24. Januar 2011

"Wir sind keine Millionäre!"

Interview geführt von

An einem klirrend kalten Dezembertag halten die Beatsteaks Hof in München. Im Hotel, in dessen Foyer vor einigen Jahren Liam Gallagher ordentlich eins auf die Mütze bekam, unterhalte ich mich mit den äußerst gesprächigen Beatschnitzeln Bernd und Torsten.Zuvor gabs noch das neue Album betitelt "Boombox" aufs Ohr, das nach dem ersten Durchlauf ordentlich Lust auf mehr macht. Mindestens genauso gut gelaunt fand ich auch meine Gesprächspartner im Nebenzimmer vor. Nach ersten geographischen Einordnungen (ein Österreicher interviewt für eine Konstanzer Redaktion zwei Berliner in München) steht einem lockeren Gespräch nichts mehr im Weg.

"Boombox" erscheint am 28. Januar. Mal vorweg: Wie wurde der Titel eigentlich ausgeknobelt?

Bernd: Das ist eine ganz einfache Geschichte. Wir haben immer so riesige Zettel bei uns im Proberaum hängen, da schreibt dann jeder seine Wünsche drauf. Ich komm jedes Jahr mit demselben Vorschlag an, der wird aber nie genommen. Das ist dann ein Sammelsurium von Worten, Wortspielen, halben Sätzen, ganzen Sätzen, totaler Quatsch meistens.

Ich glaube, Peter hat dann irgendwann ganz klein "Boombox" drauf geschrieben, auch nicht in der Erwartung, dass sich irgendjemand dafür interessieren wird. Es entspricht auch genau dem, was wir gerade machen. fünf Leute in ner Box, und die macht boom, ne? Außerdem hören wir uns die Roughmixe, die ja täglich reinkommen, auf einer Boombox ab, also auf so einem kleinen Ghettoblaster. Das ist so eine Referenzabhöre für uns, wenn es da gut klingt, funktionierts auf jeder beschissenen Anlage der Welt.

Die Arbeiten am Album wurden ja gerade erst abgeschlossen, ihr seid sicher noch nah dran am Material?

Torsten: Ja, man will noch nicht so richtig loslassen (gähnt) Entschuldigung, ick musste um Sechs aufstehen.

Radiotermine?

Torsten: Gleich mehrmals. Rock-Antenne, Energy, alles mitgenommen. Die Promonutten sind am Start! (lacht und klatscht Bernd aufs Bein)

Bernd: Das war dir jetzt ein Bedürfnis, oder wat?

Torsten: Ja, wenn ich die anderen drei nicht habe (lacht)

Obwohl es vielleicht noch schwer ist, "Boombox" aus der Distanz zu betrachten: Wie wird sich dieses Album in den restlichen Beatsteaks-Katalog einfügen?

Torsten: Ich hoffe, dass es so ein bisschen das Kompott aus allen ist. Ich finde, dass wir auf der Platte sehr konsequent für den Song gegangen sind. Waren bei der letzten Platte vielleicht zwei, drei Songs in einem drin, haben wir es bei dieser Platte konsequenter durchgezogen. Die Sachen sind beim ersten Hören vielleicht ein bisschen poppiger und eingängiger, sind aber in sich relativ vielschichtig.

Wir haben uns um jeden Scheiß-Ton, um jeden Abschlag, um jeden Takt, Einzähler so einen Kopf gemacht, dass es eine relativ konsequente Platte geworden ist. Auch mit dem Sound, der da jetzt mit unserem Mixer Nick Launay gewählt wurde, ist es alles sehr konsequent, find ich.

Mir kam es auch so vor, als sei es kein Album, das man beim ersten Mal komplett entschlüsselt. Es ist eher eine Platte, der man auch nach einiger Zeit neue Facetten abgewinnen kann.

Bernd: Das ist super!

Torsten: Dankeschön, das kannste genau so abdrucken! (lacht)

Bernd: Das sag ich eigentlich bei jeder Platte, dass es hoffentlich so ein Album ist, denn das sind für mich die besten Platten, die gemacht wurden. Solche, die sich nicht beim ersten Zuhören von vorn bis hinten erschließen, sondern eine größere Halbwertszeit haben als ein paar Wochen. Sonst hörst du es drei Wochen und dir hängts zum Hals raus. Wenn du das so siehst, freuts uns ungemein!

