laut.de-Kritik

Kann den Furious Five problemlos das Wasser reichen.

Review von

Wie so häufig lässt mich Hip Hop aus Frankreich mit zwiespältigen Gefühlen zurück. "Du könntest wirklich mal dein rostiges Französisch aufpolieren", flüstert die zaghafte Stimme des schlechten Gewissens irgendwo in meinem Kopf. "Wenn man kaum was versteht - ist das nicht schade?" - "Bullshit!" raunzt der innere Schweinehund aus den Tiefen des Bauches. "Dass das 'ne großartige Platte ist, hörst du auch so." Womit er zweifellos recht hat. Ich drehe noch ein wenig lauter auf und raube dem Gewissen seine letzte Chance auf Gehör. Wenn Akhenatons Texte nur einen Bruchteil der Cleverness, des Ideenreichtums und des Tiefgangs mitbringen, die die Produktion auffährt, haben die "Soldats De Furtune" den Krieg ohnehin schon gewonnen.

Akhenaton liefert mit seinem vierten Solo-Album ein erstklassiges Argument an die Hand, ihn auch weiterhin in der Liste der europäischen Lieblingsproduzenten zu führen, in die er sich mit "L'Ecole Du Micro D'Argent" vor Jahren hineinkatapultierte. Abwechslungsreichtum und musikalische Gewitztheit haben seitdem eher noch zugenommen. Finster kriechende Bässe drücken gegen das Zwerchfell: Eine perfekte Plattform für Akhenatons locker fließende Raps. Im Chorus von "Soldats De Fortune" meldet sich I AM-Kollege Shurik'N erstmals zu Wort - es soll nicht sein letzter Auftritt sein.

Ganz und gar nicht: Die komplette Truppe geht gleich mit mehreren Tracks an den Start, obwohl (oder gerade weil) derzeit gemunkelt wird, ein neues Album sei in Planung. Umso besser: So überbrücken wir prima die Wartezeit. "L'Ecole De Samba" ruft unmittelbar ins Gedächtnis zurück, warum Marseille, nicht etwa Paris, die französische Rap-Hauptstadt stellt. Dicke Bässe und Handclaps treiben in einer Weise dynamisch durch den Track, dass man über die ausgesprochen gewöhnungsbedürftig gesungene Hookline schmunzelnd hinweg sieht.

Dieses Schmunzeln wächst sich spätestens bei "Cosca Crew Party" zum breiten Grinsen aus. Mit besten Grüßen aus dem New York der 90er Jahre feiert sich hier eine Truppe ab, die problemlos den Furious Five das Wasser reichen kann, das Handtuch zum Abtrocknen und anschließenden Werfen gleich hinterher. Oldschool-Flavour der angenehmsten Sorte gibt es darüber hinaus in "Do It, Do It, Do It", hier gemeinsam mit Sako und einer wunderbar funkigen Basslinie, die den Charakter des Tracks prägt.

Sehr martialische tönende Nummern wie "Troie" oder "Entre La Pierre Et La Plume" (das seinen Charakter im Verlauf mindestens zweimal komplett ändert) folgen auf weniger episch angelegte Stücke. Eine zarte Gitarrenmelodie durchweht "Alamo", "Mots Blessés" wächst sich mit Klavier, Vokal-Sample und Zeilen über das Leben und den Tod gar zu einer wundervollen Schmachtnummer aus.

Akhenaton huldigt der Vielfalt. Der Kontrast zwischen den warmen Bässen aus "Canzone De Malavita" und der knallharten Synthieproduktion "Livedsladsktk" (will meinen: "live dans la discothèque") könnte größer nicht sein. Was Akhenaton mit Rhythmen anstellt, ist ohnehin nicht von dieser Welt. Auf den ersten Blick wirkt "Comode 'Le Dégueulasse'" ganz simpel, genau betrachtet bilden Loops, Handclaps und Percussions ein meisterhaftes Flechtwerk - schon die zweite rhythmische Glanzleistung nach "Bien Paraître".

Streicher, Gesang und ein Burt Bacharach-Sample gibt es in "Quand Ils Rentraient Chez Eux...". Mit "Du Mauvais Côté Des Rails" dagegen erklingt wieder ein synthetischer Brecher mit eher mauem Refrain; der Rap allerdings reitet das Instrumental wie ein Surfer die Brandung. Mächtig und zugleich sanft lässt "Sur Les Murs De La Chambre" die Platte ausklingen. Ooooch. Schon vorbei?

Nee. Auch, wenn das zu diesem Zeitpunkt niemand für möglich hält: Auf Face B der "Soldats De Fortune" zeigt "Bronx River", dass man tatsächlich noch mehr verschiedene Sounds - darunter fast schon poppige Keyboardklänge, Steeldrums, Geräusche und Cuts - in einem einzigen Song verwursten kann, als bisher geschehen. Zusätzlich finden sich hier die Videoclips zu "Troie" und "Soldats De Fortune" - sowie die Lyrics. Okay, Gewissen: Wenn der Schweinehund schläft, such' ich mein Wörterbuch.

Trackliste

Face A

  1. 1. Soldats De Fortune
  2. 2. Alamo
  3. 3. Troie
  4. 4. Vue De La Cage (feat. Psy4 de la Rime)
  5. 5. Canzone Di Malavita
  6. 6. Livedsladsktk
  7. 7. L’Ecole De Samba (feat. I AM, Veust Lyricist)
  8. 8. Déjà Les Barbelés (feat. Sako)
  9. 9. Cosca Crew Party (feat. I AM)
  10. 10. Mots Blessés
  11. 11. Entre La Pierre Et La Plume (feat. I AM)
  12. 12. Dans La Cité (feat. Moïse, Veust Lyricist)
  13. 13. One Luv
  14. 14. Bien Paraître (feat. I AM, Sako)
  15. 15. Ainsi Est Comode
  16. 16. Comode Le Dégueulasse (feat. Faf Larage, Veust Lyricist)
  17. 17. Quand Ils Rentraient Chez Eux ... Remix (feat. Toko)
  18. 18. Du Mauvais Côté Des Rails
  19. 19. Sur Les Murs De Ma Chambre (feat. Saïd)

Face B

  1. 1. La Fin De Leur Monde (feat. I AM)
  2. 2. Bronx River
  3. 3. Do It, Do It, Do It (feat. Sako)
  4. 4. Créverie Haut De Gamme (feat. Freeman)

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