laut.de-Kritik
Das geht raus an alle Gelegenheits-Radionutzer.
Review von Kai ButterweckAls Mitglied einer erfolgreichen Girlgroup, Frau eines Fußballstars und Gesicht diverser Kosmetikprodukte hatte sich das britische Pop-Sternchen Cheryl Cole zu Beginn des neuen Milleniums innerhalb weniger Jahre ein regelrechtes Imperium errichtet. Dann folgten Scheidung, das Ende der Bandkarriere und ein Spießrutenlauf durch die britische Medienlandschaft.
Nach drei Soloalben und einem letzten Absahnen unter dem Girls Aloud-Banner war die Luft erst einmal raus. Cheryl verzichtete fortan auf ihren Nachnamen, legte gar ihren Jurorenjob bei der englischen Ausgabe von The X-Factor nieder und zog sich weitestgehend zurück. Nun ist der Akku scheinbar wieder voll: Cheryl sitzt wieder hinterm Tresen von The X-Factor - und hat ein neues Soloalbum am Start.
"Only Human" heißt die Platte, die – wen wunderts – "meine bisher beste Arbeit ist", so die Ex-"Sexiest Woman" von der britischen Insel. Und wenn das hier wirklich das Beste ist, was die Sängerin bisher abgeliefert hat, dann sollte man in die vergangenen Werke erst gar nicht reinhören.
Denn was Cheryl präsentiert, ist nahezu komplett austauschbarer Belanglos-Pop für Gelegenheits-Radiohörer. Es bleibt so gut wie nichts hängen: Weder die schwungvolle zwischen 80s-Wave und Ibiza-Pop pendelnde Hüftbewegungen unter der Discokugel ("Live Life Now", "Crazy Stupid Love") noch emotionsgeschwängerte Blicke durchs Schlafzimmer-Schlüsselloch ("Waiting For Lightning", "All In One Night") hinterlassen irgendwelche Spuren.
Die Gründe dafür liegt aber weniger in der Produktion. Bisweilen liefern Knöpfchendreher wie DaWood, Babydaddy oder Rick Parkhouse und George Tizzard alias Red Triangle sogar überdurchschnittlich ab ("Coming Up For Air", "Tattoo"). Das eigentliche Dilemma findet am Mikrofon statt: Cheryl hat der wenn auch standardisierten, aber dennoch soliden Mixtur aus tanzbaren Beats, dem ein oder anderen pumpenden Bass und diversen Synthies nur wenig hinzufügen.
Mit ihrem doch arg limitierten, durchschnittlichen Organ, das sich quasi nie von all jenen absetzt, die bei gängigen Casting-Formaten bereits im Re-Recall scheitern , windet sich die Britin verzweifelt um nicht enden wollende Melodien von der Stange. Nach 16 Songs will und kann man eigentlich nicht mehr. Doch der Fairness halber wird der bittere Drops natürlich zu Ende gelutscht.
Und als hätte Cheryl ein Einsehen, zwängt sie kurz vor Schluss doch noch ein kleines Juwel durch die Boxen, das zeigt, das mit ein bisschen mehr Mut für Ecken und Kanten wesentlich mehr drin gewesen wäre. Plötzlich befreit sie sich von ihrem sterilen Tralala-Korsett und bringt mit "Firecracker" einen hibbeligen Indiepop-Kracher an den Start. Leider zu spät, um das Ruder noch rumzureißen.
Noch keine Kommentare