laut.de-Kritik

Von Machtspielen, Intensität und nostalgischer Wärme.

Review von

Bloc Party werden immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herz haben, trugen mich ihre beiden ersten Alben doch durch meine turbulente Adoleszenz. "Silent Alarm" stieß für mich die Tür zum Indierock und Alternative auf, "A Weekend In The City" nahm mich mit seiner Großstadtromantik tröstend in den Arm. Ich fühlte mich zu jener Zeit schlicht verstanden. An diesem übergroßen Monument messe ich sie bei jedem weiteren Release. "Intimacy" schlug mir wehmütig ins Gesicht, während ich mich durch die raue Liebe des Albums kämpfen musste, bis mir "Four" mit festem Händedruck wieder auf die Beine verhalf.

Das halbgare "Hymns" enttäuschte auf ganzer Linie. Das hatte nichts mehr mit den Bloc Party zu tun, die ich so innig liebte. Natürlich lag der Hund darin begraben, dass sowohl Schlagzeuger Matt Tong mit seinem ikonischen Drumming und Bassist Gordon Moakes die Band verließen und der Ersatz nicht wirklich an der Produktion beteiligt war. Dieser Umstand ändert sich nun auf dem vorliegenden "Alpha Games", sowohl Justin Harris an den Sticks als auch Louise Bartle am Bass drücken dem Album ihren Stempel auf. Somit gestaltet sich die Ausgangslage nicht gerade einfach. Kopiert man vergangene Glanztaten oder versucht man neue Wege zu gehen, sich sozusagen neu zu definieren?

Die Band lebt nach wie vor von seiner charismatischen Gallionsfigur Kele Okereke. Sein versatiler Stimmeinsatz und seine Attitude veredeln jeden Song. Er schmeichelt, keift, schüchtert ein, spielt sich auf, gibt sich verletzlich. Textlich zeigt er ein ums andere Mal sein Talent und verpackt schwierige Themen in anspruchsvolle Lyrik. Wie der Albumtitel suggeriert, geht es hauptsächlich über Machtspiele, zwischenmenschliche Querelen, gesellschaftliche Probleme und das Kappen alter Liebschaften. Daraus ergibt sich ein ungemein intensives Unterfangen, das besonders zu Beginn überzeugt. "Day Drinker" und "Traps" drücken ordentlich aufs Tempo mit frenetischem Schlagzeugspiel, sich zankenden Gitarren, Ausbrüchen sowie kleinen Momenten der Zärtlichkeit. Kele erzählt von Geschwisterkämpfen und gescheiterten Verführungen, gleitet sogar in schnelles Spoken Word hinein.

Nach dem Indiepop-Ausrutscher "You Should Know The Truth" geht es druckvoll weiter. In "Callum Is A Snake" scheint die Dringlichkeit des Debüts hindurch, wobei die allerletzte Konsequenz fehlt. Nichtsdestotrotz ein gekonnt vorgetragener, düsterer Song. Das anschließende "Rough Justice" gönnt sich derweil die meiste Abwechslung: rockige Strophen, poppiger Refrain und eine wütende Eruption am Ende. Keles spielerischer und erhabener Vortrag über einen Geheimclub, zu dem nicht jeder Zugang erlangt, setzt dem Ganzen die Kirsche auf. Seine Coolness macht auch das scheppernde "The Girls Are Fighting" zu einem subtilen Hit, wenn 70s Glam Rock auf Adam Ant-Appeal treffen samt verzerrtem E-Gitarrensolo. "Sex Magik" begeistert mit fein austarierter Struktur, eleganten Übergangen von Strophe zu Refrain und bettet sich gut in den Soundkosmos der Band ein.

Das größte Zugeständnis dafür, dass man die alten Zeiten nicht vergessen hat, bildet jedoch "If We Get Caught", das frappierend an "I Still Remember" vom Zweitling erinnert und zwar nicht dessen Brillianz erreicht, dennoch bei mir Gänsehaut auslöst dank Keles schmachtendem Gesang und Louises Backup-Vocals: "If we get caught / I want you to know / I have always rode for you". Da habt ihr mich wieder erwischt mit eurer wunderschönen Nostalgie! Große Gefühle gibt es auch bei "Of Things Yet To Come", einer theatralischen Ballade mit wehenden sowie zittrigen Gitarren, die kurz vor Schluss wie ein bunter Blumenstrauß explodiert.

"The Peace Offering" entpuppt sich als größte Überraschung. Ähnlich wie bei "Phantom Regret By Jim" auf "Dawn FM", lauscht man einem vertonten Gedicht oder Poetry Slam-Vortrag, der zurückhaltend obgleich bestimmend anfängt, sich mit zunehmende Spieldauer steigert und Keles Tonlage verändert. Seine Erzählung gerät hektischer und emotionaler, bis zum lauten und verzerrten Ende. Damit schließt er endgültig mit einer toxischen Beziehung ab.

"Alpha Games" ist indes nicht unverwundbar, sondern zeigt neben den schon angesprochenen Schwächen noch zwei weitere. "By Any Means Necessary" integriert elektronische Einschübe, bleibt indes schwachbrüstig und unbedeutend. "In Situ" spult den typischen Bandsound hinunter, verfängt sich in biederem Mittelmaß.

Mit ihrem sechsten Album finden sie zu einer neuen Einheit zusammen, die nicht immer tadellos funktioniert, sich aber auf dem richtig Weg befindet. Man vernimmt Gewohntes sowie Unerwartetes, fühlt sich seltsam zuhause, obwohl einige Möbel anders aussehen. Auch ich muss akzeptieren, dass Bloc Party nie wieder so klingen werden wie vor siebzehn Jahren. Was auch gut so ist, aber man wünscht sich oftmals unterschwellig das Alte wieder zurück. Kele weiß es wie immer am besten: "But i think its better you stay where you are / And i continue to support you from afar / Through the whispered words of mutual friends".

Trackliste

  1. 1. Day Drinker
  2. 2. Traps
  3. 3. You Should Know The Truth
  4. 4. Callum Is A Snake
  5. 5. Rough Justice
  6. 6. The Girls Are Fighting
  7. 7. Of Things Yet To Come
  8. 8. Sex Magik
  9. 9. By Any Means Necessary
  10. 10. In Situ
  11. 11. If We Get Caught
  12. 12. The Peace Offering

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