laut.de-Kritik

In der Schwärze schwingt Trost.

Review von

Anna Von Hausswolffs Nachfolger zu ihrer "Ceremony" erschien am 13. November 2015. Dem Tag, an dem der Terror mit den Anschlägen auf Paris endgültig auch in Europa ankam. In der Folge stürzt sich Frankreich Hals über Kopf in den Krieg gegen den IS.

Was will man in einer so finsteren Zeit, in der die Welt mehr und mehr ausblutet und im Feuer extremer Ansichten verbrennt, mit "The Miraculous", einem tiefschwarzen Monolithen, vor dem man erst mehrere Schritte zurück weichen muss, um seine Größe auch nur zu erahnen? Es scheint jedenfalls nicht gerade hilfreich, gerade jetzt auch noch musikalisch in Düsternis abzutauchen.

Wie ein Ozeandampfer setzt sich "Discovery" mit einem Dröhnen aus 9.000 Orgelpfeifen in Bewegung. Ein dramatischer Opener, der auf eine Fahrt in das mysteriöse und psychedelische "The Miraculous" führt. Einem Ort, an dem knochenzermalmender Funeral-Pop und bombastische Schönheit zueinander finden.

Der unterkühlte Folk der Schwedin verbindet sich mit berstendem Dark-Ambient, Post-Rock, Metal, Gothic-Schick und moderner Klassik zu epischen Erzählungen und kohlrabenschwarzen Geschichten. Auch wenn die Orgel hier weitaus größer als auf "Ceremony" ausfällt, drängt sie sich nicht so penetrant in den Vordergrund. Sie bestimmt nicht, sie bindet sich in das Band-Gefüge ein.

Den Grundbaustein zu "Come Wander With Me/Deliverance" bildet das von Anthony Wilson und Jeff Alexander für die gleichnamige "The Twilight Zone" geschriebene "Come Wander With Me". Mit der von Bonnie Beecher zu einer akustischen Gitarre vorgetragenen Ballade hat diese drastische Tragödie nur noch wenig gemein. "He came from the sunset / He came from the sea / He came from shadows, and can love only me."

Zunächst zurückhaltend mit einer Orgel beginnend, wächst das elf Minuten lange Stück zu einem monumentalen Monster heran, in dem die entrückte Anna Von Hausswolff die bisher beste gesangliche Leistung ihrer Karriere bietet. Ein massives Meisterstück zwischen Schönheit und hysterischem Horror, in dem die Schwedin ihrer Band größtmöglichen Freiraum lässt. Den Umschwung leitet ein wie aus dem Fleisch von Black Sabbath herausgeschnittenes Riff ein, das in eine rhythmisch pochende Zeremonie überleitet, wie man sie ansonst von Swans kennt: theatralisch, hart, mystisch.

Das im Vergleich dazu nahezu eingängige und sehnsuchtsvolle "Evoctaion" endet in zermürbendem Feedback. In eindringlichen zwei Minuten neigt sich die Sängerin über den Zaubertopf "Pomperipossa", jammert, schreit und knarzt wie eine Ehrfurcht gebietende Hexe.

Die eingangs gestellte Frage, was man in so einer finsteren Zeit mit "The Miraculous" anstellen soll, beantwortet schlussendlich "Stranger". Egal, wie schwarz ein Bild auch ist, man kann immer etwas darin erkennen. Vom einem düsteren Ort aufgebrochen, erdrückt Anna von Hausswolffs drittes Album nicht, sondern spendet letztendlich Trost und Hoffnung. Mehr noch als auf "Ceremony", gelingt ihr eine ausgeglichene Atmosphäre. Nie geht "The Miraculous" in Tristesse verloren. Im Wärme spendenden Tageslicht des sakralen Raums schwingt Trost.

Trackliste

  1. 1. Discovery
  2. 2. The Hope Only Of Empty Men
  3. 3. Pomperipossa
  4. 4. Come Wander With Me / Deliverance
  5. 5. En Ensam Vandrare
  6. 6. An Oath
  7. 7. Evocation
  8. 8. The Miraculous
  9. 9. Stranger

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