laut.de-Kritik
Der letzte Studio-Gruß des Rock'n'Roll-Altmeisters.
Review von Kai ButterweckAls Pionier des Rock'n'Roll zog Chuck Berry einst los und ebnete das musikalische Fundament für Keith Richards, Angus Young und Gene Simmons. Letzterer hielt vor drei Monaten bei Berrys Beerdigung gar eine bewegende Abschiedsrede.
Mit seinen markanten Riffs, Genre-Evergreens wie "Johnny B. Goode" und "Roll Over Beethoven" und seiner einzigartigen Live-Performance inspirierte Chuck Berry aber nicht nur alte Semester, sondern auch jüngere Kollegen wie Tom Morello, Gary Clark Jr. und Nathaniel Rateliff. Diesem auserwählten Trio wird dieser Tage die Ehre zuteil, während des letzten Spaziergangs des Rock'n'Roll-Altmeisters aus St. Louis applaudierend Spalier stehen zu dürfen.
Und diesen Moment zelebrieren Tom, Gary und Nathaniel mit hocherhobenem Haupt und breiter Brust. Auf einer der Speerspitzen des ersten Chuck Berry-Studioalbums seit mehr als drei Jahrzehnten laufen vor allem Tom und Nathaniel im Windschatten des Maestros zur Hochform auf. Der renommierte Autor und Historiker Douglas Brinkley, der für "Chuck" die Liner Notes beisteuerte ernennt "Big Boys" gar zur "Nationalhymne jedes Gitarristen".
Aber auch andere trumpfen auf Berrys letztem Album groß auf, allen voran natürlich der Verantwortliche selbst, der sich zwar stimmlich altersgemäß brüchig präsentiert, aber in puncto Gitarrenspiel immer noch Ausrufezeichen setzt.
Aus "Johnny B. Goode" wird "Lady B. Goode". Die Einstiege sind unverkennbar. Chuck Berry klingt nach Chuck Berry. Das war schon immer so. Der gute alte Rock'n'Roll genoss stets höchste Priorität.
"Chuck" geht aber noch etwas tiefer. Dann und wann wird der pure Riff-Rock auch mal von gemütlichen Blues-Altlasten abgelöst ("You Go To My Head", "Eyes Of Man"). Gemeinsam mit seiner Tochter Ingrid verneigt sich Chuck vor der Country-Branche ("Darlin"). Im Hintergrund schütteln alte Wegbegleiter wie Jimmy Marsala, Robert Lohr und Keith Robinson unzählige Groove-Asse aus den Ärmeln.
"Chuck" ist ein Familienprojekt. Im Fokus steht vor allem die Liebe zwischen dem Hauptprotagonisten und seiner Ehefrau Toddy. Neben Tochter Ingrid stellt auch Charles Berry Jr. sein musikalisches Talent (Gitarre) unter Beweis. Der Sohnemann hat's ebenfalls drauf. Alles gut. Alles rund. Alles passt. So kann man getrost die Welt verlassen, auf der man in puncto Leidenschaft und Genre-Know-How so große Spuren hinterlassen hat. Ruhe in Frieden, Chuck!
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