laut.de-Kritik

Sex, Drugs & Drama, Funken sprühend wie ein Hochofen.

Review von

"Congregation" oder "Black Love" - praktisch jede Platte von Dulli und Co. war ein Hammer. Doch mit "Do To The Beast" setzen die Afghan Whigs nach sechzehn Jahren Pause noch einen drauf und präsentieren ein echtes Meisterwerk voller Alternative-Rock'n'Soul, das zum Ausflippen und gebannten Zuhören gleichermaßen einlädt.

Neben Tausendsassa Dulli (Musik, Texte, Produktion) sitzt noch Gründungs-Whig John Curley mit im Boot. Dazu gesellt sich ein bunter Haufen enger Freunde aus dem Kreis der Queens Of the Stone Age, Eagles Of Death Metal, Raconteurs und manch anderer Combo. Keiner dieser vielen Köche verdirbt hier den Brei. Jeder füllt seine Rolle als notwendiges wie unverzichtbares Detail aus, damit das dynamisch perfekte Mosaik entsteht. Ihr Ergebnis ist eine großartige Rockorgie, die vom eruptiven Arschtritt bis zum introvertierten Film Noir jene ganze Skala abfeiert, die man im Rockzirkus für einen heftig kathartischen Seelenstriptease benötigt.

Hier gibt es kein Selbstmitleid. Hier bekommt der Hörer die Klang gewordene Testosteronladung in die Fresse. Sex, Drugs & Drama, so Funken sprühend wie ein Hochofen, Baby! Dazu ein immer leicht gewalttätiger und sehr emotionaler Hauch im Ausdruck.

Verbunden mit Dullis animierend souligem Gesang entsteht eine hypnotische Sinnlichkeit, der man sich weder entziehen kann noch will. Ähnlich wie Nick Cave lotet Dulli in seinen Lyrics die Untiefen der menschlichen Seele und Beziehungen aus, ohne dabei auf das Quäntchen sarkastisch schwarzen Humors zu verzichten.

Dennoch muss man kein einziges Wort der Texte verstehen, um die Platte von Anfang bis Ende genießen zu können. Ihre Türen öffnen sich schwungvoll mit dem wuchtigen "Parked Outside". Mit fett sägendem Riff und very british umarmt das Lied den Hörer sofort. Ein wenig als hätte man den härteren Songs John Lennons oder Primal Screams die Haut von den Knochen gezogen und eine Überdosis leidenschaftlicher Aggression gespritzt. "Ain't gonna make me break down and cry!"

"Matamoros" lockt mit meisterhaft griffiger Hook, einem kurzen orientalischen Intermezzo und erfrischend kontrastierendem Bubblegum-Refrain zum finsteren Text. "Algiers" bietet hernach großes Wüstenrock-Theater im staubigen Italowestern-Mantel.

Auch Dullis Produktion spielt sich auf Weltklasseniveau ab. Todsicher wandelt er auf jener roten Linie, die das ganze Büffet auffährt, ohne je zu überladen. Dabei alles schön druckvoll und räudig, doch immer sehr ästhetisch angerichtet ("The Lottery").

Das glühende Herz dieses Biestes erreicht man mit "Lost in The Woods" und dem finalen Track "These Sticks". Lyrisch legt Dulli sich aufs eigene Totenbett, als sein fiktiv letztes Stündlein schlägt. Dazu ein aufreizend leichter, fast swingender Beat aus dem Niemandsland zwischen Duke Ellington und Queens "You're My Best Friend".

"These Sticks" bündelt dann noch einmal alle Stärken der Afghan Whigs in sechs faszinierenden Minuten. Der nur am Anfang balladeske Track türmt sich mit Tom-Tom artig gespielten Drums, Streichern und den entfesselt intonierenden Dynamit-Vocals Dullis zum ganz großen Songdrama auf. Mit Einsatz der gestopften Trompeten fällt zum Ende alles in sich zusammen, wie ein in Rauch vergehendes Kartenhaus aus Akkorden und Harmonien. So ist "Do To The Beast" die bisherige Krönung des ohnehin hochwertigen Schaffens der Whigs.

Trackliste

  1. 1. Parked Outside
  2. 2. Matamoros
  3. 3. It Kills
  4. 4. Algiers
  5. 5. Lost In The Woods
  6. 6. The Lottery
  7. 7. Can Rova
  8. 8. Royal Cream
  9. 9. I Am Fire
  10. 10. These Sticks

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Afghan Whigs

Die Afghan Whigs sind für eingefleischte Fans eine der wichtigsten amerikanischen Rockbands, die zum Kern der Grunge-Bewegung zählen. Ähnlich wie den …

5 Kommentare