laut.de-Kritik
Die Spice Girls auf der Art Basel?
Review von Martin TenschertMelissa Logan und Alex Murray-Leslie sind aus der Kunst- und Musikszene seit den frühen 2000er Jahren kaum noch wegzudenken. Mit verschiedensten Kommunikationsmethoden in Sprache, Musik und Bild bieten sie anspruchsvoll-ironische Performance Art. Aber auch der "normale" Raver kennt sie spätestens seit ihrer Interpretation von Malarias "Kaltes Klares Wasser". Obwohl dieser Track für die beiden Damen mittlerweile eher einen ähnlichen Stellenwert wie "Katzeklo" für Helge Schneider einnehmen dürfte, bedeutete er gleichsam einen Bekanntheitsmultiplikator. Und eben diesen Fame Boost haben sie sich durchaus verdient.
"Artstravaganza" wurde unter anderem von Wiens Disco-Don Christopher Just produziert. Es finden sich darauf Beiträge von Yoko Ono, dem österreichischen Künstler Peter Weibel und selbst von Julian Assange of Wikileaks Fame. Das Thema Datensicherheit wird konsequenterweise auch textlich immer wieder aufgegriffen ("Wir Sind Daten"). Die Texte haben es generell in sich ("The Empire Had Me For Lunch" in "The Neverending Pursuit Of Happiness").
da lohnt es sich tatsächlich trotz der fetten Beats mal genauer hinzuhören. Das Gesamtkunstwerk Chicks On Speed, utopisch ironisch und gesellschaftskritisch. Spice Girls auf der Art Basel?
Hier scheint es jedenfalls nicht um das pure "L'art pour l'art" zu gehen, sondern um wirkliche Anliegen, verpackt in eingängige Discorhythmen ("Utopia"). Nicht nur die Interviewmitschnitte mit Julian Assange zeugen davon. "Artstravaganza" ist darüberhinaus nur ein Teil der multimedialen Kunstkarawane "Scream", die in mehreren Kunsträumen auf der Welt stattfindet und in sechs unterschiedlichen iPad-Apps mündet.
All das mag ein wenig verquast klingen, man darf Logan und Murray-Leslie so oder so für diesen neu geschaffenen Kunst-Kosmos und ihren Anspruch an das eigene Werk Respekt zollen. Dann packen sie auch, wenn man gerade schon dabei ist, noch die Diskussion um die Frage nach der Existenz Gottes mit rein. Techno-Theodizee mit oder ohne "God". Für alle Kunstnerds, Raver, wirre und intellektuelle und auch alle anderen Leute: Artstravaganza Rules!
1 Kommentar
Schön, dass ich hier noch eine Besprechung dazu finde. Total charmant, wie sich die Platte zwischen Dance und Kunsthochschule hin- und herbewegt und trotz der amtlichen Länge dabei jederzeit zwingend klingt. Im Grunde ein ziemliches Meisterwerk von einer viel zu unterschätzten Band.