laut.de-Kritik

Comedy als Therapie mit Jpegmafia und Thundercat.

Review von

Die australische Stand-up-Komikerin Hannah Gadsby verarbeitet seit Karrierebeginn ihre Adoleszenz als lesbische Frau im konservativen und streng christlichen Tasmanien. Dabei stellt sie vor allem ihren persönlichen Schmerz in den Mittelpunkt, macht diesen zuweilen gar zur Punchline des Witzes. In ihrem von Kritikern geliebten Live-Programm "Nanette" verwehrte sie dem Zuschauersaal jegliche Katharsis, so dass die Halle am Ende in einem Tränenmeer versank, weil sich die eben noch lustige Punchline als reale Tragödie offenbarte. Ganz ohne doppelten Boden.

Zu großen Teilen verhält es sich mit Danny Browns Diskographie ähnlich. Im Musikvideo zu "Ain't It Funny", einem Schlüsselsong seines Meisterstücks "Atrocity Exhibition", inszeniert er seine Drogenabhängigkeit als Sitcom und macht sein Elend wie Gadsby zu deren Klimax. Am Ende liegt er blutend am Boden und resümiert: "I'm glad you found my pain entertaining", während das Live-Publikum grölend applaudiert.

"​Uknowhatimsayin¿" führt diese Tradition fort, legt aber noch größeren Fokus auf den komödiantischen Aspekt und rückt das persönliche Drama stellenweise etwas in den Hintergrund, was sicher auch Dannys privater Entwicklung geschuldet ist: Clean (zumindest nach eigener Definition), mittlerweile fast 40 und folgerichtig entspannt wie nie zuvor, hat es sich der Detroiter allemal verdient, die Schwarzmalerei hinter sich zu lassen, sei es auch nur für den Augenblick.

Wie jedes seiner Alben beginnt jedoch auch "​Uknowhatimsayin¿" mit einem introspektiven Blick auf den eigenen Werdegang. "Change Up" lässt die offen vorgetragene Selbst-Dekonstruktion einer "Downward Spiral" oder eines "XXX" allerdings vermissen. Anstelle sich im Sumpf des eigenen Unvermögens zu suhlen oder es cartoonhaft auf die Spitze zu treiben, wählt Danny 2019 die Flucht nach vorne:"I'ma keep goin', you cannot blame us / Never look back, I would never change up."

Das wirkt wie der Backstage-Pep-Talk im Dressing Room, um sich ein letztes Mal mental auf die kommenden 30 Minuten vorzubereiten. Mit "Theme Song", einer Hymne für "bitch ass niggas", setzt sich Daniel Dewan Sewell dann die Maske seines Alter Egos auf und betritt die Bühne. Die Inhalte seines Programms bilden stets Erfahrungen, die er zwischen Detroiter Ghettos und VIP-Highclass-Orgien, zwischen dem einstigen Alltag als jugendlicher Drogenkurier und dem Leben als zur Ruhe gekommener Rapper der alten Schule gesammelt hat. Diese Geschichten trägt er stets mit einem Grinsen im Gesicht vor, so absurd oder bedrückend sie auch sein mögen. Einzig auf "Shine (feat. Blood Orange)" lässt Danny für einen Moment hinter die Fassade blicken. Dieser Moment resultiert aber offenbar nicht aus einem depressiven Comedown, sondern entsteht einzig, weil Danny es genau so will.

In "Dirty Laundry" tobt sich der Rapper lediglich lyrisch aus und stellt seine Fähigkeiten als waschechter Comedian unter Beweis. Über einen Q-Tip-Beat, der klingt, als hätte Thom Yorke auf Acid den Jingle für die Arcade-Halle auf der Kirmes geschrieben, berichtet Danny in urkomischen Details vom Sex mit einer Stripperin, die er mit dem Kleingeld für die Wäscherei bezahlt.

"Belly Of The Beast" schlägt in eine ähnliche Kerbe. Während uns Paul Whites Beat förmlich ins Ohr haucht, gibt Danny absurde Punchlines zum Besten und endet einen verrückten Blowjob-Flex mit: "After she was done I looked down at my penis / Like, she really ain't mean it." Neben Dannys wie erwartet großartigen Raps sollte man an dieser Stelle vor allem die unglaubliche Leistung der Produzenten erwähnen. Flying Lotus, Thundercat, Jpegmafia, Paul White, sie alle schneidern dem Amerikaner solch detailverliebte, vielschichtige und abwechslungsreiche Klanggebilde auf den Leib, dass sie dieses Jahr wohl außer Konkurrenz bleiben dürften. Auch Altmeister Q-Tip trägt dazu bei, ist der doch derjenige, der jedem Beat persönlich den letzten Schliff verpasste.

"Savage Nomad", der beste Songs des Albums, vereint alle Qualitäten der LP in knappen drei Minuten. Im gleichen Atemzug wie "I ignore a whore like an email from LinkedIn" rappt Brown die mitunter depressivsten Zeilen seiner gesamten Karriere: "Dealt with so much pain that I don't even know what feelin' is". Unterbrochen wird sein Wasserfall der Wortspiele lediglich von zwischengeschnittenem Gelächter; man fühlt sich an das "Ain't it Funny"-Video erinnert. Doch anstelle seines Versagens dient nun der Fakt als Punchline, dass gerade all die Rückschläge dazu führten, dass er jener Rapper wurde, der er heute ist.

In einer Live-Performance von Comedian Joey Diaz, der Danny für dieses Album inspirierte, erzählt er die Geschichte seines ersten Acid-Trips. Doch entgegen der Erwartungen endet die Story nicht im Krankenhaus oder mit dem Kopf über der Kloschüssel, sondern auf Knien neben seiner toten Mutter. Man merkt, dass er die Geschichte trotz des Gelächters im Saal in aller erster Linie für sich selbst erzählt. Nach mehrmaligen Durchläufen muss man für "​Uknowhatimsayin¿" Ähnliches konstatieren: musikalisch grandios, aber vor allem Comedy als eine Form der Therapie für die geplagte Seele. Am Ende ist es egal, ob das Publikum lacht oder weint. Fest steht nur, dass Danny Browns humorvolle Seelenheilung erneut sämtliche Standing Ovations der Welt verdient und man ihm nur das Beste wünscht, wenn er auf "Best Life" resümiert: "Cause ain't no next life, so now I'm tryna live my best life."

Trackliste

  1. 1. Change Up
  2. 2. Theme Song
  3. 3. Dirty Laundry
  4. 4. 3 Tearz (feat. Run The Jewels)
  5. 5. Belly Of The Beast
  6. 6. Savage Nomad
  7. 7. Best Life
  8. 8. Uknowhatimsayin¿
  9. 9. Negro Spiritual (feat. JPEGMAFIA)
  10. 10. Shine (feat. Blood Orange)
  11. 11. Combat

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