laut.de-Kritik

Zweimal gehört und man hängt an der Plattennadel.

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Relativ kurz nach dem Tod Ravi Shankars tritt Tochter Anoushka die Nachfolge des großen Virtuosen an und macht mit "Traces Of You" lässig klar, wer hier in der Familie nunmehr das Genie ist. Schwester Norah Jones schaut als gelungene Marketingstrategie für drei Stücke am Mikro vorbei. Künstlerisch erweist sich Betschwester Jones mit ihrem Schlafwagen-Country-Blues dabei gleichwohl als recht entbehrlich.

Spannender ist die Sitar-Hexerei und viele Stücke voll spezieller Dramaturgie durch Shankars kongenialen Widerpart am Piano, Nitin Sawhney, dem Tausendsassa aus London. Man braucht hier wirklich keine Angst vor öligem Multikultischmand für Schweinsledertaschen tragende Studienräte zu haben. Im Gegenteil: Wer die eingefahrenen westlichen Hörgewohnheiten vom leidenschaftlichen indischen Notenfeuer mal so richtig durchvögeln lassen möchte, ist hier genau richtig. Anoushkas Lieder sind ebenso schön und ausdrucksvoll wie das Antlitz ihrer Komponistin.

Shankar ist tief verwachsen mit dem asiatischen Rhythmus- und Zeitverständnis der traditionellen Musik Südindiens. Das ist eine Puls-getriebene Musik, die meist auf scheinbar einfachen Mustern beruht, deren polyrhythmische Vielfalt samt Soloinstrumenten in kreisenden Mustern kulminiert. Sehr komplex, aber nach zwei, drei Durchgängen entdeckt man eine Unmenge melodischer Themen. Forget Bollywood, this is the real Thing!

Im "Indian Summer" geben Shankar und Sawhney einen sich aneinander hochschaukelnden Liebesakt. Sein Piano im Duett wie im Duell mit Anoushkas Sitar. Definitiv eines der Kernstücke der Platte. Das nicht minder schöne "Fathers" impft der klanglichen Symbiose eine berührende Melancholie über die Vergänglichkeit. Der zarte Dialog beider Instrumente verspricht den Ohren ebenso viel Romantik wie begrabene Träume. Zweimal gehört und man hängt an der Plattennadel.

Ganz anders das anmutige Psychedelicmonster "Metarmorphoses". Ein ganzes Bündel bunter Rhythmen wickelt sich um den stoischen Trance-Grundbeat. Wie eine Tempelgöttin krönt Anoushka Shankars Gesang als chantende Kali. Auf keinem anderen Track des Albums wird man ihre Stimme finden. Weiterhören mit "We Will Fall" von Iggy und seinen Stooges von deren Debüt aus dem Jahr 1969.

So jagt ein Höhepunkt den nächsten. "Monsoon" gebiert nach zwei Minuten ein Solo, aus dem traditionellen Mantel des südindischen Dschungels heraus, das gleichermaßen als Bach wie Iron Maiden-Zitat durchgeht. Und der "River Pulse" macht seinem prickelnden Namen mit ebensolcher Percussion alle Ehre. Eingebettet in die Rhythmusorgie schält sich ein nahezu poppiges Thema zwischendurch heraus. Beeindruckend!

Die Begeisterung bremsen nur die drei zwar handwerklich perfekten, aber konzeptionell komplett unpassenden Norah Jones-Tracks. Das Titelstück sowie "Unsaid" geizen nicht mit ihrer typisch sedierenden Küchentisch-Americana. Der Opener ist instrumental perfekt arrangiert und wartet mit einer zugegeben schönen Gesangsmelodie auf. Er wirkt samt Frau Jones jedoch wie ein Fremdkörper auf dem temperamentvollen Album der unkonventionelleren Anoushka. Übrig bleiben zehn Shankar-Killertracks für die Ewigkeit.

Trackliste

  1. 1. The Sun Won't Set (feat. Norah Jones)
  2. 2. Flight
  3. 3. Indian Summer
  4. 4. Maya
  5. 5. Lasya
  6. 6. Fathers
  7. 7. Metamorphosis
  8. 8. In Jyoti's Name
  9. 9. Monsoon
  10. 10. Traces Of You
  11. 11. River Pulse
  12. 12. Chasing Shadows
  13. 13. Unsaid (feat. Norah Jones)

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