laut.de-Kritik

Man könnte meinen, man sei in einem Softporno gelandet ...

Review von

Hot Pants, Netzstrümpfe und goldene High Heels ... Man könnte meinen, man sei in einem Softporno gelandet, derart lasziv räkelt sich Amerie durch ihr Booklet. Eine schöne Frau, zweifellos, wenngleich auch sie dem verbreiteten Irrtum aufzusitzen scheint, es müsse zwingend der Mund offen stehen, will man sexy wirken. Na ja, wie schon so häufig festgestellt: Die Geschmäcker sind verschieden, und auch, wenn es eine Menge zu sehen gibt, sind wir schließlich nicht zum Kucken hier.

Ich erwarte also die üblichen R'n'B-Schmachtfetzen, und Amerie macht mir erst einmal einen Strich durch die Rechnung. "1 Thing" eröffnet Madame Rogers zweites Album wesentlich temporeicher als gedacht. Produzent Rich Harrison dreht ein Meters-Sample durch den Fleischwolf, bis von der ursprünglichen Funkyness kaum noch etwas zu spüren ist, dazu Ameries Gesang ... Nach knapp zwei Minuten bin ich gereizt, habe aber die Hälfte des Stückes noch vor mir. Ganz abgesehen vom Rest der Platte. Das kann ja heiter werden.

Wird es auch - nur leider nicht im wahren Wortsinne. Man bekommt all das, was man eigentlich nicht mehr braucht: auf Helium-Stimmlage gepitchte Vocals in "All I Need" (ganz neue Idee!), mit "Touch" eine weitere, gegen jedes beliebige Ciara-Stück austauschbare Nummer, der man die Handschrift von Lil Jon schon von weitem anmerkt, dann doch noch ein paar Schlafzimmer-Tracks sowie einen Remix ihrer Debüt-Single "Why Don't We Fall In Love". Auf musikalische Raffinessen wartet man vergebens, das Strickmuster ist stets gleich: relativ dumpf klingende Bässe, dazu mehr oder weniger stressige Percussion - mich beschleicht wiederholt das Gefühl, ich würde einem mäßig gelungenem Aufguss von Miami Sound Machines "Conga" lauschen. Die einmal eingeschlagene Richtung wechselt innerhalb eines Songs kaum jemals, Tempo und Rhythmus werden eisern durchgehalten. Spannung? Fehlanzeige.

Während ich noch überlege, ob mir Amerie in den langsamen oder in den schnelleren Stücken mehr zusagt, überfällt mich die Erkenntnis: Ha! Weder noch! In Ameries Gesang entdecke ich keinerlei Wärme, kein Gefühl - die Dame klingt nahezu synthetisch.

Das muss man mögen, mein Fall ist es nicht. Die Gastvokalisten retten ein wenig: Zwar wird "Can We Go" mit Carl Thomas wohl eher nicht zum Duett des Jahres erkoren, dennoch ist wohltuend, zur Abwechslung mal eine andere Stimme zu hören. Dazu hier ein Sample von Earth, Wind & Fire; Bink bastelt (im Gegensatz zu Rich Harrison über weite Stecken des Albums) einen etwas interessanteren (weil vielschichtigeren) musikalischen Hintergrund zusammen. "1 Thing", das im Club bestimmt funktioniert, gewinnt in der zweiten Version dank der Raps von Eve deutlich. Dennoch bleibt der Bonus-Track "Man Up" mit Nas in einem ansonsten belanglosen bis unangenehm anstrengenden Album das einzige Stück, das ich für mehrfach genießbar halte.

Trackliste

  1. 1. 1 Thing
  2. 2. All I Need
  3. 3. Touch
  4. 4. Not The Only One
  5. 5. Like It Used To Be
  6. 6. Talkin' About
  7. 7. Come With Me
  8. 8. Rolling Down My Face
  9. 9. Can We Go feat. Carl Thomas
  10. 10. Just Like Me
  11. 11. Falling
  12. 12. 1 Thing feat. Eve
  13. 13. Why Don't We Fall In Love (Richcraft Remix)
  14. 14. Man Up feat. Nas

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