laut.de-Kritik
Der Crooner kriegt nicht genug vom American Songbook.
Review von Markus BrandstetterSollte der eine oder andere gehofft haben, dass Bob Dylan nach "Shadows In The Night" und "Fallen Angels" erstmal genug vom American Songbook, Ol' Blue Eyes und der Reise in die Vergangenheit der US-amerikanischen Populärmusik hat: Hat er nicht. Im Gegenteil: Gleich ein Dreifach-Album bringt der Elder Statesman of Song and Dance und frischgebackene Literaturnobelpreisträger heraus – auch wenn rein vom Datenvolumen auch ein Doppel-Album gereicht hätte. Damit tritt er einmal mehr die Reise zurück an – und versucht erst gar nicht, die Vergangenheit ins Hier und Jetzt zu holen. Wer die letzten beiden Alben mochte, bekommt more of the same. Wer nichts damit anfangen könnte, bekommt das ebenfalls.
Dylans Stimme klingt, als wäre ihr alles widerfahren, was ein Menschenleben so in petto hat. In ihr erklingen sie wieder, die nicht mehr existenten Straßen und Schlupfwinkel, die Versprechung einer weniger zynischen und vielversprechenderen Zukunft, die sich längst selbst überholt und widerlegt hat. Mal gleitet die Stimme verhältnismäßig sanft von Zeile zu Zeile und Silbe zu Silbe, mal quält sie sich: raspelnd, zerschossen. Der Fokus liegt sowieso längst nur noch auf der Phrasierung, da sie die Melodik nur noch, wenn überhaupt ein winziges Stück weit mittragen kann.
Für den Weg zurück braucht er keine Bigband, um nach Bigband zu klingen. Nur manchmal komplettiert ein Bläsersatz das Bandoutfit, ansonsten übernimmt die Slide-Gitarre die Flächen und Streicherparts. In dem gesteckten Rahmen bewegt sich Dylan souverän zwischen Beschwingheit, Melancholie und in erster Linie Sentimentalität. Gut gelaunt und fröhlich beginnt "Triplicate" mit "I Guess I'll Have To Change My Plans". Das Stück stammt aus dem Jahr 1929, wurde unter anderem von Fred Astaire im Film "The Band Wagon" (1953) interpretiert, auch Sinatra nahm sich des Stücks 1957 auf dessen Album "A Swinging Affair an". Dann schlägt die Beschwingtheit in flehende Sentimentalität um: "One day you turn around and it's summer / Next day you turn around and it's fall / And all the winters and the springs of a lifetime / Whatever happened to them all?", singt Dylan in "September Of My Years" – und das Wort "lifetime" akzentuiert er herrlich kratzig.
Bei der Rezeption der überdimensionalen historischen Figur Dylan zählt der Narrativ, das "etwas finden, etwas heraushören wollen“ mittlerweile gleich viel wie das, was uns Dylan tatsächlich vorsetzt. In einem Interview – erschienen auf seiner offiziellen Website – beleuchtet Dylan ausgiebig die Motive und die Songauswahl.
"Es gibt da diese Wand zwischen dem Alten und dem Neuen", hat Dylan in seinem einzig aktuellen Interview gesagt, "und in dieser Zeit kann da eine Menge verloren gehen. Es gibt aber keinen Grund, sich deswegen niedergeschlagen zu fühlen oder zu denken, dass es außerhalb seiner Reichweite ist – du kannst immer noch das finden, wonach du suchst, wenn du den Weg zurückverfolgst". Mit dem Nachsatz "Das Problem ist nur, du kannst es nicht mit dir mitbringen, sondern du musst dort mit ihm bleiben. Ich denke, darum geht es bei Nostalgie".
Dabei sind Dylans Erläuterungen und der theoretische Unterbau spannender als das Ergebnis selbst. Dylan selbst hatte allem Anschein nach Spaß dabei, so weit Dylan eben Spaß bei etwas haben kann. Man vergönnt es ihm – und hofft, dass der Songbookphase noch eine weitere folgen möge.
2 Kommentare
Furchtbare Kabalisten-Kac8e. Mindestens genauso schlecht ist die Musik. Was wiederum gut ist, da er damit der beabsichtigen nicht dient. Also ist die Waage wieder im Lot.
Bob Dylan klingt schon seit mind. 40 Jahren nicht mehr interessant. Obwohl, schon Like A Rolling Stone ist einer der am meisten überbewertenden Songs ever.