laut.de-Kritik
Die Göttliche singt Girlband-Hits: zeitlos!
Review von Artur SchulzDas neue Jahr ist noch gar nicht richtig warm, da liegt auch schon das erste Cover-Album im Player. Wieder einmal alter Gammel, leidlich aufgehübscht, und im Resultat jenseits von Gut und Böse? Mitnichten! Denn hier hat sich Bette Midler ans Werk gemacht. Und ihre Interpretationen von klassischen Girlband-Songs, vornehmlich aus den dreißiger bis sechziger Jahren, versprühen jede Menge Esprit und Frische.
Auf den ersten Blick fällt das Ganze unter die Rubrik "Las Vegas-Tand". Doch während eine Britney Spears in großen Sälen aseptische Playback-Abende unters Volk streut, trifft man Miss Midler und ihr Programm ein paar Straßen weiter an: in einem schon angejahrten, kleinen Schuppen mit ramponierter Bühne und immer leicht schmuddeligen, dafür aber gut gefüllten Longdrink-Gläsern. In solch einem Umfeld kommen sie eh viel besser zur Geltung, all diese großen Girlband-Hits vergangener Tage.
Der altbekannte Wall Of Sound-Kracher "Be My Baby" (Ronettes) erweist sich als perfekter Opener. Die Beats wummern, die Streicher jubilieren, und leidenschaftlich croonend startet Bette ihr Liebeswerben um den Angebeteten. "One Fine Day" (Chiffons) saust mit flinkem Shoo-be-doo-Tempo um die Sixties-Ecken. Für "He's Sure The Boy I Love" gibt Original-Crystals-Sängerin Darlene Love den Gaststar. Das unkaputtbare "Bei Mir Bist Du Schön" der Andrews Sisters swingt luftig-leicht aus den Boxen.
Geglückt ist der Kunstgriff, Bette sämtliche Background- und Chorvocals selbst einsingen zu lassen. Höchst amüsant funktioniert das Ganze, wenn sie im Shangri-Las-Heuler "Give Him A Great Big Kiss" auch gleich ein Girls-Zwiegespräch übernimmt: "How does he dance?", will die neugierige Freundin wissen. "Close ... very, very close", kommt die eindeutige Antwort. Midler nähert sich den Klassikern zwar respektvoll, scheut sich aber nicht, immer wieder Abweichungen zu den Originalen mit einzubringen.
Es könnte bös ins Peinliche abrutschen, wenn eine fast-Siebzigerin Teenie-Songs interpretiert. Diese Gefahr umschifft die göttliche Miss M. mit hörbarem Spaß an der Sache, reichlich Schalk im Nacken und einer spielfreudigen Band im Rücken. Die früher oft anzutreffende vordergründige Naivität und Unschuld der Originaltracks schimmert dank dieser Herangehensweise immer wieder durch.
Den Supremes-Soul von "You Can't Hurry Love" behält Bette im Gesang natürlich bei, der Rest jedoch befindet sich auf einem Banjo-dominierten Country- und Western-Ausflug. Melancholisch-angegospelt, deswegen besonders intensiv, gelingt der letzten großen Rock-Diva eine bemerkenswerte Umsetzung von "Baby It's You" (Shirelles).
Das Piano tupft verhalten, eine warme Streicherbrise weht durch den Hintergrund, warm intonierte 'Shalalalala'-Parts tauchen auf, und Bette legt sich tief und emotional hinein in den Gesang. Eine zart gezupfte Akustikgitarre vervollständigt das schlichte, und dennoch höchst herzergreifend inszenierte Arrangement. Der "Mr. Sandman" der Chordettes bekommt ein munter umher hüpfendes Hula-Hawaii-Outfit verpasst.
Einen zeitlichen Ausreißer gibt es: "Waterfalls" von TLC entstammt dem Jahr 1995. In der hier dargebotenen, piano-dominierten Version entlockt Bette dem Titel gar unvermutete neue Nuancen. Noch immer verfügt die Entertainerin über eine einzigartige Stimme, deren Modulations-Spektrum von kratzig-rau bis druckvoll-energisch reicht.
Gelungener Retro-Ausflug, also. "It's The Girls!" wartet zudem mit einem weiteren Vorzug auf: mit seiner Zeitlosigkeit. Wenn sich das Jahr dem Ende neigt, sind viele von Januar bis Dezember 2015 hochgejazzte Platten garantiert schon längst vergessen. Aber Bette und ihr Album dürften dann noch immer gern gehört ihre Runden drehen.
3 Kommentare mit 2 Antworten
Huch, also doch hörenswert? ^^
Ist das eigentlich allgemein bekannt oder nur mir aufgefallen:
https://www.youtube.com/watch?v=8WEtxJ4-sh4 (1995, TLC)
https://www.youtube.com/watch?v=sYstxLoOnYA (1980, Paul McCartney)
eher kein Plagiat aber zu ähnlich um Zufall zu sein...
http://de.wikipedia.org/wiki/Waterfalls
ah, danke
Dem Text nach zu Urteilen wären es sogar vier Sterne gewsen...