laut.de-Kritik
Atmosphärisch dichte Songs aus dem Abgrund.
Review von Markus BrandstetterDer Abgrund ist bedrohlich und düster. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als einen Schritt nach dem anderen zu machen. Für alles andere ist es zu finster in den Klanglandschaften, in die uns die kalifornische Sängerin und Songschreiberin Chelsea Wolfe auf "Abyss" führt.
Der Titel passt, von Anfang an. "Carrion Flowers": Knarzende Drones, bedrohliche Geräusche, irgendwo zwischen Industrial und Doom, reißen uns mitten in den Höllenschlund, bedrohliche Soundlabyrinthe entstehen, irgendwann setzt ein industrieller Stakkato-Rhythmus ein. Knappe fünf Minuten, in denen wir in dystopischer Dunkelheit stolpern.
"Iron Moon", die erste Single, verdichtet alles noch einmal ums X-fache, ehe die Dynamik irgendwann runtergeht und nur ein Klavier Wolfes Stimme begleitet. Songhaftigkeit wechselt mit sonischem Donnern, mit absoluter Schwere. "My heart is a tomb/ My heart is an empty room", singt sie. Dabei schafft Wolfe bei aller zementschwerer Stimmung immer wieder bemerkenswerte Eingängigkeit, beispielsweise bei "Maw". Beim Folgetrack "Grey Days" legt sich ein Cello über den treibenden Rhythmus, die flächigen E-Gitarren sorgen ein Stück weiter hinten für die atmosphärischen Bögen.
Ebenso stark gerät "After The Fall", das ebenfalls reduzierter daher kommt, nur zweimal treiben sägende, zerrende Gitarren alles nach oben. Einen Song später, "Crazy Love" braucht es überhaupt nur eine Gitarre, die sich in einer klaustrophobischen Geräuschkulisse verliert. "Simple death feels infinite compared to the end of it all / dark, dark world / dangerous religion", heißt es da, und weiter: "Sometimes I don't know if I'll find the answer / or if I've ever asked the question."
Eher in die Industrial-Richtung der ersten beiden Stücke geht "Color Of Blood", eine verzerrte, präsente Klangfläche legt sich unter Wolfes Gesang. Nach zweieinhalb Minuten unterlegt ein aggressiver Achtelbeat das Stück.
Ganz am Ende steht der Titelsong der Platte. Die Stimmung bleibt sinister. "We were born into chaos / when I move it pulls me closer / when I swim it drags me under / when I dream it steals my wonder then sets me free from my slumber", singt Chelsea Wolf ganz am Ende. Dazu begleitet sie ein beklemmendes, fremd klingendes Klavier, ein knarziger Bass, ein leiser Rhythmus, ehe dissonante Streicherbögen den Epilog des Albums übernehmen.
Mit "Abyss" präsentiert Chelsea Wolfe ein intensives, atmosphärisch immens dichtes Album voller surrealer Sphärik, Düsternis, emotionalen Weggabelungen und Schwere.
15 Kommentare mit 9 Antworten
Ein unheimlich immenses, intensives Klangerlebnis. Und zwar von vorne bis hinten. Absolut packend und dramaturgisch genial.
5/5 Rosen für Chelsea
ich finde es ein bisschen zu gehyped. aber im prinzip schon ganz ok. wenn der hype abflaut, werde ich reinhören
Falsche Stimmung, falsche Jahreszeit. Ich versau' mir das Album mal nicht für den Moment und schiebe es in den Spätherbst.
"Pain is Beauty" war schon ein Meisterwerk, aber es ist ihr tatsächlich gelungen dieses noch mal zu toppen.
Pitchfork verbigt ne solide aber keine überragende 7.2. Ich habs mir angehört. Versteh den deutschen Hype um dieses Album nicht so recht. Ne solide 3 oder schwache 4 wär imho auch okay gewesen
erst durch "his spun" (5/5) zu frau wolfe gefunden, finde ich dieses album fast noch ne nummer stärker.
Simple Death und Survive sind meine persönlichen highlights eines tiefschwarzen, wunderbar zum aktuellen wetter passenden albums.
Bei mir sind's "Dragged out" und After the fall", die es damals (am schnellsten) aus dem Albenkontext raus und in meine Alltime-Favourites-Playlist hinein geschafft haben.
Gerade "After the fall" erwies sich dabei als kunterbunte (na, eigentlich tiefschwarze) Samplekiste für ein Mixtape, während sich "Dragged out" innerhalb wiederum perfekt mit Cult of Lunas "Owlwood" zu einem wahren Stimmungskotzbrocken vermählen ließ...
*desselben Mixtapes