laut.de-Kritik
Der Rapper tritt jetzt aus dem Schatten seiner Brüder.
Review von Jan Ehrhardt"Badaboom, Badabang, Boateng!" Herzlich wilkommen auf BTNGs Debüt "Gewachsen Auf Beton". Mit diesem Album tritt George Boateng aus dem Schatten seiner Brüder Jérôme und Kevin-Prince, denn "dieser Name verpflichtet, Straße, Blitzlicht". Auch er fing als Fußballer an, spielte wie seine Brüder als Jugendlicher bei Hertha BSC Berlin. Jérôme und Kevin-Prince wurden anschließend Profis, George ging in den Knast. Acht Monate wegen Körperverletzung. Schlussendlich erkannte er seine Passion für Musik, Warner nahm ihn unter Vertrag, als BTNG releast er nun sein Erstlingswerk.
Klar, dass die ersten beiden Tracks für die eigene Vorstellung draufgehen. Erst einmal klarstellen, wer man ist und was man zu sagen hat. Inhaltlich versteht sich. Denn die verzerrten Samples, Synthesizer, trappigen Hi-Hats und knallenden Drums verleihen dem "Intro" und "BTNG" eine herrlich mystische Stimmung, zu der Boatengs Stimme ganz hervorragend passt. Neben den bereits erwähnten Zitaten knallt BTNG auch textlich feine Reimketten, durchdachte Wortreihen, wechselnde Schemata und zugegebenermaßen etwas größenwahnsinnige Vergleiche versiert über die Beats. Es macht wirklich Spaß dem Berliner zuzuhören: "Ich wusste es schon ewig, ich geb dir mein Wort. Bin zum Rapper geborn', George reimt sich auf Torch."
Zudem hält er sich auch mit derben Punches nicht zurück, auch wenn er sich ob seines Newcomerstatus' (etwas merkwürdig, angesichts seines Alters von 33 Jahren) richtig entschieden hat und persönliche Angriffe respektive konkrete Namensnennungen vermeidet: "Eins meiner Handys klingelt, Samsung, Apple oder HTC. Du hast keine Eier, meine Eier sind Fabergé.
Leider kann er dieses Niveau nicht lange aufrechterhalten. "Hier" ist seine Interpretation von Sidos "Astronaut", eine zweckdienliche Popnummer, für die Hot-Rotation komponiert. Das ist durchaus legitim, sorgt allerdings für einen kleinen Bruch im Hörvergnügen nach einem wirklich vielversprechenden Auftakt. Anschließend geht es ständig auf und ab: "Ghetto VIP" zu Beispiel knallt heftig, zudem erzählt George darauf definitiv keine Ammenmärchen. Er ist sicher 'mehr Ghetto' als so mancher selbst ernannte Straßenrapper. Aber weshalb KC Rebell als Featuregast dann die Plattform geboten wird, diesen vielversprechenden Track nach dem ersten Vers so richtig gegen die Wand zu fahren, das kann ich mir wirklich nicht erklären. "Ich komme mit George Boateng, im Porsche Cayenne drin." Heieiei.
BTNG legt mit "Gewachsen Auf Beton" ein Album vor, bei dem man nicht so richtig weiß, was man davon halten soll. Mal macht es richtig Laune ("Intro", "BTNG", "Käfigtier", "V12", "Wieder Nach Hause"), mal ist es eher so semi-gut ("Schattenbruder", "Kevlar", "Normal"). Nichts bringt diese Symbolik so gut auf den Punkt wie die beiden abschließenden Songs der LP: "Boa-Clan" kommt aggressiv und partytauglich um die Ecke, den Produzenten B-Case, Beatzarre und Djorkaeff sei Dank (auch wenn es klanglich einige Parallelen zu Haftis "Lass Die Affen Aus Dem Zoo" gibt). Hymnisch textet George eine Ode an die Familie und an deren Werte. Und dann gibt es da den letzten Track: "Zu Viel Erlebt". Irgendwie möchte ich diese Mischung aus Wunschtraum und Retroperspektive nicht so ganz erst nehmen. Irgendwie ist mir an dieser Stelle die gewählte Ghetto-Attitüde ein bisschen zu dick aufgetragen. Das BTNG angesichts der sanften Pianoklänge zudem noch etwas aus dem Takt gerät, sei ihm an dieser Stelle aber verziehen. Jedenfalls beendet er die Platte mit etwas so derart Halbgarem, dass sich jeder gebisslose Rentner wie ein kleines Kind darauf freuen würde.
Natürlich kommen auf "Gewachsen Auf Beton" über weite Strecken die klassischen Straßenrap-Symboliken zum Einsatz. 'Ich habe einen Traum' oder 'nur der Stärkere setzt sich durch' begleiten den Hörer über die gesamte Spielzeit der LP. Zuweilen setzt George Boateng aber diese Metaphorik erfrischend variantenreich und auf einem bemerkenswert hohen Niveau ein. Mit seinem Debüt hinterlässt er eine erste Duftmarke (nein es riecht nicht wie in der Kabine des FC Bayern) und stellt sein vorhandenes Talent unter Beweis. Wenn er sich musikalisch noch etwas genauer definiert und weiter an seinen Fähigkeiten arbeitet, wird er in Zukunft sicher nicht mehr nur wegen seines Nachnamens beachtet werden. "Diamanten entstehen unter Druck", meint er über sich selbst. Geschliffen und poliert ist er noch lange nicht. Aber ein Rohdiamant ist BTNG ganz bestimmt.
2 Kommentare
ballert gut, Straßenmukke at its finest!
..und persönliche Angriffe restriktive konkrete Namensnennungen vermeidet.. ey guter deutsch man