laut.de-Kritik

Grün sticht.

Review von

Neongrüne Haare, die Garderobe voller Plus-Size-Klamotten und das Herz auf der Zunge: Im stets funktionierenden, auf Hochglanz polierten und aalglatten Pop-Business ist Alma eine willkommene Abwechslung.

Die 24-jährige Finnin ist aber längst kein Greenhorn mehr. Bereits lange vor dem Triumphmarsch ihrer amerikanischen "Spiegelbild"-Kollegin Billie Eilish schreibt das queere Kraftpaket mit der markanten Stimmfarbe für die ganz Großen der Branche (Miley Cyrus, Ariana Grande, Lana Del Rey, Charli XCX) und hinterlässt auch als Performerin dicke Ausrufezeichen ("Dye My Hair", "Chaising Highs", "Karma").

Mit ihrem lange überfälligen Debütalbum "Have U Seen Her?" im Gepäck steht Alma nun endlich vor der Pforte des Genre-Olymps und bittet um Einlass. Und es dauert keine drei Minuten, da öffnen sich bereits die Tore ("Have You Seen Her?"). Mit stechenden Beats aus der Maschine und umherzischenden Soundeffekten grüßt Alma vom Cyberpunk-Pop-Gipfel.

Alma nimmt kein Blatt vor den Mund. Mit ihrer seufzenden, von Sehnsucht, Liebe, Leid und Furcht getriebenen Stimme prangert die Sängerin das machtgierige Handeln von Politikern und Bonzen an ("Worst Behaviour"). Kurz zuvor wendet sie sich mit gestrecktem Mittelfinger an alle Party-Falschspieler von Los Angeles ("LA Money"). Ein paar wummernde Beats und eindringliche Hooks später bekommen dann auch alle obercoolen Insta-Kids ihr Fett weg ("Loser").

Nur der "Mama" wird zur Mitte des Albums hin eine musikalische und verbale Pralinenschachtel überreicht. Ansonsten spricht Alma Klartext. Und das passt auch wunderbar zum präsentierten Soundpaket. "King Of Castle" ist in viel Hall gehüllter Indie-Pop. "Stay All Night" fegt über den Elektro-Pop-Dancefloor. "Find Me" verkörpert pure Lagerfeuer-Romantik im Zeitalter von Bits und Bytes. Und "Bad News Baby" ist ein euphorisches Pop-Feuerwerk mit Langzeitwirkung. Alma bringt erfrischenden, mitreißenden und vor allem facettenreichen Pop mit zur Party. Wer zu den Leuten gehört, die Alma im Fadenkreuz der Kritik anvisiert, der wird ganz klein mit Hut.

Im unnahbaren Corona-Frühling 2020 schießt Alma mit taffer Attitüde, klaren Statements und einer frischen Pop-Brise um die Ecke. Die "Cybergoth-Version einer jungen Adele" (The Guardian) überspringt die Debüthürde mit erstaunlicher Leichtigkeit und verdient sich einen festen Platz unter den Top-Newcomern der jüngeren Vergangenheit. Da reckt nicht nur der Frisör von Billie Eilish die Arme in die Luft.

Trackliste

  1. 1. Have You Seen Her?
  2. 2. LA Money
  3. 3. Worst Behaviour
  4. 4. Stay All Night
  5. 5. Bad News Baby
  6. 6. Nightmare
  7. 7. Mama
  8. 8. King Of Castle
  9. 9. My Girl
  10. 10. Find Me
  11. 11. Loser
  12. 12. Final Fantasy

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