Der Aufnahmeprozess war ja etwas anders. Ihr habt nicht in einem großen Studio mit vielen Technikern und großen Produzenten aufgenommen, sondern das Ding im Do It Yourself-Modus gemacht, oder?

Torsten: Letztendlich schon, ja.

Bernd: Die Idee war eigentlich eine ganz andere. Wir haben Anfang 2010 einen Song gehabt, der möglicherweise auf einem Soundtrack landen sollte, hat aber leider nicht funktioniert. Gott sei Dank - aus unserer Sicht jetzt. Aber zu dem Zweck waren wir im Studio und haben den Song und zwei Coverversionen aufgenommen. Und da hat schon niemand die Arme hochgerissen, nach dem Motto "Wie geil ist das denn?!". Der Funke, der sonst immer im Proberaum da ist, wenn wir zu fünft irgendwas losballern, wollte einfach nicht überspringen.

Für welchen Film wäre dieser Soundtrack-Beitrag denn gewesen?

Torsten: Ähm, nun ja, räusper. Das tut hier nichts zur Sache. (lacht) Es wäre ein Teenage-Blockbuster gewesen, zu dem uns die Plattenfirma fast gekriegt hätte. Aber weils nicht passiert, gibts dazu auch nicht mehr zu sagen.

Bernd: Jedenfalls kamen wir aus dieser Session wieder raus, und Arnim sollte bei unserem Haus- und Hofproduzenten (Moses Schneider Anm. d. Red.) im Studio singen, hatte aber überhaupt keinen Bock mehr auf die Gesangskabine und das alles. So ein kleiner Raum mit Lampe, Tür zu und dann biste ganze allein drin. Also kam der Vorschlag, im Proberaum zu singen. Das war der Einstieg in die Geschichte.

Dann sagten wir zur Plattenfirma: Ihr wollt die Platte bezahlen, gebt uns die ganze Kohle, wir stellen uns das Zeug hier rein, und dann haben wir einfach im Proberaum aufgenommen. Und das hat sich einfach viel, viel besser angefühlt als alles, was wir vorher gemacht haben.

Die normale Studioarbeit ist schon ein komischer Prozess. Sobald du da stehst und die rote Lampe angeht, ist Aufnehmen zu einem Kopfding geworden. Du hast nicht mehr aus dem Bauch heraus spielen können. Und im Proberaum ist das Band einfach mitgelaufen, ob es später verwertet wurde oder nicht. Weil Zeit keine Rolle mehr spielt, hast du unermesslich viel machen können, warst nicht mehr gebunden, das hat den Kopf freigemacht. Und du hast mit dem Bauch arbeiten können, das hört man den Sachen einfach an. Daher kam wahrscheinlich auch die Konsequenz, sich auch wirklich auf den Song selbst zu konzentrieren.

War jetzt das große Studio schuld am schlechten Vibe ...

Bernd: Es war eher die allgemeine Situation im Studio.

... oder auch das Zusammenfinden nach einjähriger Pause?

Torsten: Mag schon sein.

Bernd: Das hat natürlich eine Rolle gespielt. Für den Coversong haben wir zuerst drei Tage lang den Drumsound gecheckt, in welcher Ecke des Studios der Trümmerhaufen am besten klingt. Die anderen saßen halt rum und haben drei Tage gewartet, bevor sie den ersten Ton spielen konnten. Und selbst dann war es noch immer eine Frage des richtigen Sounds.

Ein ständiges Hin und Her, bei dem man sich nicht auf das konzentrieren konnte, was man eigentlich machen wollte. Und das hat dem ganzen Konzept, warum wir wieder miteinander Musik machen, widersprochen. Deshalb haben wir gesagt, wir machens im Proberaum.

Wurden so also die Sounds und das Klangbild am Anfang eher in den Hintergrund gestellt, um sich aufs Songwriting zu konzentrieren?

Bernd: Nicht wirklich, weil wir uns immer sicher waren, dass es knallt wenn wir fünf im Proberaum zusammen loslegen. Dann machts Boom - und es ist ein echtes Gewitter.

Torsten: Wir hatten ja sogar ein Problem damit im Studio, ähm ...

Den Sound zu reproduzieren?

Torsten: Ja genau.

Bernd: Wir habens einfach nicht hinbekommen!

