laut.de-Kritik
Die Hallenser erobern die deutsche Metalcore-Szene.
Review von Manuel BergerChris Wieczorek mausert sich langsam zum Posterboy der modernen deutschen Heavyszene. Als Mann am Mischpult veredelte er jüngst zum Beispiel beim vielversprechenden "Aspire" von Venues, wo er auch Spuren als Gastsänger hinterlässt. Seine eigene Band Annisokay ist seit einer Weile bei Metalcore-Fans in aller Munde. Völlig zurecht, unterstreicht "Arms".
Sofort fällt auf, dass die Hallenser in der Produktion nochmal einen deutlichen Schritt nach vorn unternommen haben. Wieczorek arbeitete dafür mit Benny Richter zusammen. Der kaschiert immerhin schon seit Jahren erfolgreich die musikalische Stagnation Calibans mit verdammt gutem Klang. Annisokay haben zum Glück weder das nötig, noch fahren sie die exakt selbe Soundschiene.
Wieczorek zieht die Kulisse immer wieder auch gen Post Hardcore, strebt gerade in den melodischeren Passagen nach entzerrtem Klangbild, statt durchgehend auf Punch zu setzen. Einen guten Eindruck davon vermittelt "Innocence Was Here", ein Stück das sowohl balladeske Klavier- und Streicherpassagen aufweist als auch brutale Shouts. Die fließenden Übergänge zwischen den unterschiedlichen Stimmungen des Songs gelingen vor allem dank der fast hymnischen Schreie von Fronter Dave Grunewald – groß.
Obwohl Grunewalds Shouts auf Albumlänge nach wie vor dominieren, gewinnen Wieczoreks Clean-Vocals zunehmend an Bedeutung – vielleicht auch deshalb, weil sie im Vergleich zu früheren Alben noch klarer und kraftvoller im Mix stehen. Derart gepimpt haut er eine Hook nach der anderen raus, angefangen beim Opener "Coma Blue". Grunewald ist hier in der Strophe Stichwortgeber, Wieczoreks greift sein wütend geschnaubtes "Nobody, anybody, somebody" wenig später auf und zimmert eine poppige Catchphrase daraus. In "Sea Of Trees" drehen sie den Spieß um: Wieczoreks startet das Stück in Rise Against-Manier, dann grätscht Grunewald es in Richtung neuere Parkway Drive.
Auch den Einsatz von Synthesizern intensivieren Annisokay. In "Humanophobia" tummeln sich 80er-Klänge, die auch wunderbar in den "Stranger Things"-Soundtrack passen würden. Elektronische Leads bilden das melodische Rückgrat von "Escalators" und "Good Stories". Trotzdem umschiffen Annisokay gekonnt die Weichspüler-Falle. Aggressive Momente gibt es zur Genüge – auch in den Synthie-Songs. "Humanophobia" etwa ist eine der härtesten Nummern der Platte. Das Durchladen einer Shotgun im Breakdown von "Fully Automatic" vertsrömt Emmure-Flair.
Mit "Locked Out, Locked In" steht zwar ausgerechnet ein nur durchschnittlicher Track am Ende des Albums, den starken Gesamteindruck von "Arms" schmälert das aber nicht wirklich. Annisokay überzeugen mit kreativer, scheuklappenfreien Komposition, der es weder an Härte noch an Mainstream-Appeal fehlt. Das Metalcore-Rad erfindet das Quintett nicht neu, aber die Klaviatur seiner Elemente beherrscht es bravourös.
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"vertsrömt"
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