laut.de-Kritik

Großstadtdramen for the New Romantic.

Review von

Was ist deprimierender als ein Hund mit gebrochenen Läufen? Zehn Jahre sind vergangen, seit Clipgenius Spike Jonze im Daft Punk-Video "Big City Nights" auf bis dato unerreichte Weise in New Yorks nächtliches Straßenleben hineinzoomte. Outsider Charles, eine bemitleidenswerte Gestalt im Dackelkörper, humpelt über schmutzige Boulevards, trifft zwischen 24-Hour-Shops und Neonlicht auf Fremde und Halbbekannte. Immer nur für kurze Augenblicke durchbricht der Protagonist die erdrückende Anonymität der Metropole.

Auch für vier schwer umworbene Jungs aus Englands Capital City ist "Big City Nights" Ausdruck ihrer Lebenswirklichkeit. Kele Okereke und Kollegen wuchsen im Moloch von East London heran. Was liegt da näher, als den hygroskopischen Dualismus aus Rausch und Kater, Party und Einsamkeit, Uniformität und Heimatlosigkeit zum Konzept einer Platte zu küren? Eben. Vom Freitagabend-Adrenalinschub angetrieben, nimmt "A Weekend In The City" mit auf eine Alltagsflucht voller Selbstzweifel und Hundeelend.

Schon das Booklet zeugt von urbaner Ambivalenz. Der Lift als das Fortbewegungsmittel, das dich an den Wunschort bringt - sofern dein Ziel innerhalb vorgefertigter Wegmarken liegt. Bloc Party, bekanntlich Postpunk-Revival-Abweichler vor dem Herrn, spielen da natürlich nicht mit. Klar darf 2007 wie schon zu "Silent Alarm" auch ausschließlich gefeiert werden. Wer aber nur ein wenig tiefer gräbt, stößt zwischen Riffsägewerk, Four to the floor-Drummachines und Elektro-Hack auf allerhand Nachrichtenwert.

Hier wuchtet Okereke unwiderstehlichen TV On The Radio-Soul vor die Orgel, dort besorgt ein bittersüßes Glockenspiel die reinigende Soundsonderschicht nach dem emotionalen Wolkenbruch. Der experimentelle Rassismus-Kommentar "Where Is Home?" zerlegt wiederum mediale Hypokratie wie Vocals gleichermaßen in Kleinteile. In seiner Spaltung in Dr. Halbballade und Mr. Dancefloor ähnelt das Album durchaus einem "Fever To Tell", das nicht minder hervorragend mehrere Seiten ein und derselben Medaille zu verpacken wusste.

Vor allem in der zweiten Halbzeit überwiegen introvertiertere, an U2 oder gedopte Coldplay erinnernde Töne, ohne sich allerdings je der Stromlinienförmigkeit verdächtig zu machen. Die ambitionierten Mittzwanziger ringen mit ihrer sinnentleerten Umwelt, suchen Zuflucht im Zynismus und finden letztlich doch einen Ausweg aus dem ewig dumpfen Kreislauf aus Arbeiten – Narkotisieren - Arbeiten: "I love you in the morning / when you're still hung over / I love you in the morning / when you're still strung out", schwärmen sie. Liebe als einzig gültige Reparationszahlung für an der postmodernen Standortbestimmung Gescheiterte. Schöner Gedanke, oder?

Trackliste

  1. 1. Song For Clay (Disappear Here)
  2. 2. Hunting For Witches
  3. 3. Waiting For The 7.18
  4. 4. The Prayer
  5. 5. Uniform
  6. 6. On
  7. 7. Where Is Home?
  8. 8. Kreuzberg
  9. 9. I Still Remember
  10. 10. Sunday
  11. 11. SRXT

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