Torsten: Man hat ja die Vorstellung, wie es zu klingen hat. Und dann steht man da, und die Snare klingt so, dann muss der Bass so klingen, dann braucht die Gitarre aber noch nen Effekt, und irgendwann hast du ein Konstrukt, das irgendwie klang, aber niemandem gefiel. Dann stellte jeder seinen Sound so ein, wie er es für richtig hielt. Denn soviel Selbstbewusstsein hat man schon nach 13, 14, 15 Jahren Bandgeschichte. Und dann klangs auch wieder gut.

Wir versuchten immer mit der Vorproduktion das Demo zu toppen und dann im Studio die Vorproduktion nachzuspielen. Und warum macht man das eigentlich? Wenn man ein Demo hat, das einen flasht, sind zwar vielleicht Verspieler drin. Aber der Sound und die Herangehensweise an den Song hat ja schon Hand und Fuß. Und warum soll ich ihn dann im Studio ganz anders hindrehen, bloß um das nachzubauen?

Bernd: Und wir wussten, dass wir zum Spielen einfach dieses Spielgefühl brauchen. Um was wirklich vernünftiges abzuliefern, brauchen wir dieses Gefühl: Wir stehen da in unserem Proberaum und spielen diesen Song.

"Back In Black" und "Reign In Blood" sind auch nur 30 Minuten lang

Das Album ist wieder recht kurz, wie die Vorgänger nur eine knappe halbe Stunde. Passiert das bewusst so oder war einfach nicht mehr drin?

Bernd: Das ergibt sich. Wir hatten ja ne Tonne, wir hatten über 40 Ideen für Songs, konnten uns dann schlussendlich auf elf einigen. Wir hätten sicherlich auch mehr machen können, dann wären wir noch lange nicht fertig. Wir wollten es dann auch auf den Punkt bringen. Das ist eine Momentaufnahme. Wir suchen uns die besten Sachen raus und machen die fertig. Ob das Album dann zwei Stunden oder zwanzig Minuten dauert, darf dabei keine Rolle spielen. Mehr muss man in den 30 Minuten auch nicht wirklich sagen.

Torsten: 20 Minuten wäre ein bisschen kurz, find ich.

Bernd: Ja, schon klar.

Torsten: Es wär natürlich toll gewesen mit zwei, drei Songs mehr. Aber irgendwann lässt auch die Aufmerksamkeit nach. Zwölf Songs wären vielleicht ganz cool gewesen. Aber "Back In Black" und "Reign In Blood" sind auch nur knappe 30 Minuten lang und haben noch weniger Songs drauf. Und irgendwie kriegen wirs auch nicht anders hin. Die Platte ist zumindest länger als "Smack Smash".

Also keine Pläne für ein Beatsteaks-Doppelalbum, so Rockoper-mäßig?

Torsten: Also erst dachte ich am Anfang bei den ganzen Demos: Krass, da könnte mehr drin sein. Aber da es immer sooooo lange dauert, bis dann jeder seinen Senf dazugegeben hat und alle anderen das alles nachvollziehen können und abnicken, da bleibt dann einfach nicht mehr Zeit. Doppelalbum ist bei uns komplette Utopie. Ich hab ja nicht soviele Doppelalben, die ich total geil finde. Ich kann mich nur noch an dieses Chili Peppers-Album erinnern, das ich total Käse finde. Livealben, gut Kiss mit "Alive" ...

Bernd: Unser Doppelalbum ist ja schon längst fertig. Na, unser Livealbum!

Torsten: Stimmt, "Kanonen Auf Spatzen" ist ein Doppelalbum. Und dafür haben wir halt fünf Alben gebraucht. Warum soll mans dann mit jedem Album machen?

Bernd: Und dann freust du dich über die beiden Seiten, die großen Hallen und die Clubgeschichten. Und du freust dich soundmäßig schon auf die Unterschiede. Bei einem normalen Album, z.B. wenn du hier die aggresive Seite und dann die ruhigere Seite hast und so, das ist nichts. 30 Minuten ist die korrekte Länge, um mich voll und ganz konzentriert auf ein Album einzuschießen. Wenns länger wird, lässt die Konzentration nach, und dann schenkt man den hinteren Songs eben nicht mehr die Bedeutung, die sie verdienen. Und das ist ja albern. Deswegen, so gehts.

Vor allem weil "Boombox" ja doch recht abwechslungsreich geworden ist. Gleich zweimal gibts sogar klassische Reggae-Rhythmen. Wie kams?

