songwriterisch zuhauf. Man höre nur, wie elegant der akustische Mittelteil von "Proboscis Master Versus The Powdered Seraphs" das Gesangsduett unterbricht, bevor das Intermezzo im Gitarrenfeuer samt stolzer Geige verglüht.
Das Album selbst - nach eigener Aussage natürlich auf zeitgenössischen Wachswalzen entstanden - überzeugt auch konzeptionell. Ihre anspruchsvollen Texte stehen dabei nicht minder souverän im Gleisdreieck aus Poe'schem Wahnsinn, Philosophie und Horror. Noch gelungener jedoch ist der musikalische Aufbau.
Nach den großartigen Einzeltracks der A-Seite ist man ohnehin bereits verzückt. Die als sechsteilige Suite angelegte zweite Hälfte bringt die Truppe indes endgültig auf den dunklen Olymp, sinistrer Meisterplatten à la Tiamats "Wildhoney", Amorphis "Tales Of A 1000 Lakes", Opeths "Blackwater Park" oder ähnlich bewusstseinserweiternder Schwarzkittel-Juwelen. Dabei ähnelt sie gottlob keinem der Vorgänger, sondern bewahrt sich in jeder Sekunde die eigene stilistische Identität.
Nach der feenhaften Einleitung im dezenten Ambient-Mantel ("Part I: Mindslide") reckt der Gothic Prog mit "Part II: Have You Got A Light, Boy?" sein psychedelisches Haupt. Im Herzstück "Part III: Perdurabo" ziehen sich erste Black Metal-Sehnen durchs Filet, die alles Aufgebaute nach und nach in Schutt und Asche legen. Das große Finale "Part VI: Let There Be No Light" glänzt mit einem herrlichen Keyboard, das in Geige und Blutorgel erstirbt. Auf einmal ist alles recht abrupt vorbei.
Mit "Beware The Sword You Cannot See" ist AFOS ein zutiefst unterhaltendes Meisterwerk modernen Metals gelungen, dass sich zwischen alle Stühle setzt, um selbige komplett zu zerlegen. Weiterhören mit ihrem wegweisenden Übersong "God" vom Debüt "A Corpse Of Rebirth" (2008) sowie "Shadowplay For Yesterdays".
5 Kommentare mit 4 Antworten
Hätte ja nicht erwartet, dass Du sowas rezensiert, ohne Dir zu nahe zu treten. Von denen habe ich mir schon lange nichts mehr angehört. Wird wohl mal wieder Zeit.
die passen doch super in mein düsterkammer-beuteschema. neben dem bandportrait und der rezi zur letzten platte "a shadowplay..." würde ich jedem gern ihr "god" aus dem jahr 2008 ans herz legen: www.youtube.com/watch?v=BA3r2FfeomY
Das Lied gefällt mir. Werde ich mich mal intensiver mit befassen
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
Sehr vielschichtig. Geil!
Da haben wir wohl verschiedene Platten in der Hülle gehabt. Selbst, wenn man niedrige Gruft-Maßstäbe ansetzt, ist das hier doch noch sehr nah an der Schülerband. Von Prog bis Black Metal alles bissel dabei, aber fürchterlich bemüht zusammengeklöppelt, und zwar mit sehr durchschnittlichen Fähigkeiten bei Spiel, Komposition und Arrangement. Die Kreativität erschöpft sich doch bei Songnamen und Cover. Wenn die noch üben, können sie sicher Potenziale entwickeln, aber Du vergleichst das hier doch bitte nich ernsthaft mit Tiamat und Opeth? Wenn "Wildhoney" Bundesliga ist, sind wie hier noch tief in der Kreisklasse, tut mir leid. Ich musste eher an eine verbogene und zurechtpolierte 2.0-Version der unsäglichen Haggard denken...
"Wildhoney" ist überbewertet, das ist nur ein verbogener und zurechtpolierter Pink Floyd-Abklatsch.
was dein "geil" in Bezug auf AFOS ja nochmal nach unten relativieren würde...
Wenn man deiner Logik folgt...