laut.de-Kritik

Eine Zusammenarbeit mit Jack White wäre in jeder Hinsicht zu begrüßen.

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"It don't matter if you're thick or thin / It don't matter if you lose or win / It don't matter if you're straight or gay / It don't matter if you pray every day / you're just dirt": Von niemandem außer Iggy Pop und Andre Williams lasse ich mir solcherlei Weisheiten erzählen. Denn ähnlich wie der große Stooges-Baron den Dreck des Alltags zur Kunstform erhob, weiß auch der mittlerweile 75-jährige Dirty Soul-Überlebende Williams vom gesellschaftlichen Verfall der letzten Jahrzehnte berichten.

Es grenzt bei beiden Künstlern an ein Wunder, dass sie noch unter uns weilen. Williams war ab den ausgehenden 50er Jahren vor allem als Produzent eine große Nummer im Soul-Geschäft zwischen Detroit und Chicago. Anfang der 70er Jahre lernte er Ike Turner kennen, der ihm nicht nur große Aufträge, sondern auch große Mengen harter Drogen beschaffte. Williams fiel in ein jahrzehntelang währendes Loch, verlor seine Klienten, seinen festen Wohnsitz und lebte auf der Straße, bis ihn Jon Spencer Ende der 90er Jahre rettete. Seitdem ist Andre ein Underground-Phänomen und nimmt spektakulär vielseitige Platten auf.

Das gelungene Coverartwork von "Hoods And Shades" im Blaxploitation-Stil ist nicht umsonst gewählt: Auch diesmal spielt Williams den Hustler, der er mal gewesen ist, wählte aber eine Begleitband, die seinem Sprechgesang einen folkig-funkigen, überraschend psychedelischen Grundton anfügt. Mit Motown-Legende Dennis Coffey an der Gitarre (großartige Soli!), Don Was am Kontrabass (Bob Dylan, Roy Orbison) und Ex-Dirtbombs-Basser Jim Diamond sind ausgewiesene Checker am Start.

Mit Ausnahme des Openers lösen sich die meisten Songs vom bekannten Strophe-Refrain-Schema und klingen wie eine endlose Jamsession. Höhepunkte sind das drängende "I've Got Money On My Mind", der swingende Rockabilly "Jaw Dropper" und der mit wabernden Gitarrensoli getränkte Hippie-Blues "Hu-Matic Man".

Wenn Williams Zeilen singt wie "I guess I'm just a bona fide loser" läuft es einem schon mal kalt den Rücken runter. Schließlich nimmt der Alte nicht nur Platten auf und geht auf Tour, "um Ärsche zu kicken", wie er selbst sagt, sondern auch, um seine Miete zu bezahlen. Nach wie vor bezeichnet er sich offen als drogensüchtig, wirkt aber trotz seiner durch Bacardi-Überdosis verursachten Alkoholvergiftung samt Lungenentzündung und Herzproblemen kaum angeschlagen.

Vielmehr belegt Andre Williams' viertes Album in fünf Jahren endgültig, dass hier ein musikverrückter Verwandlungskünstler am Werk ist, der sich trotz monetärem Druck nicht von seiner Experimentierfreude abbringen lässt. Eine Zusammenarbeit mit Jack White wäre in jeder Hinsicht zu begrüßen.

Trackliste

  1. 1. Dirt
  2. 2. A Good Day To Feel Bad
  3. 3. I've Got Money On My Mind
  4. 4. Hoods And Shades
  5. 5. Jaw Dropper
  6. 6. Hu-Matic Man
  7. 7. Mojo Hannah
  8. 8. Swamp Dogg's Hot Spot
  9. 9. Gimme

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LAUT.DE-PORTRÄT Andre Williams

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2 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    Fände eine erneute Zusammenarbeit mit Mick Collins ja großartiger, als mit Jack White. Aber der ist gerade dabei das langersehnte Bubblegum Album der Dirtbombs anzugehen. Hoffentlich dieses Mal wirklich.

    Btw., Jim Diamond ist seit 2004 nicht mehr Bassist der Dirtbombs.

  • Vor 11 Jahren

    Yeah, Mick Collins wäre natürlich auch top. Aber der soll ruhig mal wieder Dirtbombs machen. Mit White hätte Andre halt endlich die Aufmerksamkeit, die er längst verdient. Aber so freuen sich halt die 30-100 Leute auf seinen Clubshows. Zürich is fix (Thanx for Diamond).