Torsten: Ja, das ist dann doch zweimal passiert. Sonst haben wir immer mal versucht, es bei einem Mal zu belassen. Aber "Let's See" war wirklich ein Reggae-Song so richtig mit Ansage. Da haben wir total viel Trojan-Reggae gehört und am Wochenende Boots & Braces-mäßig Skinhead-Outfits angezogen und so weiter, fürs Feeling.

Und "Automatic" hat sich so ergeben, der war am Anfang in Thomas' Idee gar nicht vorhanden, auch in den ersten Jams gabs den noch nicht. Wies so ist, kam halt auf einmal dieser Offbeat-Rhythmus rein und wir blieben dabei.

"Automatic" folgt ja auf den kompletten musikalischen Gegensatz "Behaviour", dieses von Bernd gesungen Punk-Intermezzo.

Bernd: Intermezzel! Genau, das ist aber nur eine von vielen Farben auf der Platte, die total wichtig sind. Peter singt ja auch einen Track, Thomas sang auf der letzten Platte einen Refrain. Das bei "Behaviour" hätte nicht mal ich singen müssen, das hätte auch er (Torsten) brüllen können. Aber wenn ich jetzt der Konsument der Platte bin, je mehr Farben mir die Platte bietet, auch stimmlich, desto spannender und interessanter wird für mich die Sache.

Läuft es dann so ab: Es ist dein Song, und den singst auch du?

Bernd: Hier war es zufällig so, ja. Aber das ist ja auch kein Gesetz. Kann auch sein, dass Thomas mal mit 'nem Demo ankommt und mich bittet, da drüber zu brüllen. Ja, gerne!

Torsten: Bernd hat halt das große Glück oder Pech, je nachdem, dass er die Stimme für diese schnellen Punkrock-Sachen hat. Wenn ich das machen würde, wär man immer schnell bei so einem stumpfen Rumgebrülle, und Bernd hat einfach die geile Stimme dafür. Das klingt dann halt nie stumpf oder blöd, dat klingt jut!

Bernd: Dankeschön!

Torsten: Jaja, du. Wir sollten mal 'n Konzert machen, nur mit Liedern, die du singst.

Bernd: Hat ich schon mal ne Idee dafür. Lass uns mal so ne Hardcore-Runde machen. Alle vier Teile gespielt, zack, und wieder weg.

Torsten: Ist doch total geil, wenn man alle vier Bretter am Start hat. Wenn wir dann vollends im Pop-Mainstream angekommen sind, dann ballern wir bei Top of the Pops mal diese Dinger raus. (lacht)

Fünf Minuten, vier Songs! Punk! Mal was anderes: Die Single und zuerst nur die Veröffentlichung der Noten samt Aussicht, mit einer eigenen Version auf der offiziellen Single zu landen. Von wem ging die Sache aus?

Torsten: Ich habs jetzt so oft gesagt, dass das leider nicht unsere Idee war. Aber jetzt, laut.de sind die ersten, die die Wahrheit erfanden: Das war ganz allein unsere Idee. (grinst) Sorry, eine SMS.

Bernd: Nee, das war der Fabian von der Plattenfirma.

Torsten: Genau, Fabian, unser Plattenfirmen-Fuzzie ...

Bernd: Product Manager!

Torsten: Produktmanager, genau. Frag mich nicht, was der zu tun hat. Der denkt sich halt immer tolle Sachen aus, und da hat er echt ins Schwarze getroffen. Beim Duschen hatte er offenbar diese Idee, der hat bestimmt ... naja. Er hatte die Idee ausgearbeitet, war haben dem Ganzen dann so gut es geht unseren Stempel aufgedrückt, aber es war natürlich seine Idee.

Die Reaktion darauf war ja ...

Torsten: Totale Bombe! Wir ärgern uns fast, dass wir mit der Aktion, zeitlich bedingt natürlich, nicht früher rausgegangen sind. Mit einer Woche mehr wäre sicher noch mehr schneeballmäßig abgegangen. Am Ende waren über 200 Versionen am Start, unser Gästebuch ging über mit Einsendungen und Youtube-Links.

Bernd: Klasse war auch, als nach dem Ende der Aktion bestimmt 50, 60 Einträge im Gästebuch waren, die es nicht mehr geschafft haben. Also da wär noch Einiges drin gewesen.

