laut.de-Biographie
Blumfeld
"Blumfeld, ein älterer Junggeselle, stieg eines abends zu seiner Wohnung hinauf, was eine mühselige Arbeit war, denn er wohnte im sechsten Stock. Während des Hinaufsteigens dachte er, wie öfters in der letzten Zeit, daran, dass dieses vollständig einsame Leben recht lästig sei, dass er jetzt diese sechs Stockwerke förmlich im Geheimen hinaufsteigen müsse, um oben in seinen leeren Zimmern anzukommen..." So beginnt Kafkas Erzählung "Blumfeld, ein älterer Junggeselle", nach der sich die Band benannt hat. Neben Tocotronic und den Sternen zählen Blumfeld zu den wichtigsten Vertretern der so genannten Hamburger Schule und gelten als eine der einflussreichsten deutschen Underground-Acts der 90er Jahre.
Gegründet im Frühjahr 1990 bringen Jochen Distelmeyer (Gesang, Gitarre), der wie Bernd Begemann, Frank Spilker, Thomas Wenzel und Bernadette Hengst dem Bad Salzuflener "Fast Weltweit"-Labelumfeld entstammt, Andre Rattay (Drums) und Eike Bohlken (Gitarre, Bass) im Herbst 1991 ihre Debüt-Single bei What's so funny about... heraus, dem Label, das ihnen im darauf folgenden Jahr (1992) auch beim ersten Longplayer "Ich-Maschine" zur Seite steht.
Nach einer gemeinsamen Tour mit Pavement veröffentlichen Blumfeld 1994 beim Big Cat-Label das zweite Album "L'Etat Et Moi". Die Platte etabliert eine völlig neue Art der Textsprache und begreift sich als Diskursmedium. Die Inhalte der Stücke drehen sich zwar um Politisches, doch für Distelmeyer steht die Musik im Vordergrund seiner Kunst und dient ihm nicht nur zum Transport seiner Texte.
Nach dem großen Erfolg des Albums lassen sich die Hamburger eine Menge Zeit und nehmen einige Umstrukturierungen vor. Es folgt der Ausstieg von Eike Bohlken und der Hinzugewinn von Peter Thiessen und Michael Mühlhaus. Diese bandinterne Veränderung wirkt sich natürlich musikalisch aus. Das Album "Old Nobody" bietet fünf Jahre später feinsten Mainstream-Pop. Gleich zu Beginn trägt Distelmeyer das atemberaubende Liebeslied "Tausend Tränen Tief" vor. Doch nicht nur langsame Balladen bietet die Platte, sondern auch härtere Lieder wie "Status Quo Vadis". Die Texte greifen eher klassische Themen wie Liebe, Kunst, Geschichte und Vergänglichkeit auf und führen diese auf eine konventionelle Sprache zurück.
Dieser Trend zur "70er-Jahre Sprache" (Die Regierung) setzt sich auf "Testament der Angst" (2001) und "Jenseits von Jedem" (2003) fort. Beide Alben steigen in die Top 10 der Charts ein und werden im Feuilleton abgefeiert. Thiessen ist inzwischen ausgestiegen, um sich stärker seinem eigenen Bandprojekt Kante zu widmen. Dafür ist Vredeber Albrecht (Commercial Breakup) an den Keyboards dabei.
Nach einigen Auftritten bei Top Of The Pops, Konzertreisen und vielen Veränderungen innerhalb der Band präsentieren Blumfeld 2006 ihr sechstes Studioalbum "Verbotene Früchte". Ein buntes Naturereignis mit viel Boogie Woogie-Klängen, das quer duch die Pop-Botanik führt. Jochen Distelmeyer überrascht wieder mit luftig-leichten Texten aus der Tierwelt, Politik und dem menschlichem Alltag. Zur internen Fluktuation gehört Lars Precht von Veranda Music, der nun den Bass regiert. Die Aufnahmen stehen diesmal nicht wie gewohnt unter der Obhut von Chris von Rautenkrantz, stattdessen übernimmt die Band die Produktion.
Das eigens gegründete Label Blumfeld Tonträger bringt im März 2007 die ersten drei Alben ("Ich-Maschine", "L'Etat Et Moi", "Old Nobody") zuzüglich diverser Goodies (Studio-Outtakes, Videos etc.) erneut auf den Markt. Außerdem erscheint die 5CD-Best Of-Box "Ein Lied Mehr – The Anthology Archives Vol. 1", die zusätzlich zu den drei Alben noch die erste Live-LP ("Live in Wien") und die bisher unveröffentlichten Stücke "The Law" und "Deutschland der Deutschen" enthält.
Im Zuge der Best Of-Box-Veröffentlichung planen Blumfeld eine weitere Tour, doch noch bevor diese stattfindet, gibt die Band im Januar 2007 ihre Auflösung bekannt. Frontmann Distelmeyer habe sich einvernehmlich mit den anderen darauf geeinigt, die über ein Jahrzehnt währende musikalische Zusammenarbeit zu beenden, heißt es auf der Bandpage. Zugleich erklärt die Band ihre für April und Mai geplante "Ein Lied mehr"-Tournee zur Abschiedsreise.
Noch keine Kommentare