laut.de-Kritik

Hilfe, das bessere Bewusstsein schon wieder.

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Der Spiegel fabuliert, Blumfeld hätten mit ihrem neuen Album "Testament Der Angst" "den Protestsong ins neue Jahrtausend gerettet" – Der Spiegel lügt. Blumfeld hat die Gitarren, die noch auf den beiden ersten Platten gegen die herrschenden Verhältnisse anschrammelten, wie schon auf dem Vorgängeralbum "Old Nobody" verstummen lassen. Übrig geblieben ist erneut seichter Pop, der außer Herzschmerz-Angelegenheiten nichts mehr Wesentliches zu verhandeln weiß.

War die Hamburger Band noch zu Beginn der 90er Jahre die Speerspitze einer Kultur-Linken, die radikale Kritik originell zu Pop gerinnen ließ, bewegt sich Blumfeld nun erneut auf den "Wellen der Liebe". Das Niveau der Texte, bei Blumfeld immer schon durch die Tiefe Jochen Distelmeyerscher Gesangs-Passagen die eigentliche Qualität der Band, schafft es kaum mehr, sich wesentlich von Pur abzusetzen. "In guten wie in schlechten Zeiten will ich dich lieben", haucht es in "Wellen Der Liebe". Die ehemaligen Lassie Singers Almut Klotz und Christiane Rösinger singen bei "Anders Als Glücklich" den Background-Chor – eines der wenigen Stücke, das musikalisch etwas weniger einfältig als der Rest daherkommen.

Blumfeld hält wacker den Anspruch aufrecht, eine politische Band zu sein. Auch das ruhige Vorgängeralbum kann mit seinem Rückzug ins Private noch als aktueller musikalischer Ausdruck einer sich in Auflösung befindlichen Linken verstanden werden – politische Ohnmacht, jetzt erst einmal um das eigene Glück kümmern. Was Blumfeld als wichtigstem Repräsentant der Hamburger Schule mit anspruchsvoll gedrechselten linksintellektuellen Texten auf den Alben "Ich-Maschine" und "L’Etat Et Moi" gelang, die Wut über nationalen Wiedervereinigungswahn und rassistische Pogrome in Diskurs-Pop auszudrücken, geht im vierten Album völlig schief. Wo über Anti-Globalisierungs-Kampagnen und die Tabubrüche der Sozial-Schmarotzer-Diskurse der Neuen Mitte der Wusch nach adäquatem politischem Ausdruck wieder wächst, haben Distelmeyers Songs kein musikalisches Äquivalent mehr parat. "Ich sehe die Leute in den Straßen, lassen sich für dumm verkaufen, die Medien helfen ihnen beim Dummsein und ein starker Staat hilft ihnen beim stumm sein", singt Distelmeyer in "Die Diktatur Der Angepassten". Ideologiekritik und ein Staatsverständnis aus den frühen 70er Jahre – Hilfe, das bessere Bewusstsein schon wieder.

Blumfeld ist mit Textschreiber Jochen Distelmeyer eine Band, die ein politisches popkulturelles Vakuum füllen könnte. Mit "Testament Der Angst" tauchte Blumfeld in bester Schusspostion vor dem gegnerischen Tor auf, doch Jochen Distelmeyer bleibt alleine vor dem Torhüter erbärmlich im Rasen hängen. Chance vergeben.

Trackliste

  1. 1. Graue Wolken
  2. 2. Weil Es Liebe Ist
  3. 3. Eintragung Ins Nichts
  4. 4. Anders Als Glücklich
  5. 5. Testament Der Angst
  6. 6. Die Diktatur Der Angepassten
  7. 7. Der Wind
  8. 8. Wellen Der Liebe
  9. 9. Abendlied

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