Torsten: Glaub ich auch. Also ich fand die Idee super, auch das Notenblatt. Das sollte so aussehen wie diese Beatles-Notenbücher. Alles in allem wars eine krasse, geile Aktion. Ich glaube nur, dass irgendwann eine Band wie U2 oder so daherkommt und das nochmal macht. Aber so fett, dass es in der Tagesschau landet. Dann sind nämlich die diejenigen, die es erfunden haben. Und wir nur die kleinen Nappel aus Berlin.

Bernd: Deswegen sollte man all diese Sachen auch irgendwie speichern und dann ...

Torsten: Verklagen! (lacht)

Bernd: ... denen damit eine vorn Latz knallen!

Und ihr habt euch wirklich jeden einzelnen Beitrag angehört?

Torsten: Ja, also ich hab fast alle gesehen. Thomas und Arnim waren zu der Zeit ja in L.A. beim Mischen, und Nick Launay wollte jeden Morgen die neueste Coverversion hören. Das war für ihn der Startschuss zum Tag. Und Abends beim Skypen haben wir uns dann über diese Sachen ausgetauscht. Und irgendwann haben sich dann zwei herauskristallisiert, die jetzt auf die Single kommen.

Sind recht witzige Beiträge dabei, besonders der im indisch-englischen Akzent.

Torsten: Ja, das ist cool, oder?

Lustig! Klingt nach Apu von den Simpsons!

Torsten! Genau, wie heißt der? A-P-U? Das hab ich mir grad letztens überlegt.

Bandauflösen? Totaler Quatsch!

Sind solche Promo-Stunts nötig? Muss man Fans heutzutage mehr Interaktion bieten, reicht die Musik allein vielleicht nicht mehr aus?

Torsten: Also die Musik sollte schon für sich stehen. Und sobald wir unseren normalen Job machen, nämlich live spielen, ist für mich erst mal nichts anderes nötig. Da erreichen wir eine Menge Leute. Nur die, die jetzt Konzertkarten haben, sind ja schon so halbwegs überzeugt von der Band. Und irgendwie sind wir halt noch ne Nischenband. Klar kennen uns viele Leute, aber es ist halt noch ein Unterschied zu den großen Bands in Deutschland, Ärzte, Hosen, Rammstein.

Keiner von uns will zwanghaft dahinkommen. Und wenn die Plattenfirma mit lahmen Promo-Moves daher kommen, sind es auch wir, vor allem Bernd oder Thomas, die sagen: "Wir haben keinen Bock drauf". Wenn die Ideen aber cool sind, man die Sicht nicht verliert und dabei noch was für den Song tun kann, dann kann man das ruhig machen.

Und natürlich hat sich diese Situation komplett verändert. Die Leute warten nicht mehr händeringend vorm Plattenladen, um in der Früh reinzurennen. Die kucken im Netz, und sobalds den Song irgendwo gibt, wird der runtergezogen und dann hastn halt. Wenn du aber die Möglichkeit hast, einen Song zu promoten, den es eigentlich noch nicht gibt, ist das schon saucool. Du musst nicht befürchten, dass sich alle den Song schon aus dem Netz saugen, ohne dass vielleicht ein paar dafür bezahlen, weil das ist leider nun mal so und dann verdienst du leider gar kein Geld.

Somit sind dann auch mittlerweile 250 Covers von "Milk & Honey" im Netz zu finden. Ihr selber seit ja auch fleißig am Covern, auf B-Seiten und auf der Bühne. Nach welchen Kriterien wählt ihr die Vorlagen aus?

Bernd: Es ist zunächst mal ein Tribute an diejenige Band, die wir meistens auch alle gut finden. Also alle fünf müssen sich irgendwie drauf einigen können, und es muss einfach auch ein guter Song sein. Und eigentlich soll das Ergebnis möglichst weit weg vom Original sein, dann machts erst richtig Spass. Da kann jeder mit irgendwas daher kommen. Thomas kam auch schon mit ganz kruden Dingern an, die dann einfach Spass machten.

Torsten: Man lernt auch ne ganze Menge bei Coversongs, wie die funktionieren. Ein Sonics-Stück ist jetzt nicht besonders kompliziert, oder Undertones - "Teenage Kicks", aber der ist halt laut - wie heißt er?

Bernd: John Peel.

