Bernd Begemann & Die Befreiung - " Ich Erkläre Diese Krise Für Beendet"

Mädchenversteher besitzen einen entscheidenden Trumpf im großen Verschwärmtheitsspiel. Das weiß Bernd Begemann genau, und er spielt dieses Ass auf seinem neuen Album kunstvoll und mit viel Schalk im Nacken aus.

Zum Beispiel mit dieser wunderbaren Prä-Sixties und Remember-Extrabreit-Hymne "Die Neuen Mädchen Sind Da". Die kleinen Mädchen aus den Vorstadtstraßen tragen nicht mehr Nasenringe aus Phosphor, nein, denn: "Die neuen Mädchen sind da / und mit Stadtplänen im Haar". Und sie haben eine Menge vor, auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Durchaus doppeldeutig gestaltet sich der Text – kann man ihn auch als süffisante Beobachtung des grassierenden Model- und Rampenlichtwahns verstehen: "Sie sind so kurz, die hübschen Jahre / man darf sich nicht verstecken / in unbeleuchteten Ecken".

Doch zunächst eröffnet so sentimental wie melodieselig der kräftige Sixties-Poprocker "Zurück An den Wundervollen Ort". "Du Bist Mein Niveau" rotzt ziemlich rüde, ehe "Sie Redet Revolution" den sechziger Jahren einen weiteren Besuch abstattet. "Ich Erkläre Diese Krise Für Beendet" rüttelt auf: Ein Hoffnung machendes Statement, auf das unser Land so lange gewartet hat? Oder meint Bernd damit den abgelaufenen, drögen Wahlkampf?

Ein sanftes Piano bietet auf "Weil Deine Liebe Mich Führt" zunächst Entspannung, bevor Bernd Begemann & Die Befreiung den sektseligen Lovesong als geglückte Mixtur aus Ballade und Pop mit einer Prise Rock interpretieren. Als beinharter Rocker kommt "Danke Für Den Schmerz".

Schnoddrige Soul- und Funk-Anklänge durchtränken die nächste prägnante Headline "Ich Identifiziere Mich Nicht Mit Der Firmenphilosophie". Leicht spinnert groovt und funkt der Künstler gegen die penetrante Vereinnahmung durch Firmenbosse: "Kann ich nicht meine Arbeit tun / und sie lassen mich in Ruhe?".

Ruppig und rau geht es öfter zur Sache, doch nie verliert Begemann den Pop aus den Augen. Da leuchten kräftige Farben und wohlgetupfte Aquarelle, wilde Stilritte galoppieren ums Eck, und doch geht es immer nur darum: den Treffer mitten ins Herz. Da ist er Bruder im Geiste mit dem wunderbaren Rocko Schamoni.

Der Begriff Progrock ist für "Exfreundin In Berlin" sicher etwas zu hoch gegriffen, aber wie Begemann hier zur Krautrock/Psychedelik-Tüte greift, hat schon was Verwegenes. Er kennt schließlich seine Grenzen: "Ich war schon immer zu hübsch für den Tresen / zu hässlich für die Kameras".

Und noch mal beweist Begemann sein ganzes großes Einfühlungsvermögen für heranwachsende Mädchenherzen. Er weiß offensichtlich, was die Girls wollen, denn "Sie gehört den Sternen / sie will leuchten / sie will lernen" heißt es im Refrain über eine verträumte, selbstbewusste Sternguckerin, die sich statt in Jungs lieber in Weltraumatlanten vergräbt. Peter Maffay-"Josie"-Touch inklusive, nur eben Begemann und viel schöner.

Denn für alle Mädchen der Republik hält er zum Schluss eine unwiderstehliche Weisheit parat: "Ihr seid das Resultat davon / dass Gott die Welt geliebt hat".