laut.de-Kritik
Unendliche Soundweiten zwischen The Cure und The xx.
Review von Paula IrmschlerMax Rieger, Sohn von David Bowie, Farin Urlaub und einem schwarzen Rollkragenpullover, hat ein großes Bedürfnis an Output. Tobt er sich gerade mal nicht bei Die Nerven mit den anderen beiden verrückten Jungs aus, macht er auch noch solo einige Wellen. Das ganze unter dem Projektnamen All Diese Gewalt, jetzt bereits mit einem zweiten Tonträger, ernstgemeinter Promotion und vielen Spuren auf zehn Songs.
Klar ist die Stimmung, wie auch bei den Alben der eigenen Band, eher gedämpft. Ausgefeilter Postpunk, Lebensbejahung geht so. Allein die Rotzigkeit und das Verspielte fehlt. Einfache Songstrukturen gibt es nicht. Die Tracks auf "Welt In Klammern" sind schwer, träge und triggern das ständige Bedürfnis zu rauchen. Das macht das Ganze aber zu keiner traurigen, nicht mal besonders melancholischen Platte. Überhaupt scheint der Stuttgarter mit seinem Schaffen nirgendwo hin zu wollen oder nach Aussagen zu japsen. "Welt In Klammern" ist vielmehr eine offen stehende Tür, hinter der Rieger steht und einfach seine Kunst macht.
Mit diesem Album hat er ein Kunstwerk geschaffen, dass man am Besten im Ganzen konsumiert und eine Weile wirken lässt. Verschwurbelte Lyrics, Rauschen, Plätschern, Tuscheln, treibende Gitarren, Hall, Elektronik: Rieger füllt seine Songs wie große Ausstellungsräume. Und in diesen Räumen gibt es auch ruhige Ecken, dicke Pfeiler, flackernde Lichter, flächendeckende Projektionen, versteckte Kellerluken, hohe Decken und undichte Fenster.
Und es werden Geschichten erzählt, die man nicht mal verstehen muss, um sie anhören zu wollen. Mit "Wie Es Geht" hat Rieger sein eigenes "A Forest" (The Cure) geschaffen und macht die albumeröffnende Ansage: "Ich kann es spüren, hinter den Dingen, unter der Struktur". Wer spekulieren will, wie es um Riegers Seelenleben besteht, dem wird ein "Sag du mir, wie es geht" zur Verfügung gestellt.
Über 200 Spuren habe er für "Welt In Klammern" eingespielt, so Rieger. Manchmal hört man ihn selbst sogar zweifach singen. Ansonsten ist seine Stimme jedoch nicht mehr als ein Instrument, manchmal taucht sie sogar fast gar nicht auf ("Stimmen", "Klang"). Natürlich ist in den unendlichen Weiten dieser Räume auch noch Platz für Experimente: Neben epischen Postpunk-Zauberwürfeln wie "Jeder Traum eine Falle" oder "Laut Denken" klingt ein "Maria In Blau" mit seinem treibenden Beat eher nach The xx und "Geister" besteht vor allem aus gruseligen Geräuschen. Die Tür bleibt weit offen und unter der Struktur ist eine ganze Menge. Man wird sich einst vom Rieger'schen Sound erzählen, denn hier ist jemand auf dem Weg, Ikone zu werden.
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