Torsten: Genau, der sagte ja, das sei der beste Song der Welt. Da muss ja was dran sein. Und das ist dann interessant. Manchmal ist es auch schwer, bei uns die Songs einigermaßen funktionierend zu machen. Aber wenn wir Sonics covern, Nirvana, Oasis, Beastie Boys, das finden wir alle gut. Wenn wir jetzt Slade covern, dann tue ich mich am Anfang schwer, weil die Band auch nicht auf meiner Agenda steht. Ich glaube aber, es sind immer Songs, die so gut sind, dass es sich lohnt.

Stichwort Slade, das ist der Weihnachtssong. Nachdem jede zweite Band zurzeit eine Weihnachtssingle rausgehauen hat, hätte ich heute auch eine Frage zur möglichen Beatsteaks-Weihnachtssong gestellt. Und dann auf dem Weg zu diesem Interview läuft tatsächlich ein Beatsteaks-Weihnachtslied im Radio.

Torsten: Was soll die Scheiße, fragst du dich dann, oder? (lacht)

Bernd: Wir hatten ja für die kommende Single auch schon nach Coverversionen gesucht. Eine wird drauf sein, das ist "Head On" von Jesus And The Mary Chain und dann suchten wir krampfhaft noch einem zweiten Song. Dann kam auch die Anfrage für irgendeine Weihnachtsgeschichte für iTunes und dann schlug Arnim Slade vor. Und das hatte einfach Hand und Fuß, das konnte man machen.

Die Dame von der Plattenfirma kommt rein und weist auf die fortgeschrittene Zeit hin. Deine-Mutter-Witze werden ausgetauscht, die Band zieht den Kürzeren, verhält sich ruhig, das Interview geht weiter.

Im Juni habt ihr ja eine kurze, harte Tour gespielt..

Torsten: Mhm.

Bernd: Ach, so hart war die gar nicht, die war super! Nach der Wiederfindungsphase im Probraum mit Demoshören, Songbasteleien usw. war das eine willkommene Abwechslung, um zu merken, um was es eigentlich geht. Das Aufgenommene musst du ja irgendwann live auf einer Bühne spielen. Worum gehts denn beim Livespielen? Dass du die Leute einfach umhaust! Daher war es die absolut richtige Entscheidung, damals raus und kurz auf Tour zu gehen. Und mit dem Livevibe an den ganzen Sachen dann wieder weiterarbeiten. Perfekter Plan!

Torsten: Und wir hätten auch wieder arbeiten gehen müssen, im Übrigen. Irgendwo muss man natürlich auch sein Geld verdienen, wenn du zwei Jahre lang nichts machst und davor in Argentinien bist, wo du nur tausende von Euros hinschleppst und nichts wiederbekommst. Wir sind halt weit davon entfernt, irgendwelche Platten- oder Auftrittsmillionäre zu sein.

Das ist eine hart arbeitende Band, die sich trotzdem irgendwie bezahlen sollte. Wir haben alle Familie und müssen auch irgendwo wohnen. Und deswegen war es auch wichtig, zu sagen: "Wir brauchen diese Freiheit, lass uns Konzerte spielen." Das darf man nicht vergessen. Alle denken natürlich, uns gehts ja wahnsinnig toll, nur Hotels und so.

Bernd: Und die Tour ist ja super gelaufen. Das war eine Bestätigung für uns, dass die Leute es immer total toll fanden, obwohl wir weg waren.

Torsten: Wir waren einmal in Dresden, da gings total ab. Dann waren wir auch in Polen und so, querbeet, ganz Europa. Und alles war ausverkauft, bis auf das Konzert in Polen. Jedes Konzert hatte was und alles war total fett, auf jeden Fall.

Also war die Tour sehr wichtig für die Band und auch für das Zustandekommen des Albums. War die vorangehende Pause auch so wichtig?

Torsten: Ohja.

Bernd: Die war extrem notwendig, weil wir die Zeit davor nur damit beschäftigt waren, Platten zu machen und auf Tour zu gehen.

Torsten: Zehn Jahre lang. Wir haben nie wirklich eine richtige Pause gemacht. Urlaub gabs, wenn überhaupt, mal.

Bernd: Ja, aber nie bewusst. Du warst mit dem Kopf noch bei der Arbeit und hast auch nicht abschalten können. Dann konntest du dich um die Belange abseits der Band, die jeder noch hat, kaum noch kümmern - Familie und so. Wir haben jetzt drei Familienväter in der Band. Da willst und musst du ja auch mal nach Hause. Geht ja auch nicht anders. Wenn dein Kind zu dir Onkel sagt, dann wirds schwierig.

