laut.de-Kritik

Musikalisches Brechreiz-Gemisch aus aufgewärmten Songs.

Review von

Eigentlich erfreulich, wenn man zu dieser Jahreszeit zwischen all den aufbereiteten Klang-Luftblasen wie Box-Sets, Best-Ofs und Weihnachtsalben ein wirklich neues Studioalbum findet. Dann nimmt man sogar ohne Murren in Kauf, dass man - wie im Fall von Boston - erst einmal einen halben Nachmittag lang in der Zeitmaschine umherschwirren muss, um die letzten Aktivitäten der Band aus den Weiten des World Wide Web herauszufiltern.

Man landet dann schließlich irgendwann im Jahr 2002. Seinerzeit brachten die Mannen um Gründungsmitglied Tom Scholz nämlich ihr letztes Studioalbum heraus ("Corporate America").

Seither liegt eines der erfolgreichsten AOR-Flaggschiffe der Feuerzeit ruhig schunkelnd im Hafen für ausrangierte Ehemalige. Zwar folgten noch einige mehr oder weniger erfolgreiche Tourneen, doch spätestens mit dem tragischen Selbstmord von Ur-Sänger Brad Delp im März 2007 schien die Boston-Akte endgültig in den Kellerarchiven zu verschwinden.

Tom Scholz wollte das alles natürlich nicht wahrhaben, und so versammelte er seine Kollegen um sich, um bereits seit 2002 in den Schubladen liegende Arbeiten endlich auf Vordermann zu bringen. Das Ergebnis des jahrelangen Sammelns erblickt nun dieser Tage unter dem ungewohnt rosaroten Titel "Life, Love & Hope" das Licht der Welt.

Ganz so viel Material scheint während der vergangenen Dekade dann aber doch nicht zusammengekommen zu sein, denn von den insgesamt elf Songs können sich letztlich nur acht den New-Song-Button ans Revers heften. Das Fundament von Tracks wie "Didn't Mean To Fall In Love", "You Gave Up On Love" und "Someone", dürften Kenner der Band bereits seit geraumer Zeit im CD-Regal stehen haben.

Doch nicht nur die Tatsache, dass sich hier diverse aufgewärmte Songs dazwischenmogeln, sondern vor allem die Art und Weise, wie sich die von Scholz neu arrangierten Kamellen in puncto Sound präsentieren, sorgt bei jedem "More Than A Feeling"-Liebhaber für fassungsloses Kopfschütteln.

Völlig blutleer stapeln sich unzählige Synthie-Spuren aufeinander, während überproduzierte Cymbal-Ekstasen im Background Katz und Maus spielen. Weder die synthetisch klingenden Gitarren noch das oftmals nur zu erahnende Spiel von Bassdrum und Snare erreichen auch nur annähernd das Klang-Niveau vergangener Tage.

Doch es geht noch schlimmer: Bereits am Boden liegend, wird der Boston-Fan mit teilweise noch erbärmlicheren neuen Hieben à la "Sail Away", "If You Were In Love" oder "Someday" malträtiert. Hier stürzen sich im Legoland erzeugte Pseudo-Atmosphären und grotesk zusammengeschusterte Retro-Schwaden auf schunkelnde Peter-Bursch-Powerchord-Abfolgen.

Fernab von jeglichem Gespür für harmonische Zusammenhänge wirken die aufgeplusterten Drei- und Vierminüter wie das Ergebnis eines Karaoke-Abends zweier Fünfjähriger, deren Väter auch heute noch mit Songs wie "Don't Look Back" und "Amanda" in den Ohren zur Arbeit tapsen.

Am Ende weiß der Anhänger antiker Boston-Taten gar nicht mehr wohin mit seinem Frust. Wem soll man hier jetzt mit Santas Rute zuerst den Hintern versohlen? Den insgesamt acht (!) Gesangsverantwortlichen - natürlich mit Ausnahme von Brad Delp - die sich allesamt nur leblos fügen, anstatt sich mit Markanz und Enthusiasmus vom musikalischen Brechreiz-Gemisch im Hintergrund zu lösen?

Oder gibt's nur derbste Haue für den Kopf der Bande namens Tom Scholz, dessen Produktion wohl in den nächsten Jahren in diversen Studios dieser Welt als Referenzbeispiel herhalten muss, wie man es auf keinen Fall machen sollte?

Im Zweifelsfall: Alle rein in den Sack, zuschnüren und immer ordentlich drauf. Dann ist man wirklich auf der sicheren Seite.

Trackliste

  1. 1. Heaven On Earth
  2. 2. Didn't Mean To Fall In Love
  3. 3. Last Day Of School
  4. 4. Sail Away
  5. 5. Life, Love & Hope
  6. 6. If You Were In Love
  7. 7. Someday
  8. 8. Love Got Away
  9. 9. Someone
  10. 10. You Gave Up On Love
  11. 11. The Way You Look Tonight

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