laut.de-Kritik
California Noir.
Review von Giuliano BenassiSo schnell kann Songwriting gehen: "Eines Tages saßen wir in meinem so genannten Büro in San Francisco und haben Platten angehört. Frustriert habe ich zur Gitarre gegriffen und 'I hear the record crackle, the needle skips and jumps' gebrüllt. 'Bobby Fuller died for your sins', brüllte Klipschutz zurück".
Somit war nicht nur ein Songtitel samt zentraler Zeile geboren, sondern gleich der Titeltrack von Prophets 14. Soloalbum. Klipschutz, so der Künstlername des kalifornischen Dichters Kurt Lipschutz, schrieb wie schon auf vorangegangenen Werken viele der Stücke mit.
"Rock'n'Roll. Ich habe noch nichts anderes gefunden, was mich so mitreißt wie der Sound von zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug" erklärt Prophet seine musikalische Einstellung. Und die bietet er hier erneut in hörenswerter Form: Mitreißend und scheppernd, dennoch eher poppig als hard-rockend. Was auch am Hintergrundgesang seiner Frau Stephanie Finch liegt.
Bobby Fuller war ein eher lieblicher Rock'n'Roll-Sänger, der 1966 im Alter von 23 Jahren tot in seinem Auto aufgefunden wurde. Offiziell handelte es sich um Selbstmord durch Einatmen der Abgase, doch machten auch Mordgerüchte die Runde. "Eine Lösung des Rätsels wäre willkommen. Ich leite allerdings eine Band und keine Mordkommision", meint Prophet dazu.
Ihm geht es um etwas anderes. Das Album beschreibt er als California Noir. "Kalifornien gilt als das Land der Träume. Was diese Stücke verbindet, ist die Spannung zwischen dieser Vorstellung und der hässlichen Realität, die Film Noir und ebensolche Bücher ausmacht. Zum Scheitern verurteilte Liebe, von der Gosse in den Himmel und zurück, extreme Brutalität. So lautet das Menu bei uns an der Westküste".
In "Killing Machine" kommt alles zusammen: Eine allein erziehende Mutter auf Entzug geht vor die Tür, um eine Zigarette zu rauchen. Dort trifft sie auf einen Mann, der in einem Laden gerade eine Knarre gekauft hat, "It was as easy as pie, like paying for gum". Das Ende erzählt Prophet in dem fröhlich klingenden Stück nicht, doch man kann es sich vorstellen.
Tod spielt auch im fröhlichen "Bad Year For Rock And Roll" eine Rolle, diesmal als Hommage an David Bowie. "Well, the Thin White Duke took a final bow / There's one more star in the heavens now", so die ersten Zeilen. Den Schluss macht passenderweise ein Saxophon. Das rhythmische, eher düstere "In The Mausoleum" widmet Prophet Alan Vega, dem ebenfalls 2016 verstorbenen Sänger von Suicide.
Zum Schluss bietet Prophet "meinen ersten Protestsong". Alex Nieto, so der titelgebende, 20-jährige Wachmann, wurde 2016 in San Francisco von zwei Polizisten erschossen. Er habe sie mit seinem Dienstteaser bedroht, lautete die widersprüchliche Aussage der Beamten, die 59 Mal auf ihn schossen und später vor Gericht freigesprochen wurden. "Alex Nieto was a pacifist / A Forty Niners Fan / He left for work one day at 4:15 / Never made it home again", hält Prophet dagegen.
Das Album bietet noch einiges mehr, etwa das sarkastische "If I Was Connie Britton" oder das wohl autobiographische, fast schon zärtliche "We Got Up And Played" über einen schwierigen Auftritt. Auf jeden Fall lohnt es sich, die Stücke zu erforschen. Und Prophets Rock'n'Roll immer wieder zu genießen.
Noch keine Kommentare