laut.de-Kritik
Mit Geduld und Aufrichtigkeit gegen das düstere Chaos.
Review von Anthony Cerezo"Cause if this shit don't work, I failed at life / Turning to these drugs, now these drugs turned my life" offenbart Danny Brown auf dem Titeltrack seines Durchbruchalbums "XXX", eine skurrile Reise durch Dannys dreißigjährigen Verstand, die grenzenlos zwischen humorvoller Absurdität und den tiefen, lebensverschwenderischen Abgründen eines Drogenabhängigen pendelte. Etwa ein Jahrzehnt später veröffentlicht der Rapper aus Detroit den spirituellen Nachfolger mit dem Titel "Quaranta", was auf italienisch "vierzig" bedeutet und seinem aktuellen Alter entspricht. Jedoch verbirgt sich hinter dem Titel nicht der Ansatz eines Zeitsprungs, der auf Reife hinweisen soll. Stattdessen präsentiert sich Brown deprimiert, isoliert und von seinen selbstzerstörerischen Tendenzen geängstigt.
Das neue Album entstand inmitten eines drastischen Tiefpunkts: frisch getrennt und einsam in einem zu räumigen Penthouse werkelt er an seiner Musik, und sieht sich konfrontiert mit seiner sich verschlimmernden Drogensucht. Dem britischen Guardian gibt Danny preis, dass sein Drogenkonsum so außer Kontrolle geraten sei, dass er während der Produktion stets im Hinterkopf behielt, dass dieses Album möglicherweise sein letztes sein könnte. "Quaranta" dient als eine Art Zeitkapsel, die ihn dazu veranlasst, mit bedeutsamen und ehrlichen Worten auf eine dunkle Phase seines Lebens zurückzublicken.
Also, was hat sich eigentlich seit "XXX" im Leben von Danny Brown verändert? Diese Frage beantwortet er im Intro des Albums: "This rap shit saved my life, and fucked it up the same time", rappt er auf einem Italo-Western-inspirierten Beat und bringt die Hörer mit voller Ehrlichkeit auf den neuesten Stand. Mit einer zurückhaltenden Stimme teilt er den Schmerz, wenn er über seine Traumata spricht, und bekennt, dass er auf der Jagd nach seinen Träumen alles verloren habe. Doch bereits im nächsten Track "Tantor" legt er vorerst die Sorgen beiseite und befreit sich mit seinem Talent aus seiner Krise: "We docking in the low tide (Huh) / So strap up, my nigga, it's time to rhyme". Virtuos legt er seine schrille Stimme über einen bizarren, mechanisch klingenden Instrumental.
Die erste Hälfte des Albums prägen düstere, verworrene Beats und durchschlagende Reime. "Ain't My Concern" besticht durch eine mysteriöse und experimentelle Atmosphäre, während bei "Dark Sword Angel" undeutliche, rauschende Vocals im Vordergrund stehen. Im verspielten "Y.B.P." schildert Danny das harte und schwierige Leben in seiner Heimatstadt Detroit. Doch er erkennt, dass die raue Realität der Stadt ihn zu dem geformt hat, was er heute ist. Mit "Jenn's Terrific Vacation" nimmt er die Gentrifizierung seiner Heimatstadt aufs Korn und kritisiert den Verlust der Authentizität, die sein Leben in der Stadt prägte. Nun weicht diese ursprüngliche Lebensweise modernen, kapitalistischen Entwicklungen: "On the corner just with the Starbucks / I was just looking for a come up / Right there used to be a crack house / Now it's an organic garden".
Nach dem turbulenten und lebhaften Sturm tritt jedoch die Seite in den Vordergrund, die im Intro angedeutet wurde. Brown verlangsamt das Tempo, wird nachdenklich und ergänzt die allmählich einsetzende Nüchternheit mit seelenruhigen Jazzbeats. "Down Wit It" leitet diesen Übergang ein, während er den Zusammenbruch seiner Welt schildert und Fehler eingesteht. Die Langzeitbeziehung ist zerbrochen, das Netz, das ihn im Chaos aufgefangen hat, ist weg, und Drogen sowie Depressionen haben die Kontrolle über sein Leben übernommen. Ähnlich wie die Schilderungen seines absteigenden Lebensweges, mündet der Track in einer undurchsichtigen Verzerrung.
Gemeinsam mit MIKE kündigt er auf "Celibate" ein zölibatäres Leben an und gibt sich distanziert von Verpflichtungen und äußeren Ablenkungen "I used to sell a bit / But I don't fuck around no more, I'm celibate / Had me trapped in that cell a bit". Auf "Shakedown" kehrt er den "Clowns" den Rücken zu und fokussiert sich wieder darauf, sich selbst und seine Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen. In der friedlichen, organischen Produktion von "Hanami" gibt der Selbstzweifel den Ton an, und Danny teilt seine Gedanken über die Fehler in seinem Leben und seiner Karriere. Aber die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen, und trotz der vielen stressigen und bereuenden Erfahrungen ist er mit seinem Erfolg zufrieden, so dass er jederzeit seine Karriere friedlich beenden könnte. Der abschließende Track "Bass Jam" rundet das Album mit einer sanften und befriedigenden Note ab, während Danny sich an Erinnerungen aus seiner Jugend klammert und den Bogen zur Gegenwart schließt: "Dreaming about the shit, that I'm doing today".
Danny Brown offenbart sich so klar und aufrichtig wie niemals zuvor. Seine zurückhaltende Stimme, sowie die ruhigere zweite Hälfte des Albums, im Gegensatz zum gewohnt überladenen Sound, verleihen "Quaranta" eine optimistische und reife Perspektive auf das, was war und was kommen mag. Die humorvolle und rastlose Ader, die auf "XXX" noch dominierte, ist nicht völlig verschwunden, jedoch steht der ernste und biografische Blick auf sich selbst im Vordergrund und zeigt, dass Danny alles unter Kontrolle hat. "Ich habe schon so viele Künstler gesehen, die nüchtern wurden und deren Musik dann scheiße war". "Quaranta" belegt, dass er den Reiz seiner markanten, verschlungenen und experimentellen Musik nicht eingebüßt hat. Mit einer neugewonnenen Geduld und einer mitreißenden Aufrichtigkeit hat er sie sogar bereichert.
3 Kommentare
Singles sind nice. Definitiv auf einen anderen Level als Germany. Bin gespannt auf das Album
Tolle Scheibe! Mit bisschen Hörabstand beim zweiten Durchgang. Nach dem starken Opener sagt mir die zweite Hälfte dabei insgesamt mehr zu.
Das letzte Soloalbum war ebenso nett wie irgendwie forgettable (außer "Dirty Laundry" hab ich eigentlich nix behalten?). Die Kollabo mit JPEGMAFIA eine Wahnsinns-Platte (im besten Sinn). Das hier ist einfach richtig gut. Cleane Produktion, dabei kein bisschen langweilig, und paar großartige Lines. Gelisted für Best of 2023.
Wie immer rappt der Kerl über absolut großartige Beats. Tolle Produktion, die gleichzeitig eingängig und eigen wirkt und besonders der Einsatz von Gitarren taugt mir sehr.
Danny ist ein guter Rapper, der was zu erzählen hat, aber durch Stimme und Flow, bleibt bei mir davon wenig hängen.
Musikalisch aber wirklich top notch 2023.