laut.de-Kritik

Der Frontmann der Punch Brothers spielt Bach auf der Mandoline.

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Als Mitglied der aufgelösten Nickel Creek und Frontmann der eklektischen wie quicklebendigen Punch Brothers genießt Chris Thile den Ruf als einer der weltbesten Mandolinen-Spieler. Während er mit seinen Bands Musik macht, die behelfsmäßig unter dem Etikett "Progressive Bluegrass" läuft, interessiert er sich durchaus auch für klassische Musik.

2007 spielte er mit den späteren Mitgliedern der Punch Brothers seine Suite in vier Sätzen, "The Blind Leaving The Blind". 2009 führte er sein Mandolin-Concerto "Ad Astra Per Alia Porci" mit dem Colorado Symphony Orchestra unter der Leitung von Jeffrey Kahane auf.

Der Schritt zum Meister von Sätzen und Suiten, zu Johann Sebastian Bach, war daher kürzer, als er scheinen mag, obwohl sich Thile in den folgenden Jahren eher um seine Band gekümmert hat. Den Anstoß dazu gab die einflussreiche MacArthur Foundation, die ihn im Herbst 2012 mit einem Stipendium in Höhe von 500.000 US-Dollar bedachte.

Thile schnappte sich kurzerhand den befreundeten Kontrabass-Spieler Edgar Mayer und machte sich an die Arbeit, um Bachs so bekannte wie Finger brechende Violinsonaten und Partiten 1001 bis 1006 für die Mandoline umzuschreiben und einzuüben.

"Es ging mir nicht darum, bahnbrechende Geigenmusik auf der Mandoline zu spielen. Es ging mir um Bach, einem der besten Musikschaffenden aller Zeiten. Die Sonaten und Partiten für Violine solo gehören zu seinen besten Kompositionen, und ich hoffe, dass sie auf der Mandoline in einem neuen, interessanten Licht erscheinen", erklärt Thile dazu.

Bach sei sein erster Kontakt mit der klassischen Musik gewesen, in Form der zweiten Aufnahme Glenn Goulds der Goldberg-Variationen. "Die Himmel öffnete sich und Bach kam hernieder. Anschließend habe ich von Bach alles verarbeitet, was mir in die Finger kam."

Bach selbst hatte Teile der Kompositionen 1001 bis 1006 für Laute umgeschrieben, später kamen Transkriptionen für Gitarre, unter anderem von Meister Andrés Segovia, hinzu. Ganz von vorne musste Thile also nicht anfangen. Doch ist eine Mandoline weder eine Laute noch eine Gitarre, was den Interpreten vor neue Herausforderungen stellte.

Die größte, zumindest aus Sicht des Hörers, steckt im eher schwachbrüstigen Klangvolumen des Instruments. Wenn es zur Sache geht, ähnelt Thiles Werkzeug einem blechernen Banjo und lässt den warmen Ton einer Konzertgitarre etwas vermissen. So gestaltet sich der erste Eindruck, der jedoch nicht von Dauer ist.

Thile interpretiert Bach mit einer Liebe und Inbrunst, die stellenweise an Gould erinnert. Er beherrscht sowohl die langsamen Passagen als auch die schnellen. Im ersten Double von BWV 1002 flitzen seine Finger so schnell über das Griffbrett, dass selbst Yngwie 'Johann' Malmsteen schwindelig würde. Wahnsinn. Doch steht in Thiles Fall das Wesen der Kompositionen, nicht die Fingerfertigkeit des Musikers im Vordergrund. Seine Interpretation mit Seele verliert auch im Dauerdurchlauf nicht an Facetten. Im Gegenteil: Sie blüht immer mehr auf.

In den USA präsentiert Thile das Werk ausgiebig live, für Europa sieht der Plan leider nur vereinzelte Konzerte vor. Wer nicht nach London, Edinburgh, Dublin, Amsterdam oder Barcelona reisen will, muss sich mit der vorliegenden CD begnügen. Es tröstet der Umstand, dass darauf die Werke 1004 bis 1006 fehlen. Vielleicht klappt es mit einem Deutschlandbesuch bei einem hoffentlich erscheinenden "Vol. 2".

Trackliste

Sonata No. 1 In G Minor, BWV 1001

  1. 1. I. Adagio
  2. 2. II. Fuga: Allegro
  3. 3. III. Siciliana
  4. 4. IV. Presto

Partita No. 1 In B Minor, BWV 1002

  1. 1. I. Allemanda
  2. 2. II. Double
  3. 3. III. Corrente
  4. 4. IV. Double: Presto
  5. 5. V. Sarabande
  6. 6. VI. Double
  7. 7. VII. Tempo Di Borea
  8. 8. VIII. Double

Sonata No. 2 In A Minor, BWV 1003

  1. 1. I. Grave
  2. 2. II. Fuga
  3. 3. III. Andante
  4. 4. IV. Allegro

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