laut.de-Kritik
Rap und Dancehall in ausgewogener Mixtur.
Review von Dani FrommZu jedem noch so absurden Thema existieren Studien. Ich bin sicher, die Marktforscher der Welt haben bereits untersucht, wie das Verhältnis gespielter Songs zu Station-IDs ausfallen darf, ohne den durchschnittlichen Radiohörer in den Wahnsinn zu treiben. Ich wage die wüste Vermutung, dass sich dabei "ein Jingle pro Track" nicht unbedingt als die ideale Mischung erwiesen hat. Herzlich willkommen. Wir hören Flame FM, die heißeste Radiostation der Nation. Ich bin zwar alt, aber nicht dement: Mir hätte genügt, wenn man mich nach jeder dritten Nummer daran erinnert hätte.
Abgesehen von übertriebener Selbstinszenierung fährt das Frankfurter Privatradio nicht das schlechteste Sendekonzept auf. On Air gehen Rap und Dancehall in ausgewogener Mixtur. Die einzige Werbeunterbrechung verursacht der Spot der äußerst sympathischen Ganja Air, mit denen man doch gerne auf der Stelle in einen Traumurlaub der Spitzenklasse abheben möchte. Doch Obacht, Ladies and Gentlemen: "We'd like to inform you, that this is a smoking flight."
Der Frankfurter Feuermann setzt einmal mehr auf sein Markenzeichen: Sein Flow bleibt mindestens ebenso unikat wie seine Stimme, die seit jeher aus den pechschwarzen Tiefen der Unterwelt empor zu steigen scheint. An Stellen, an denen D-Flame richtig in Fahrt kommt, meint man, er habe von da unten auch gleich noch eine Portion Höllenglut mitgebracht. So dokumentiert in "Burning Nonstop" - ob Single-Edit oder Dancehall-Remix: Diese Nummer raucht dermaßen, dass man die Nebelmaschine gut im Schrank lassen kann. Wayne Marshall bildet mit eingängig gesungener Hookline einen passenden Gegenpart zu Flames höllischer Performance. Ein respektvolles Kopfnicken geht in Richtung Kraftwerk: Der Plan geht (mittlerweile erwiesenermaßen) auf beliebigen Tanzflächen auf.
In "Flyin' High" verblüfft Flame zu einem superentspannten Phrequincy-Beat mit beinahe gehauchtem Gesang. Holla, da legt sich einer ja eine richtige Verführerstimme zu! Wäre der Refrain nicht so schauderhaft: Ein echter Lieblingstrack- Kandidat. Erheiternde Diskussionen mit hessischen Türstehern eröffnen "Heizz". Chilliger Poolparty-Sound dominiert "Endlich Wieder Da", während in "Nett Mit Mir!!!" über blechernem Bombast aus dem Hause Lex Barkey derart einer auf dicke Hose gemacht wird, dass man sich wünscht, diesem Doubletime-Reinemonster besser niemals in die Schusslinie zu geraten. Nicht übel!
Überaus wortwitzig flickt Flame künftige und vergangene Hit-Titel zu seinem Willkommensgruß zusammen. "Nuh Like Dem Neither" mit Camp Lo liefert amtliche Dynamik, und mit "No Compromises" erhält man ganz ohne Zugeständnisse eine satt tönende Reggae-Nummer, die allerdings mehr vom Gesang der Gäste denn von D-Flames Beteiligung lebt. Irre getrieben: "Call Me Crazy". So viel Schönes! Warum nur beschleicht mich über weite Strecken dennoch das große, flaue Na-ja-Gefühl?
Zum einen fehlen mir die frischen Inhalte. Flame ist zurück, Unkraut vergeht nicht und Totgesagte leben länger - irgendwann weiß das auch der Allerletzte. Christlich inspiriertes Gejaule von Xavier Naidoo kann und will ich nicht mehr hören, das vergällt mir den ansonsten hübschen Love-Song "Du Gehst Mit Mir". Für die Liebeserklärung an die alleinerziehende Mutter ("Mom Song") legte 2Pac einst die Messlatte extrem hoch, und, sorry, Bäder im Selbstmitleid ("Hörst Du Mich") gibt es wirklich zuhauf wie Tränen nach einem Herzbruch.
"Ihr werdet hier nicht gebraucht / Das gilt für den Rest eurer Clique auch." ("Zu Viele Gimmix") Mit solch drögen Reimen gewinnt man heute keine Battle mehr. Die Aufforderung "Tanz für mich, zeig mir, was du drauf hast" im lüstern dahin schleichenden "Genau So" wäre mir vermutlich sogar reingelaufen, hätte ich sie nicht erst kürzlich wesentlich charmanter aus dem Munde eines anderen Frankfurter Bubs vernommen. Und: Ui! Nicht nur Benjie hat die Sommerzeit gerne? Die eine oder andere neue Textidee wäre in der Tat hochwillkommen gewesen.
Den noch gravierenderen Makel sehe ich im an vielen Stellen mager ausgefallenen Bass. Dancehall ohne die Gefahr, mit dem Schalldruck die Fensterscheiben nach draußen zu drücken, hinterlässt schlicht einen faden Nachgeschmack. Mir fehlt die Wucht im ansonsten trickreich gebauten "Wir Bleiben". "Heizz" gerät für einen Partyburner zu lahm und um Welten zu unwuchtig. In "Check" rappt Flame ohne Punkt und Komma an der Seite von Vybz Kartell - doch wo zum Teufel ist der Bass?
Ja, wo? Ich bedaure die bescheidene Wertung zutiefst, breitet sich doch eigentlich stets ein Grinsen auf meinem Gesicht aus, sobald aus irgendeiner Richtung ein "a-uha-uh" ertönt. Schade.
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