laut.de-Kritik

Der Mensch in der Maschine.

Review von

Was unterscheidet die vielen Alben auf Griselda überhaupt noch? Alle drei Hauptverdächtige von New Yorks Revivalist-Syndikat droppten in den letzten Jahren so viele Tapes, dass man manchmal vor lauter Koks den Zucker nicht mehr sah. Aber trotzdem sticht manchmal dieses eine Release heraus, das eine andere Aura umweht. "God Don't Make Mistakes" von Conway ist eines davon. Angekündigt mit einem eigens vorabgeschickten Mixtape und lange als sein Debüt für Shady Records beworben, zeigt er: Griselda-Alben haben dieselbe DNA. Aber manchmal unterschiedlich Hunger.

Und verdammt, Conway klingt auf diesem Album nach Heißhunger: All-you-can-eat in der Cosa Nostra nach vier Wochen Fasten, wenn er bei den Openern "Lock Load" oder "Tear Gas" auf den New York-Grimm aufschlägt. "Probably won't get my flowers while I can smell them", sinniert er auf Letzterem und gibt vorsorglich Anordnungen, wie seine Beerdigung auszusehen habe, bevor Lil Wayne und Rick Ross das opulente Instrumental auseinandernehmen.

Inhaltlich beschreiten die Banger natürlich keine groß andere Richtung, als es andere Conway-Releases tun. Aber von Pusha T hat es ja auch keiner Satt, mehr Geschichten über Knarren und Koks zu hören, und so wird auch Conway überhaupt nicht langweilig. Er findet zum einen immer genau die richtigen griffigen One-Liner, um sich als bald legendärer OG am Zenit seiner Kräfte zu inszenieren. "I'm tired of hearin' old niggas talk about back in the day" gibt er auf dem Griselda-Posse-Cut "John Woo Flick" zu Protokoll, bevor der Staffelstab an Benny The Butcher, dann an Westside Gunn übergeben wird. Klar, die Griselda-Sounds kommen aus der Vergangenheit, aber das hier ist die blutrote Gegenwart. Keine weiteren Frage, euer Ehren.

So entfaltet sich der Zauber oft einfach dann, wenn er ihm ehernen Stechschritt auf den Instrumentals Fahrt aufnimmt. Egal, ob Daringer, Alchemist oder auch mal Bink oder H1t-Boy, seine Stimme wurde zum Rappen geboren – und die Soul-Chops und Piano-Loops über den rumpelnden Drums holen nicht uns in die Vergangenheit, sondern die Vergangenheit ins Jetzt. Der Alchemist-Beat auf "Piano Love" ist ein verdammter Tritt ins Jochbein und die Produktion auf "Babas" erinnert mit der abstrakten E-Gitarre fast ein bisschen wie Armand Hammer.

Aber am Ende ist "God Don't Make Mistakes" nicht einfach nur der nächste Coke-Rap-Marathon aus Buffalo. Der absolute Ausnahmesong "Stressed" beginnt unscheinbar mit einem Rant über Schmarotzer und das Gewicht der Welt, das er seit dem Fame zu tragen hat. Und dann beginnt er, seine Dämonen aufzulisten, als würde er zum Beweis der physischen Realität seiner Depression eine Inventur all seiner Traumata abfassen. So spricht er vom Selbstmord seines Cousins, vom Tod seines Sohnes kurz nach der Geburt, von seiner eigenen Misshandlung als Kind und schließt mit seiner aktuellen Alkoholabhängigkeit ab. Dieser Song nimmt jedes seiner Seelenunheile so nüchtern und trocken auseinander, dass man besser versteht, warum er auf "Wild Chapters" "How the fuck I'm posed to be a proud rapper" sagt.

Conway öffnet sich im Laufe dieses Tape zu einem nie dagewesenen Grad. Wieder und wieder fordert er den wohlverdienten Respekt ein, triumphierend folgt auf "Stressed" die Nummer "So Much More", in der er das positive Gegenstück zum Vorgänger abhandelt und all seine Qualitäten und Stärken einschätzt. "I was focussed on staying focussed" rappt er da. Jill Stone und Keisha Plum liefern beide fantastische Features ab, neben "John Woo Flick" vielleicht die besten des Projekts und geben Conways maschineller Straßenrap-Politik eine etwas menschlichere, intimere Note.

Der Titeltrack schließt das Album noch einmal ambitioniert ab. Über die traumhafte, fast surreale Alchemist-Produktion lässt er vor seinem inneren Auge alle Kugeln an seiner Schläfe vorbeiziehen, die im Laufe seines Lebens an ihm vorbeigeflogen sind, sinniert über Chancen, die er verpasst, und Chancen, die er genutzt hat. Eine Voicemail seiner Mutter beendet das Projekt. Eine Dreiviertelstunde, die davonfliegt, selbst, wenn man sich bei seinen letzten Tapes ein bisschen ermüdet fühlte. Conway klang selten so hungrig, so in sich ruhend und so bereit, seinen Platz in der Rapszene einzufordern. "God Don't Make Mistakes" ist der Beweis, dass Griselda keine nostalgische Modewelle ist, sondern verdammt nochmal etwas zu erzählen hat.

Trackliste

  1. 1. Lock Load (feat. Beanie Sigel)
  2. 2. Tear Gas (feat. Rick Ross & Lil Wayne)
  3. 3. Piano Love
  4. 4. Drumwork (feat. 7xvethegenius & Jay Skeese)
  5. 5. Wild Chapters (feat. T.I. & Novel)
  6. 6. Guilty
  7. 7. John Woo Flick (feat. Benny The Butcher & Westside Gunn)
  8. 8. Stressed (feat. Wallo267)
  9. 9. So Much More
  10. 10. Chanel Pears (feat. Jill Scott)
  11. 11. Babas (feat. Keisha Plum)
  12. 12. God Don't Make Mistakes (feat. Annette Price)

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