laut.de-Kritik
Verspieltheit und gute Laune als Programm.
Review von Mathias MöllerClaus Grabke hat wahrscheinlich zu viel Energie. Warum sonst würde die hochdekorierte deutsche Skateboard-Legende neben dem Leben auf vier Rollen noch zwei Bands betreiben? Zum einen wären da Thumb, die deutsche Alternative Rock-Band mit gehörigem Hardcore-Einschlag. Die andere Combo rief Grabke vor ein paar Jahren ins Leben, um mit ihr ein wenig straighter zu rocken: die Alternative Allstars als Rock'n'Roll-Alternative zum harten Thumb-Sound.
Das erste Album "Rock On" nahmen Presse und Musikfans wohlwollend zur Kenntnis, vor allem der Titeltrack konnte sich dem musikalischen Kurzzeitgedächtnis einprägen. Nun liegt mit "110% Rock" der Zweitling vor. Grabke und Co. stellen auch gleich mit dem Opener "Waking Up To Reality" klar, was sie unter "110% Rock" verstehen: Verstärker auf volle Pulle und beherzt in die Saiten gegriffen. Rock'n'Roll als Gebot der knappen Dreiviertelstunde. Verspieltheit und gute Laune als Programm. So wirken die Songs ein wenig wie auf dem Debüt, wenn sie auch wesentlich weniger poppig daherkommen.
Der Titeltrack erinnert im Refrain derbe an Marilyn Mansons "Rock Is Dead" in einer Schülerbandversion. Bei "Rubberball" wird die gute Spiellaune auf die Spitze getrieben. So klänge Kaugummi, würde man es an einen Verstärker anschließen. Wer's mag ... Ingo Knollmann von den Donots duelliert sich mit Grabke bei "I Get Around", wodurch der Song sicher gesanglich heraussticht.
Leider kann die Musik da nicht ganz mithalten. Ein 'Rock'n'Roll-Nightmare' ist das nicht. Noch ein zweiter Duettpartner bringt den Allstars seine Interpretation von 110% Rock bei: Ron, der singende Schönling von 4Lyn unterstützt die alternative Supertruppe beim schwer stampfenden "Falling From Grace". Allerdings meldet er sich nur als zweite Stimme oder Hintergrund-Shouter zu Wort, was sicherlich zu verschmerzen ist.
Und noch einen (allerdings gut versteckten) Gastauftritt gibt es zu vermelden: Grabkes Filius Flynn versucht sich mit Papa am Vocoder auf "Totally Wrong". Klingt so schön nach Eighties, aber Ocker machen das besser. Gerade wenn man denkt, jetzt komme wohl der noch belanglosere Teil des Albums, spielen die Allstars wirklich überzeugend auf. Auch wenn in "I'm Free" textlich derbe Rockplatitüden bedient werden ("Coz I'm Free to do what I want"), durch den gefühlvollen Einstieg und das Laut-Leise-Spiel wirkt der Track sehr spannungsreich.
Nach hinten raus drücken die Alternative Allstars mächtig auf die Spaßtube, gute Laune versprüht "110% Rock" fast über die gesamte Länge. Darum geht es ja auch beim Rock, aber manchmal darf es halt auch ein bisschen mehr sein. Grade in textlicher Hinsicht. Das schon fast balladeske "Emotions" bildet da einen schönen Abschluss, der zeigt, dass selbst bei "110% Rock" auch mal weniger mehr sein lassen kann. Warum klingt der Rest des Albums nicht mehr nach "Emotions"? Wenn man allerdings einmal das "Rubberball"-Video gesehen hat, fragt man sich, wo die guten alten Thumb-Zeiten geblieben sind, als Grabke noch im tiefen Brustton der Überzeugung getönt hat: "Won't sell myself".
Noch keine Kommentare