laut.de-Kritik
Kranker Scheiß? Hell yeah! Und bitte mehr davon.
Review von Alexander EngelenPsychatrie, Drogenentzug, abgeschlachtete Stiefväter und Suizidversuche - willkommen in der Welt von Christian Palko. Er ist wohl der beste Beweis dafür, dass Rapper wirklich einen an der Klatsche haben. Hier wirken Eminemsche Alter Egos bzw. Drogenprobleme oder die manischen Depressionen eines DMX wie der Kindergarten. Der Rapper Cage liefert White Trash deluxe.
Eigentlich wollte Cage auf seinem mittlerweile dritten Album ruhiger werden. Nach eigener Aussage ist "Hell's Winter" sogar eine Platte, die der New Yorker eines Tages auch seiner Tochter vorspielen kann. Nun gut, es verschandelt kein Parental Advisory-Sticker das düstere Albumcover. Wie er aber seiner Tochter erklären will, warum er auf "The Death Of Chris Palko" sein eigenes Ich abschlachtet, ist nur eine der vielen Fragen, die sich im Verlauf stellen.
Nichtsdestotrotz erlebt man auf "Hell's Winter" Großes, denn Genie und Wahnsinn liegen ja bekanntermaßen nicht weit voneinander entfernt. Gut, dass Chris Palko mittlerweile bei Def Jux Musikbegeisterte gefunden hat, die mit seinem kranken Hirn etwas anfangen können. Ging doch bei High & Mightys Eastern Conference Label Cages Anderssein im bloßen Hang zu den Extremen ein wenig unter. Bei Def Jux ist das anders. Und das kennt man ja aus der Schmiede von Labelboss El-P: musikalisch knarzt, kracht, schreit und rockt es, inhaltlich geht es von Verschwörungstheorien über Hip Hop-Traditionen bis hin zum alltäglichen Überlebenskampf, um alles also, was der Big Apple so zu bieten hat.
"A cold day in hell I feel good. At least I feel as good as real feels if real even feels good. I think back to being a kid and getting my ass kicked and when I sold my soul to the devil to make me rap sick!" Keine Frage, raptechnisch ist Cage ganz weit vorne. Konventionslosen Flow nennt man das. Der funktioniert auf und neben dem Beat und auf ganz unterschiedlichen Tracks, die Cage von Hochkarätern wie RJD2, Blockhead, Camu Tao, El-P und DJ Shadow bekommt.
Unbestrittener Höhepunkt auf "Hell's Winter" ist das traurig-melancholische Beatmeisterwerk "Shoot Frank" von RJD2. Dazu findet Cage mit Daryl Palumbo, Sänger der Alternative/Hardcore-Truppe Glassjaw, einen kranken Bruder im Geiste. Cage fühlt sich rappend noch immer von seiner "wunderbaren Deppression" angezogen, und Daryls Stimme passt sich dem sphärischen Instrumental einfach erschreckend gut an. Gänsehaut durch Rapmusik: Cage und seine musikalische Offenheit machen's möglich.
Noch offensichtlicher unterstreicht er das auf "Grand Ol' Party Crash", für das DJ Shadow einen derart dreckig-technoesquen Beat dahinrotzt, dass es jedem Backpack-Rapper den Rucksack auszieht. Um dem Ganzen schließlich noch die Krone aufzusetzen, hat Cage nichts Besseres zu tun, als Jello Biafra eine Art Spoken Word-Bridge quäken zu lassen. Kranker Scheiß? Hell yeah! Und bitte mehr davon.
1 Kommentar
Ist zwar schon n Tag älter, aber trotzdem bemerkenswert wie es hier geschafft wurde, von 14 Titeln 5 falsch zu schreiben.
Besonder interessant find ich, wie "Left it To Us" zu "Wehaterman Gand" wurde.
Grandioses Album aber, nebenbei bemerkt.