Außerdem waren wir nach "Limbo" und "Kanonen Auf Spatzen" irgendwie durch. Das war alles so groß, da haben wir die Wuhlheide gespielt, waren dann in Argentinien. Dann kamen wir zurück und meinten so, jetzt hätten wir erst mal alles getan und gesagt.

Torsten: Das war dann wie ein Strich darunter, irgendwie.

Bernd: Und wenn wir an dem Punkt im selben Tempo weitermachen, was wird dann passieren? Wie wird es sich entwickeln? Werden wir alle Fachidioten, die nicht mehr wissen, wie Einkaufen oder Schuheputzen geht? Deshalb war die Pause auch ganz wichtig, um mal wieder wegzukommen von dem, was man die ganze Zeit macht. Um zu merken, was man daran eigentlich liebt.

Stand es mal zur Debatte, die Band aufzulösen?

Bernd: Nee.

Torsten: Nee, so direkt nicht. Man hatte schon ein bisschen Bammel. Da war ich wahrscheinlich der Einzige in der Band, ich dachte mir schon ab und zu so: Echt krass, hoffentlich kriegen wir wieder alle Fünf zum gleichen Zeitpunkt ins Boot. Und das hat dann auch nicht lang gedauert. Denn was soll ich denn sonst machen? Was sollen denn die anderen machen? Das ist doch Quatsch. Bandauflösen ist totaler Quatsch.

Bernd: Stimmt schon. Wir waren nicht alle sofort zur selben Zeit dabei, aber irgendwann waren wir wieder im selben Boot. Der eine hat etwas länger gebraucht, der eine war etwas schneller wieder dabei. Letztendlich war es eine Sache von zwei, drei Monaten, dann waren wir alle wieder an Bord.

Torsten: Man muss halt dann wieder schnell anfangen, zu funktionieren. Weil sonst kann es passieren, dass man den Grip verliert oder den Bezug zu den anderen. Ich glaube, Pausen sind echt wichtig. Von den ganzen Bands, die schon lange in gleicher Besetzung existieren, hörst du mal ein, zwei Jahre gar nix mehr. Ärzte, bestes Beispiel. Der eine heißt sogar nach Pause, also der macht immer seine Urlaubsjahre.

Rolling Stones ... ich will mich jetzt nicht mit den Bands vergleichen von der Größe her. Aber Bands, die seit zehn, 20 Jahren Musik machen, funktionieren deshalb, weil da auch eine gewisse Distanz da ist. Man hat sich nicht gehasst, aber wir haben uns privat wieder auf Kindergeburtstagen gesehen, und das war cooler, als auf einem Konzert auf ein Bier zu gehen.

Labeldame kommt wieder rein, gewährt noch eine allerletzte Frage.

Okay: In der Single heißt es "the cool cats i adore". Auf welche Bands fährt ihr zur Zeit ab?

Torsten an Bernd: Schnell jetzt!

Bernd: Zu viele um sie alle aufzuzählen.

Torsten: Jetzt momentan, oh Gott... Turbostaat haben eine super Platte gemacht letztes Jahr, ich find die "Blakroc"-Platte super von den Black Keys. Johnossi ist eine super Band.

Bernd: Ich find die letzte Interpol ganz geil.

Torsten: Bass Sultan Hengzt hat ne super EP gemacht, das ist totale Bombe!

Bernd: Underworld - super Album. Trentemöller hat ne super Scheibe gerade gemacht.

Torsten: Bratze find ich super, BoysNoize find ich voll gut, Crookers, Major Lazer, Jamie T. hat ne super Platte gemacht.

Bernd: Ich freue mich auf die neue Killing Joke, die bald kommen soll.

Torsten: Natürlich die Klassiker: Beastie Boys, AC/DC blablabla. Und die neue Kanye West ist der Hammer. Saugroßartig, die Platte!

Bernd: Totaler Mist! (lacht)

Torsten: Wir mussten sie für ein Magazin besprechen - ich Daumen hoch, er Daumen runter. Aber ich bin echt glücklich, dass der eine ernstzunehmende Platte abgeliefert hat!

Seh ich auch so. Bevor ich hier an den Haaren rausgezogen werde, vielen Dank fürs Gespräch!

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