laut.de-Kritik

Tanz durch den Sommer im Dreivierteltakt.

Review von

Sie singt vom Universum, der Liebe und dem Sinn des Lebens: Wenn Alice Phoebe Lou zur Klampfe greift, entstehen zauberhafte Melodien, die sie mithilfe von introspektiven Texten zu kleinen Schmuckstücken verarbeitet. Die verschlafene Trägheit eines heißen Sommertages, die Euphorie des Verliebtseins und die Entrücktheit eines Tagtraumes fängt sie geschickt ein. Ursprünglich stammt Alice Phoebe Lou aus Südafrika, im Herzen ist sie jedoch Berlinerin. In dieser Stadt hat sie ihre Flügel entfaltet. Ihre kurze Karriere als Feuertänzerin hängte sie zugunsten der Musik an den Nagel. Seitdem sind zehn Jahre vergangen.

"Shelter", das bereits fünfte Album der 29-Jährigen, besticht mit selbstbewusster Schlichtheit. Die neun Songs wirken weder überladen noch undurchdacht. Bei mehr als einem Drittel der Tracks handelt es sich um Walzer: Eine Aufforderung, in den Sommer und durchs Leben zu tanzen. Bei aller Nachdenklichkeit, die Alice an den Tag legt, nimmt sie sich selbst nicht allzu ernst. Von einem Moment in den nächsten überzugehen, so natürlich und unkompliziert wie das Atmen, das ist es, was das Grundgefühl ihres Songwritings ausmacht.

Wer ihren musikalischen Stil beschreiben möchte, gerät schnell an seine Grenzen. Ist das jetzt Folk, Pop oder Jazz? Egal, fest steht, dass Alice genau die Musik macht, die ihr am Herzen liegt. Von großen Labels und deren definierten, teils einengenden Vorgaben hält sie sich beharrlich fern, auch wenn diese bereits mehrfach bei ihr anklopften.

Ihre persönlichen Grenzen zu achten ist ihr unglaublich wichtig. Früher habe sie allen die Tür aufgemacht, die sich etwas von ihr erhofften und dabei nicht auf ihre eigenen Bedürfnisse gehört ("Open My Door"). Heute strahle sie in neuem Glanz: "I'm back on land, welcome to your life, Alice." Die Zukunft sieht sie durch die rosarote Brille. Verliebt schwärmt sie: "Isn't it so lovely to be in each others dreams. We're in each others futures too."

Mit Retro-Gitarrenbegleitung, feenhaftem Gesang und lyrischem Feinsinn erinnert "Halo" an Joni Mitchell, die Schutzpatronin aller Folk-Songwriterinnen. Das reduzierte "My Girl" funktioniert ganz ohne Band. Mit Zeilen wie "It's a man's world my girl", "Your body's nobody's but yours" und "Sharpen your claws my girl, learn to love your flaws my girl" sendet sie einen feministischen Appell an ihre Zuhörerinnen: Lass dich nicht von der Gesellschaft einschüchtern oder einengen! Alices Gegenvorschlag: Gemeinsam die Welt aufschütteln und verändern.

Alice spielt mit einer leichten Verzerrung des Gesangs ("Hammer"), Gitarren-Loops ("Shelter"), und Slide-Guitar ("Angel"). Ihre samtige Stimme beruhigt wie Balsam für die Seele. Es ist, als wollte sie sagen: Alles wird irgendwie gut. Der Albumtitel "Shelter" ("Zuflucht") verspricht nicht zu viel: Wenn der Alltag mal wieder zu viel wird, bieten diese Songs eine tröstliche Zuflucht.

Trackliste

  1. 1. Shelter
  2. 2. Angel
  3. 3. Open My Door
  4. 4. Lately
  5. 5. Lose My Head
  6. 6. Halo
  7. 7. Shine
  8. 8. My Girl
  9. 9. Hammer

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