laut.de-Kritik
Trotz Synthie-Viagra: Der Patient kriegt keinen hoch.
Review von Max BrandlIn letzter Zeit versucht man im Hause Aggro Berlin offensichtlich alles zu vergolden, was das Licht der Welt erblickt. Nach Siggi, dem der Titel "Goldjunge" zumindest hinsichtlich seiner Plattenverkäufe zusteht, ist nun Bobbys Dick an der Reihe – frei nach dem Motto: Long Dong und Silber war gestern, der Neger von heute trägt Gold.
Das Einzige, was in Anbetracht von "Goldständer" allerdings steht, ist der Kreativität das Wasser bis zum Hals. Die umfangreich angepriesene "CD in Brilliant Box mit Glanzlackierung" ist ein handelsübliches Plastikcase, das "16 Seiten-Booklet in Glanzlackierung" eine bei einem (!) Videodreh abgefallene Fotostrecke und die Digital-Dreingabe "AGGRO Mediaplayer" nix weiter als ein Kunden, pardon: Atzenbindungstool für Deutschlands Forenjugend.
Des Blattgolds damit nicht genug: Mit einer Gesamtlänge von 35 Minuten, davon viereinhalb Intro und Skits, ist das zudem ein verdammt kurzer Ständer geworden. (Gut, es gibt auch eine Doppel-CD mit doppelt so vielen Tracks. Jene Premium Superduper Megadödel Deluxe XL Edition liegt uns nicht vor.)
Einen superschlaffen Eindruck macht das derart propagierte Edelmetall dann beim Coitus auditivus. B-Tight schießt im gnadenlos überstrapazierten "Rapstarz"-Skit seine Vergangenheit plakativ über den Haufen. "Wir brauchen Rapstars wie Bobby Dick!" begründet er den bedauernswerten Mord am alten Ego. Brauchen tut die zwar keiner, aber so klingen tut die Scheibe sehr wohl: Dünn, kraftlos ... wie am Bildschirm einen runtergeholt.
Auch an seiner jüngeren Neuorientierung in Richtung "Berlin Grime" hält er fest. Walzend, stampfend und durchwegs tüchtig gestromt, allerdings auch schmerzhaft durchschnittlich präsentiert sich der phallische Halbstünder. Trotz dreier Stippvisiten vom renommierten Beat-Doktor Tai Jason, einem aus Miami eingeflogenen Frauenarzt und Unmengen an reingepumptem Synthie-Viagra: Der Patient kriegt und kriegt einfach keinen hoch.
Doppelt unangenehm, dreht sich diese Platte doch fast ausschließlich ums andere Geschlecht. Und das ist "Voll OK", denn ich erwarte von B-Tight seit Royal TS weder profundes Weltwissen, noch technische, geschweige denn literarische Cumshots. Ich erwarte aber bitteschön ein wenig mehr Unterhaltung als diejenige, die genannten Forums-Insassen heutzutage für flammende "X ist besser als Y"-Auseinandersetzungen reicht.
"Selbst halbtot bin ich besser als ihr Säcke / halt die Fresse, wenn ich rappe / es gibt Kette in die Fresse." Selbst der vorgeladene Baustellen-Lyriker und Gabelstapler-MC Tony D kann das hier gebotene Niveau nicht mehr spürbar unterbieten. Da tut es fast schon wieder gut, dass das Teil nur eine halbe Stunde beansprucht.
Kurzum: Bobby erreicht an keiner Stelle das Level, das der Selbstbeweihräucherungs-Turbolader "Ich Bin's" von der letzten LP – die das "L" übrigens noch verdiente – erhoffen ließ. Selbst die klanglich abweichende Single "Sie Will Mich" geht spätestens nach dem dritten Durchlauf gehörig auf die Nerven. Zu eintönig der Sound, zu einfältig die - wenn man so will - Raps. B-Tight pocht indes auf Innovation und lässt uns wissen: "Rap ist der neue Rock'n'Roll." Mag sein, aber der hier sicher nicht.
108 Kommentare
Mann warum hast du keine review über die premium edition gemacht die zweite cd ist um längen besser als die erste.....
na dann überleg mal!
Vor allem finde ich die Release-Politik etwas eigenartig. Die Bonus-CD ist fast 10 Minuten länger und qualitativ genau das, was die Fans von Bobby erwarten.
Review geht soweit klar, kann der Scheibe zwar was abgewinnen, hätte "objektiv" für die Standard Edition aber auch höchstens 2/5 gegeben. Und wenn er schon zum 2. Mal in Folge sich die Perlen für die Premium aufspart, braucht er sich über die schlechten Wertungen nicht zu wundern. Und bei der Kritik am "Hochglanzbooklet" spricht mir der Reviewer aus der Seele. Wo bleibt das geniale Artwork von früher? Einfach Bilder vom Videodreh, ein paar Credits und das war es dann
album scheiße. wie ziemlich viele aggro-releases dieses jahr.
@Bounci («
zum Gejaule wegen der Premium: wenn die so wahnsinnig besser sein soll, warum wird die Standard dann überhaupt released? »):
Warum bauen die eigentlich noch diese ganzen Fiat Pandas? 'Ne Limo von Mercedes is' doch eh' besser?
@Garret (« das album dürfte mittlerweile die leute genauso intressieren wie eine geplatzte tofuwurst im ostfriesischen Wattenmeer
...außer inno »):
Richtig. Liegt wohl daran, daß selbst die Leute, die mit dieser Mucke aufgewachsen sind, auf den Flow- und Reim-Trip gekommen sind, statt wie gewohnt den Sound, die Attitüde und die Texte zu feiern.
Frischer Sound, kein Gangstergehampel, keine ewig gleichen Wiederholungen von ewig ausgelutschten Negerklischees, kein totaler Ausverkauf und keine Pop-Hits fürs Fernsehen. Zumindest der Sound, die Instrumentals & Beats - dort wird deutscher Rap hingehen in nächster Zeit. Am Anfang will es nur wie immer keiner glauben