laut.de-Kritik
Die Hitmaschine läuft wie geschmiert!
Review von Jan HassenpflugEine beneidenswerte Gabe besteht darin, ohne jede Anstrengung zündende Melodien aus dem Hut zu zaubern. Simpel, aber nicht belanglos dürfen sie sein. Gespickt mit starken Emotionen, authentisch, aber bloß nicht zu krampfhaft haben Hooks die besten Chancen, etwas loszutreten. Zum wiederholten Mal stellen Beartooth ein unverschämt gutes Gespür für die richtige Dosis unter Beweis.
Vorab die Frage aller Fragen: Haben die Amerikaner nach "Below" an ihrem Demotape-Sound geschraubt? Naja, zumindest leicht verbessert, differenzierter und besser aufeinander abgestimmt fügen sich Gesang und Instrumentals zusammen. Dazu rummst es sogar verhalten, wenn der Breakdown kickt. In diesem Punkt hat sich der Wechsel zu Red Bull Records also gelohnt. Ob das markengetriebene Label ansonsten einen Push fürs Image bedeutet? I doubt it.
Die Produktion bleibt für Beartooth allenfalls ein nettes Upgrade, auf das Caleb Shomo und seine Mannen nach wie vor nicht angewiesen sind. Im Fokus steht das Songwriting und damit die Suche nach hymnenhaften Refrains, die alle Geschmäcker mitreißen. Solange das funktioniert, braucht es schlicht keine Hochglanz-Produktion. Im Gegenteil, verhilft das zurückgefahrene Setting Shomos Stimmgewalt nur noch mehr zum Leuchten. Auffällig thront sein Organ über dem instrumentalen Fundament.
Auf den Spaßfaktor hat all das keine Auswirkungen. Egal ob poppig oder dreckig: Beartooth vereinen Melodie und Härte komplett ohne Peinlichkeiten. Zwischen beiden Extremen durchlebt "The Surface" verschiedene Phasen. Der Titeltrack eröffnet wild und dürfte ebenso wie das folgende "Riptide" mit geballter Faust und beschwingten Melodien große Hallen zum Ausflippen bringen. Gesanglich findet Shomo immer wieder leichte harmonische Varianzen, um gar nicht erst in Wiederholungen zu verfallen.
Gut vorstellbar, wie zu "Doubt Me" ein ganzes Stadion auf Kommando die Hookline mitgrölt. Auf Stadionrock folgt Highschool-Pop. Was klingt wie ein Höllentrip, entwickelt sich von "The Better Me" über "Might Love Myself" bis hin zu "Sunshine" glatt zu einem belebenden Ausflug. Es grenzt an Zauberei, dass sich diese durchsichtigen Versuche, Selbstliebe zu entfesseln, kein bisschen anbiedernd anfühlen.
Allen voran garantiert eine geschickte Laut-Leise-Dynamik immer die nötige Contenance. Überraschend fährt "Sunshine" zum Beispiel auf ein akustisches Vorspiel runter, bevor wieder die gesamte Kapelle einstimmt. Auch in die andere Richtung wirken Kontrapunkte einem Einheitsbrei entgegen. Soll heißen, jeder Anflug von Boyband-Kitsch wird wahlweise von bratenden Gitarren, abtrünnigen Shouts oder headbangenden Rhythmen abgegrätscht.
Derweil steht der sentimentale Höhepunkt noch aus. Zu "Look The Other Way" glühen endgültig die Feuerzeuge. So simpel und so wunderbar unprätentiös drückt sogar die Ballade authentisch auf die Tränendrüse. An dieser Herausforderung haben sich schon andere verhoben. Rund um die großen Emotionen rühren "What Are You Waiting For" und "What's Killing You" für einen kurzen Moment den Mosh Pit an bis versöhnliche Oh Oh-Chöre den Mob wieder beruhigen. Genauso unverkopft lässt "I Was Alive" zum Finale sämtliche Stilblüten Revue passieren.
Als hätten sie noch was klarzustellen, machen Beartooth hinten raus keine Anstalten, ihre Post Hardcore-Wurzeln inmitten der poppigen Melodien zu verleugnen. Damit gelingt es dem Quintett tatsächlich, die eigene Identität zu sichern und ganz nebenbei, viele Menschen mit unterschiedlichen Vorlieben glücklich zu machen. Oben drauf präsentiert sich Shomo als Energiebündel und Menschenfänger in Bestform. Gute Kombi!
1 Kommentar
Geiles Album von einer wie ich finde geilen Band. Freue mich auf das Konzert in Berlin nächstes Jahr und hoffe die hauen auch live ordentlich einen raus.