laut.de-Kritik

Nette Melancholie jenseits jeder Relevanz.

Review von

Nun ist sie da, die neue Blumfeld. "Jenseits von Jedem" heißt sie. Und es ist ein bisschen so wie immer: quer durch die Republik erscheinen in den Musik-Zeitschriften, in den verbliebenen kritischen Zirkularien und im bürgerlichen Feuilleton aufgeregte Besprechungen. Kein Wunder, waren doch die Werke von Blumfeld-Sänger Jochen Distelmeyer Anfang der 90er für eine Pop-Linke in einem wenig progressiven Reflex nahezu so etwas, wie für eine dogmatische Linke die Texte von Karl Marx - die heilige Schrift.

Doch der Pop-Diskurs hat sich längst überlebt, die politische Szene, die ihn getragen hat, ist marginalisiert, und ohne diesen kontextualisierenden Subtext schaffen es Blumfeld auf ihrem fünftem Album nicht, sich noch eine popkulturelle Bedeutung zu verleihen. "Jenseits von Jedem" bedeutet auch jenseits jeder Relevanz.

"Politisch verschlimmert sich das zusehend rasend. Eine Unverschämtheit nach der anderen. Eine Katastrophe nach der anderen", sind die ersten Sätze von Jochen Distelmeyer und seinen zwei verbliebenen "Mit-Jochens" im Interview der Wochenzeitung Jungle World. Ähnlich düster singt Distelmeyer auch auf einer Vielzahl der elf Stücke des neuen Werkes dem Weltschmerz entgegen. "Ich sag mal so, ich fühl mich komisch", sind dann die Textpassagen: "Ich krieg 'ne Krise, ich werd' krank. Kein Wunder, wenn ich überall nur Elend seh'".

Stücke wie "Die Welt ist schön" oder "Wir sind frei" kommen dann - teilweise sogar wortwörtlich - fröhlich pfeifend daher. Die arg depressive Stimmung wird angenehm konterkariert - Abgrenzung durch ironische Über-Affirmation etwa? Nicht mehr wichtig - "Vieles ist im Leben Zufall, doch die meisten wollen Schicksal", rockten Blumfeld noch wütend auf "L'Etat et moi". Aktuelle Zeilen wie "gib nicht auf - es kommt ein neuer Morgen" hören sich da vergleichsweise banal an. Die Texte sind einfach nicht mehr so raffiniert in einem Referenzrahmen verlinkt, über den Bezüge zu sozialen Kämpfen und auch oftmals sehr theoretischen Diskursen einer politischen Szene hergestellt wurden.

Blumfeld können durch ihre Performance längst nicht mehr deutlich machen, "too sexy for the Führerbunker" zu sein. Der wichtigste Protagonist der Hamburger Schule hat sich genau so überlebt, wie der Popdiskurs selbst. Blumfeld sind mit "Jenseits von Jedem" als eine überdurchschnittliche deutsche Band angekommen, die mit Stücken wie dem Titelsong oder "Der Sturm" schöne Popsongs macht, mit netten melancholischen Texten, die teilweise immer noch ein hohes poetischen Niveau erreichen - und jetzt bei Bands wie R.E.M. im Vorprogramm vorkommen. Düsterster Kulturpessimismus wie in "Jugend von heute" ob der unpolitischen Kids ist jedoch arg unnötig. Vielleicht kann man die widerständigen Potentiale aktueller Jugendkulturen einfach nur nicht mehr erkennen. Welche? Weiß ich auch nicht.

Trackliste

  1. 1. Sonntag
  2. 2. Armer Irrer
  3. 3. Krankheit als Weg
  4. 4. In der Wirklichheit
  5. 5. Alles macht weiter
  6. 6. Neuer Morgen
  7. 7. Der Sturm
  8. 8. Jenseits von Jedem
  9. 9. Jugend von Heute
  10. 10. Wir sind frei
  11. 11. Die Welt ist schön

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LAUT.DE-PORTRÄT Blumfeld

"Blumfeld, ein älterer Junggeselle, stieg eines abends zu seiner Wohnung hinauf, was eine mühselige Arbeit war, denn er wohnte im sechsten Stock. Während …

29 Kommentare

  • Vor 20 Jahren

    Kann es denn sein?Noch kein Thread zum neuen Album??Ich hab jedenfalls nichts gefunden.Schon komisch.

    Ich war restlos begeistert,als ich das erstemal die neue Single "wir sind frei" hörte.Gefiel mir auf Anhieb sehr gut,deshalb war ich voller Freude auf ein wundervolles Hörerlebnis als ich "Jenseits von jedem" kaufte.
    Doch nun ist die Enttäuschung perfekt.Blumfeld neigten ja schon immer dazu eintönig zu klingen und "Hää?Das Lied kam doch gerade schon"- Gefühle hervorzurufen.Dieses Album ist zugekleistert mit superschlauen Texten aber Melodien etc..bleiben meistens auf der Strecke.Bestes Beispiel "Jugend von heute".Ein guter text aber etwas mehr Mühe bei der Musik kann man sich schon machen auch wenn man Blumfeld heisst und sich fast alles nur über die Texte definiert.

    Dieses Album ist für mich Monotonie ,Einfallslosigkeit und Langeweile pur,da nützen auch die intelektuellen Ergüsse des Sängers nichts.

  • Vor 20 Jahren

    sehe es ähnlich. blumfeld sind stecken geblieben. nicht nur das die texte jetzt immer mehr richtung münchner freiheit und konsorten abdriften. eine ausnahme ganz klar wir sind frei, auch musikalisch scheinen hamburgs ehemalige helden des deutschen pop's am steuer eingeschlafen zu sein. eintönigkeit und jawhl leider auch langeweile. ein dahinplätschern ist zu erkennen. schade jungs, tomte sind meilenweit an euch vorbei gezogen.

    ach ja.neben ihrer neuen platte nervt diestelmeyer jetzt immer mehr dadurch, für jeden song rund 20 minuten erklärung parat zu haben. warum läsast er die songs nicht so stehn wie sie sind oder packt linernotes in die platte....wo wir wieder bei tomte wären. und diestelmeyer...neuer versuch bitte. warst mal richtig gut

  • Vor 20 Jahren

    elitistische pseudo-intelekteulle scheisse
    (i might be wrong)